Argentinische Presse: Bergoglio und die Militärdiktatur
In den argentinischen
Medien finden sich in diesen Tagen neue Details über die wahre Rolle des damaligen
Jesuitenprovinzials Jorge Mario Bergoglio in der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983).
So veröffentlichte die Zeitschrift „perfil“ (Profil) unmittelbar nach der Papstwahl
auf ihrer Internetseite ein aufschlussreiches Interview, das sie bereits 2010 mit
dem damaligen Kardinal geführt hatte.
Darin schildert Bergoglio, wie er sich
mit einem Trick Zugang zum Haushalt des damaligen Militärdiktators General Jorge Videla
verschaffte, um sich bei ihm für Geistliche einzusetzen, die von Militärs verschleppt
und inhaftiert worden waren. Damals kontaktierte der Jesuitenprovinzial Bergoglio
den Militärgeistlichen, der in der Residenz Videlas regelmäßig die Messe hielt. Sie
verabredeten, dass der Geistliche eine plötzliche Erkrankung vortäuschen und Bergoglio
als Aushilfspfarrer für die Messe im Haus des Generals vorschlagen solle. Der Plan
funktionierte, und der Jesuit feierte mit der gesamten Familie Videla die Messe. Anschließend
bat er den General um ein Vier-Augen-Gespräch, das er nutzte, um sich für verhaftete
Geistliche einzusetzen.
Einer der beiden Jesuitenpater, der während der Militärdiktatur
in Argentinien vom heutigen Papst Franziskus angeblich fallen gelassenen wurde, hat
sich nun mit Jorge Mario Bergoglio versöhnt. Der andere ist in der Zwischenzeit verstorben.
Der heute 85-jährige Franz Jalics, der seit 1978 in Deutschland lebt, hat am Freitag
auf der Homepage der deutschen Jesuiten eine diesbezügliche Erklärung abgegeben. Jalics
habe mit Bergoglio während dessen Zeit als Erzbischof über die Situation während der
Militärdiktatur (1976-1983) gesprochen, er sei mit den Geschehnissen versöhnt und
betrachte sie als „abgeschlossen“, führte er aus. Jalics hält sich derzeit in Ungarn
auf, so die Information der deutschen Jesuitenprovinz.
Die Kontakte zu Videla
sowie zu Admiral Emilio Massera wurden Bergoglio von Journalisten, die dreißig Jahre
später über die Ereignisse recherchierten, als eine zu große Nähe zu den Machthabern
ausgelegt. Bergoglio hat sein Verhalten und seine Motive in der Zeit des Unrechtsregimes
öffentlich dargestellt und begründet. Mindestens zweimal hat er bei Gerichtsprozessen
als Zeuge in dieser Sache ausgesagt, und in dem „perfil“-Interview hat er weitere
Details geschildert. Trotzdem wurde sein Ruf beschädigt.
Die Polemik gegen
den Kardinal erhielt seinerzeit Nahrung durch die Behauptung des Journalisten Horacio
Verbitsky, Bergoglio habe 1976 die beiden Jesuitenpatres Francisco Jalics und Orlando
Yorio nicht vor der Verfolgung durch die Militärs geschützt. Bergoglio erwiderte,
er habe die beiden gewarnt und sie gedrängt, sich im Provinzialat in Sicherheit zu
bringen. Die beiden hätten aber nicht gehorcht und sich für den Weg offenen Widerstands
entschieden - auf die Gefahr hin, verhaftet zu werden. Als dies geschah, setzte er
sich dennoch für sie ein. Beide wurden nach einigen Monaten freigelassen. Einer der
beiden verstarb zwischenzeitlich; mit dem anderen fand eine förmliche Aussöhnung statt.
Bergoglio
verhielt sich in seiner Lage ähnlich wie einige Obere der evangelischen Kirche in
der DDR, die den radikalen Weg einiger Pfarrer gegen das SED-Regime zwar für unklug
hielten, ihnen dann aber zu helfen versuchten, als die Staatsmacht gegen sie vorging.
Anders als bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts stehen jedoch in Argentinien zur
Aufklärung von Vorwürfen keine historischen Archive zur Verfügung. So steht in vielen
Fällen Aussage gegen Aussage.
Es ist eine Tatsache, dass viele katholische
Bischöfe in Argentinien damals mit den Militärs sympathisierten und zu den Menschenrechtsverletzungen
schwiegen. Nur wenige von ihnen setzten sich für Verfolgte ein. Der damalige Jesuitenobere
Bergoglio bildete, wie auch der argentinische Friedensnobelpreisträger und Menschenrechtsaktivist
Adolfo Perez Esquivel in diesen Tagen betonte, eine rühmliche Ausnahme.
Damals
sei die Situation „bürgerkriegsähnlich“ gewesen, schilderte Jalics mit einem Verweis
auf die Tausenden Ermordungen aus den Reihen linksgerichteter Guerillas, jedoch auch
vieler Zivilisten, durch die Militärjunta. „Wir zwei im Elendsviertel hatten weder
mit der Junta noch mit den Guerilla Kontakt. Durch den damaligen Informationsmangel
bedingt und durch gezielte Fehlinformationen war jedoch unsere Lage auch innerkirchlich
missverständlich“, so der Jesuit.