Die Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“ würdigt den neuen Papst in einer
Sonderausgabe, die noch am Tag der Wahl abends um 20.30 Uhr erscheint, als Nachfolger
Petri. „Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich liebe“ – diese Worte des Petrus
zu Jesus aus dem Johannesevangelium bezieht die Zeitung auf den neuen Papst: „Die
Antwort des Petrus ist dieselbe, die der neue Papst wiederholt hat, als er die Wahl
annahm.“ Die Sonderausgabe ist von der Künstlerin Isabella Ducrot grafisch gestaltet.
Auf der Titelseite wird die lateinische Verkündungsformel „Annuntio vobis gaudium
magnum: Habemus Papam Georgium Marium Bergoglio qui sibi nomen imposuit Franciscum“
wiederholt, die Kardinalprotodiakon Jean Louis Tauran am Mittwochabend von der Mittelloggia
des Petersdom verlas. Darunter prangt ein großes Bild des lächelnden Papstes in schlichter
weißer Soutane ohne rote Mozzetta oder Stola mit erhobener Hand.
Er ist
der erste Papst, der sich nach dem beliebtesten Heiligen benennt, der erste nicht-europäische
Papst (genauer: seit 1.272 Jahren), der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri, der erste,
der sein Volk darum bittet, für ihn zu beten, der erste, der „als Bischof und Vater“
sein Volk segnet, der erste, der beim ersten Auftritt als Papst mit einem Gebet seinem
Vorgänger dankt. – So beschreibt die italienische Zeitung „L’Avvenire“ die
ersten Gesten von Papst Franziskus - als einen Papst, der neue Schritte tut.
Überhaupt
wertet die italienische Presse die Papstwahl als Aufbruch und neuen Abschnitt für
die Weltkirche. „Das Papsttum verlässt Europa und geht nach Amerika“, schreibt die
Tageszeitung „Corriere della Sera“. „Es ist ein Ereignis, das für die Fähigkeit
zur Erneuerung spricht, die im Herzen der römischen Kirche wohnt und von ihr noch
einmal auf die Bühne der Geschichte gehoben wird im Zeitalter einer globalen Durchmischung
der Menschheit. Sie geht über den Atlantik und wählt (...) einen Mann des Südens,
jetzt wo der arme Süden im Begriff ist, den reichen Norden unter Berufung auf seine
Rechte und Bedürfnisse herauszufordern. (...) Die Signale dieser Wahl, die alle das
Neue in sich tragen, könnten der Kirche helfen, den Rückzugskomplex zu überwinden,
der sie in den vergangenen vier Jahrzehnten befallen hat, und dem jugendlichen Protest
der 1960er Jahre zu entkommen, der mit dem Beginn des innerkirchlichen Konflikts über
das Erbe des Zweiten Vatikanums zusammenfiel.“
Die Tageszeitungen „La
Stampa“ betont die Überraschung vieler Menschen über die Wahl des Argentiniers
auf den Stuhl Petri. „Es schien, als suchten die Kardinäle einen jungen Papst; gewählt
haben sie einen 76 Jahre alten. Es schien, als müssten sie einen ,Regierungschef‘
für die römische Kurie wählen; gewählt haben sie einen der Purpurträger, der am weitesten
von Karrieredenken, Machtspielen und kurialen Seilschaften entfernt ist“. Die Zeitung
wertet den Ausgang der Papstwahl als „Zeichen für einen Wechsel“ in der katholischen
Kirche. Die Entscheidung gehe in Richtung einer „Reform der Kurie“, einer „größeren
Kollegialität“ und zeige das „Bestreben, zu verhindern, dass sich die Skandale der
vergangenen Jahre wiederholen“.
„Der Name Jorge Mario Bergoglio tauchte
so gut wie nie auf den Listen mit den Namen der großen Favoriten auf“, schreibt „La
Repubblica“, die wie „L’Avvenire“ die Neuartigkeiten bei dieser Papstwahl aufzählt.
Die Kardinäle hätten „nicht nur keinen eisernen Ratzingerianer wie Scola oder Schönborn
gewählt, sondern den, der Ratzinger die Mehrheit der Stimmen im Konklave streitig
gemacht hat.“
Die Zeitung „Il Messaggero“ sieht den neuen Papst
sogar in Rolle, das Papsttums zu verändern: „Ein Kardinal, der als konservativ bekannt
ist, der aber einen revolutionären Namen gewählt hat: Franziskus. Ein Name, der nicht
nur zum ersten Mal angenommen wurde, sondern auch die Last eines Versprechens enthält:
das Konzept des Papsttums zu erneuern. (...) Und in der Tat hat uns Franziskus sofort
erstaunt mit seiner Demut, der Bitte an die Gläubigen um ihren Segen noch vor dem
feierlichen traditionellen Segen. Eine Umkehr der Tradition, die aber mit intensiver
Anteilnahme gewürdigt wurde.“
„Er weißt um die Probleme und verspricht
Wandel“ Das neue Oberhaupt der Kirche ist ein ganz normaler
Mensch.“ Das schreibt die Tageszeitung „La Nación“ aus Buenos Aires über den
neuen Papst. Franziskus sei „einfach, den Armen nahe und fest in seinen Überzeugungen“.
