Ein Jesuit aus Argentinien
leitet die spanischsprachige Abteilung von Radio Vatikan. Pater Guillermo Ortiz kennt
den neuen Papst seit gut drei Jahrzehnten. Nie hätte er sich erwartet, seinen Mitbruder
als Papst zu sehen.
„Ich wusste zwar, dass er im Konklave wichtig war:
wegen seiner Erfahrung, seiner Präsenz, seiner Geschichte, aber ich habe es mir nicht
erwartet. Ich war sprachlos. Ich musste die Live-Übertragung im Radio machen und fand
keine Worte.“
Als Pater Ortiz bei den Jesuiten eintrat, war Pater Bergoglio
Provinzial, also Ordensoberer für Argentinien. Mit ihm sprach der junge Ordensaspirant
also wegen seines Eintritts. Während der Ausbildung – Jesuiten durchlaufen eine zwölf
Jahre dauernde Ausbildung – traf der Novize wieder auf Pater Bergoglio. Ein „anspruchsvoller
Lehrmeister“ sei er gewesen, sagt Ortiz: „Er verlangte viel, aber er hat einen nicht
allein gelassen“.
„Er war Theologieprofessor, aber auch Pfarrer in einer
neuen Pfarrei mitten in einem Arbeiterviertel. Wir haben viel gelernt, denn er hat
uns hinausgeschickt auf die Straße. Die Kranken sollten wir besuchen und die Kinder
für den Katechismus. Wir gingen jeden Samstag und Sonntag hinaus, um mit den Leuten
zu sein, den Arbeitern, den Beladenen. Es war eine außergewöhnliche Erfahrung.“
Die
Basis für das Wirken ist für den neuen Papst das Gebet, ist Pater Ortiz überzeugt.
Er stand jeweils um 4 Uhr morgens auf, um zu beten. In diesen Gesprächen mit Gott
reifte ganz offensichtlich sein Reden und Tun. In Argentinien, so erzählt Pater Ortiz,
kennen alle Leute die Predigten Pater Bergoglios über Opfer des Menschenhandels in
Prostitution und Organhandel.
„Er hat gegen die Käuflichkeit und die Korruption
gesprochen und die Menschenwürde verteidigt. Aber so, wie man ihm zuhörte, sprach
er nicht wie vom Lehrstuhl einer Universität, sondern er sprach quasi mit dir. Wenn
er spricht über Drogensucht, dann merkt man, er spricht von einer Person, der er wirklich
zugehört hat.“
Der neue Papst mochte es nie, als „Herr Bischof“ oder gar
„Eminenz“ angesprochen zu werden, erzählt Ortiz. Er wollte „Pater Jorge“ genannt werden.
Öfter habe er ihn auf den Straßen von Buenos Aires getroffen, unterwegs zu einem Kranken
oder zu einem Pfarrer. Bis 18 Uhr sei Bergoglio Diözesanbischof gewesen, danach Seelsorger
– und mehr als das. Dies alles habe den Blick des neuen Papstes auf die Kirche sehr
geprägt.
„Er hat eine ganzheitliche Sicht auf die Dinge, er lernt aus dem
was er sieht, um nachher die Dinge in der bestmöglichen Art abzuwickeln. Seine Fähigkeit,
sozusagen im Großen zu denken, hat mich immer beeindruckt. Er ist eine große Führungspersönlichkeit.“