Die „Probleme, die der Vatikan und der Katholizismus haben“, seien ihm durchaus bewusst.
Der neue Papst habe sich den Namen eines Heiligen gewählt, „der einen Wandel in der
Kirche vorwegnimmt“, so die Zeitung. Die Wahl des neuen Papstes sei „ohne Präzedenzfall
und das Zeichen für einen Neubeginn“. „La Nación“ betont, dass der bisherige Kardinal
von Buenos Aires immer wieder entschieden der Regierung unter Nestor Kirchner und
mittlerweile Cristina Kirchner entgegengetreten sei. Dabei sei es in der Regel um
die Themen Korruption und Armut gegangen.
Die US-amerikanische „New York
Times“ sieht die Wahl eines Argentiniers zum Papst als „emphatischen Gruß an die
wachsende Macht der Südamerikaner“ auf beiden Teilen des Doppelkontinents. Mit dem
neuen Papst werde „die Gravitation der römisch-katholischen Kirche von Europa mit
einem Schwung nach Lateinamerika verlagert“, schreibt die Zeitung. Die Wahl habe „Südamerikaner
von Los Angeles bis Buenos Aires elektrisiert“ und vor allem Hoffnungen in Lateinamerika
geweckt, wo vier von zehn Katholiken der Weltkirche leben. Doch auch für die katholische
Kirche in den USA könne die Papstwahl einen „strategischen Aufschwung“ bedeuten, schreibt
die Zeitung: dort hielten schließlich die Einwanderer aus Südamerika die katholische
Kirche zunehmend am Leben; sie seien in der Staatengemeinschaft eine „kulturelle und
politische Kraft“ und hätten auch bei der Wahl Obamas zum Präsidenten eine entscheidende
Rolle gespielt, erinnert die News York Times.
Auch deutsche Zeitungen
und Internet-Portale reagieren mit positiver Überraschung und hohen Erwartungen
auf die Wahl des argentinischen Kardinals zum neuen Papst. In mehreren Artikeln fällt
mit Blick auf die Herkunft des Kardinals das Wort „Sensation“. Im Mittelpunkt steht
weiter die Namenswahl „Franziskus“, die als Zeichen für eine soziale Ausrichtung gewertet
wird. Allerdings verweisen sie auch auf das Alter und die enormen Probleme und Herausforderungen,
vor denen der neue Pontifex steht.
Die „Leipziger Volkszeitung“
verweist etwa darauf, dass „der Problemberg (…) genauso hoch“ sei „wie beim Arbeitsbeginn
des Weinbergarbeiters Benedikt“: Er ist sogar noch um die Vatileaks-Affäre oder die
sexuellen Priester-Verfehlungen gewachsen“, bemerkt die Zeitung. „Habemus papam, ja.
Aber das Warten auf das Osterlicht für eine Kirche der Zukunft geht weiter“, heißt
es abschließend.
Für die „Stuttgarter Nachrichten“ beschreitet die
katholische Kirche mit Franziskus neue Wege. Diese „weise Entscheidung“ trage dem
Umstand Rechnung, „dass die Mehrzahl der Katholiken, speziell der jüngeren katholischen
Christen, nicht mehr auf diesem Kontinent lebt“. „15 Jahre hat Bergoglio die Erzdiözese
der lateinamerikanischen Mega-Metropole Buenos Aires geführt. Einem solchen Mann ist
nichts Menschliches fremd.“
„Jorge Bergoglio ist aus römischer Kuriensicht
etwas zu liberal, aus kirchenreformatorischer Sicht etwas zu alt und aus weltlicher
Sicht stellt die Wahl eines Latinos zum Papst eine Sensation dar“, stellt die Heidelberger
„Rhein-Neckar-Zeitung“ fest und spricht dennoch von einer „mutigen Wahl“. „Einer,
der die Armut ebenso bekämpft wie die Korruption, der sich mit der argentinischen
Herrschaftsdynastie von Nestor und Christina Kirchner anlegte, einer, der Limousine
und Chauffeur gegen die U-Bahn von Buenos Aires eintauschte. Mit so einem hatte schlicht
niemand ernstlich gerechnet.“
„Jorge Mario Bergoglio ist kein Liberaler, sein
Name zeigt aber, dass die Armut seine erste Priorität ist“, schreibt die britische
Zeitung „The Times“ in ihrer Online-Ausgabe. In einem mit dem Titel „Papst Franziskus:
Es ist kein Name, sondern ein Manifest“ überschriebenen Artikel heißt es: „Während
Buchmacher und die meisten Vatikanexperten (…) die Rückkehr des Papsttums nach Italien
vorhersagten, lagen die Prioritäten tatsächlich anders: Fast jeder Kardinal wollte
jemanden mit Zähigkeit und Köpfchen, der eine Reorganisation in der dysfunktionalen
zentralen Verwaltung der Kirche anregen kann.“