Benedikt XVI. und die Kirche in Deutschland: Heimat, Ökumene und Entweltlichung
Mit Kardinal Joseph
Ratzinger wurde am 19. April 2005 zum ersten Mal seit mehr als vier Jahrhunderten
wieder ein Deutscher Papst. Eine deutsche Boulevardzeitung titelte damals „Wir sind
Papst“. Doch inwiefern ist Benedikt XVI. auch Deutschland? Welches Verhältnis hat
der zurückgetretene Papst zu seiner Heimat, und wie sieht er die deutsche Kirche?
Die erste Antwort auf die Frage, was Deutschland - und besonders Bayern – für
Benedikt XVI. bedeutet, ist wohl: Heimat. Hier, genauer gesagt am 16. April 1927 in
Marktl am Inn (Diözese Passau), erblickte Joseph Ratzinger das Licht der Welt. Seine
Kindheit und Jugend verbrachte er in Traunstein, nahe der österreichischen Grenze
– in einer Umgebung, die er selbst als „mozartianisch“ beschreibt und die ihm wie
das Paradies vorkommt: „Um die Wahrheit zu sagen: wenn ich mir vorzustellen
versuche, wie wohl das Paradies aussehen könnte, dann kommt mir immer die Zeit meiner
Jugend, meiner Kindheit, in den Sinn. In diesem Kontext des Vertrauens, der Freude
und der Liebe waren wir glücklich, und ich denke, dass es im Paradies ähnlich sein
muss wie in meiner Kinder- und Jugendzeit. In diesem Sinn hoffe ich eines Tages ‚heimzugehen’,
der ‚anderen Welt’ entgegen.“
Natürlich setzt Benedikt XVI. hier einen
Schwerpunkt auf die Geborgenheit in der Familie, andererseits spricht er aber auch
vom „heimgehen“, von der Rückkehr in die Heimat. In Deutschland erlebte Joseph
Ratzinger nicht nur glückliche Tage, sondern auch den Zweiten Weltkrieg: So wurde
der junge Joseph beispielsweise Zeuge, wie Nationalsozialisten vor der Heiligen Messe
den Pfarrer verprügelten. Seinen Glauben schwächte das nicht: Nach dem Krieg studierte
er in Bayern Theologie, promovierte später zu Augustinus „Lehre von der Kirche“ und
lehrte in Bonn, Münster und Tübingen. Am 25. März 1977 ernannte Papst Paul VI. Joseph
Ratzinger zum Erzbischof von München und Freising, am 27. Juni desselben Jahres kreierte
er ihn zum Kardinal. Johannes Paul II. beendete dann 1982 Joseph Ratzingers Zeit in
Deutschland: Als Präfekt der Glaubenskongregation und später auch als Mitglied in
weiteren Räten und Kongregationen sowie in der römischen Kurie wirkte Kardinal Ratzinger
von nun an im Vatikan. Als er 2005 auf den Stuhl Petri gewählt wurde, feierten viele
den „deutschen Papst“. Doch: wie „deutsch“ ist Benedikt XVI. nach all den Jahren
in Italien überhaupt noch? Bei seiner ersten Generalaudienz lässt er die Pilger in
„italienischer Manier“ etwas warten: „Liebe deutsche Landsleute! Zunächst einmal
muss ich vielmals um Entschuldigung bitten für meine Verspätung. Die Deutschen sind
berühmt für ihre Pünktlichkeit. Es scheint, dass ich schon sehr italianisiert bin.
[…] Jetzt aber endlich: Herzlich willkommen!“
Bayer, Deutscher und Papst
der Weltkirche Keine Angst: Sehr „italianisiert“ ist Benedikt XVI. am Ende
wohl nicht. Auf die Frage, wie deutsch er sich nach all den Jahren in Rom noch fühle,
antwortet er 2011: „Hölderlin hat gesagt: Am meisten vermag doch die Geburt.
Und das spüre ich natürlich auch. Ich bin in Deutschland geboren, und die Wurzel kann
nicht abgeschnitten werden und soll nicht abgeschnitten werden. Ich habe meine kulturelle
Formung in Deutschland empfangen. Meine Sprache ist deutsch, und die Sprache ist die
Weise, in der der Geist lebt und wirksam wird. […] Wenn ich Theologie treibe, tue
ich es aus der inneren Form heraus, die ich an den deutschen Universitäten gelernt
habe; und leider muss ich gestehen, dass ich immer noch mehr deutsche als andere Bücher
lese, so dass in meiner kulturellen Lebensgestalt dieses Deutschsein sehr stark ist.
Die Zugehörigkeit zu dieser eigenen Geschichte mit ihrer Größe und ihrer Schwere kann
und soll nicht aufgehoben werden. Aber bei einem Christen kommt schon etwas anderes
dazu. Er wird in der Taufe neugeboren, in ein neues Volk aus allen Völkern hinein,
in ein Volk, das alle Völker und Kulturen umfasst und in dem er nun wirklich ganz
zu Hause ist, ohne seine natürliche Herkunft zu verlieren.“
Benedikt XVI.
ist und bleibt also ein deutscher Papst - aber er ist als Christ auch gleichzeitig
im Glauben zu Hause. Und: als Pontifex liegt ihm selbstverständlich nicht nur sein
Heimatland am Herzen, sondern ebenso die Weltkirche. Dies macht Benedikt selbst bei
seiner apostolischen Reise nach München, Altötting und Regensburg im September 2006
noch einmal deutlich. Gegenüber den Journalisten, die ihm im Flugzeug interviewen,
erklärt er: „Irgendwie würde es sich vielleicht gehören, dass man, wenn man
nach München reist, auch einmal nach Berlin kommt, aber ich bin ja ein alter Mann.
Wie viel Zeit mir der Herr noch gibt, weiß ich nicht, und ich bin der Papst für die
ganze Weltkirche. Ich denke jetzt vor allem an Türkei, an Brasilien als die nächsten
Reisen. Wenn ich noch mal nach Deutschland kommen kann – dann eben auch in die anderen
Teile Deutschlands –, würde es mich freuen, würde ich es als ein Geschenk von Gott
betrachten.“
Als ein Geschenk Gottes betrachtet der Papst nicht nur
diese Reise nach Bayern - die er, wie er selbst sagt, mit bewegtem Herzen erlebt und
auch dazu nutzt, noch einmal einige Stätten seiner Kindheit zu besuchen sowie das
Grab seiner Eltern. Ein Geschenk Gottes sind für Benedikt XVI. all seine Deutschlandreisen.
Dies wird schon bei seiner ersten Auslandsreise deutlich. Diese führt ihn im August
2005, nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt, ausgerechnet in sein Heimatland:
Zum XX. Weltjugendtag reist Benedikt nach Köln: „Zum ersten Mal nach meiner
Wahl auf den Stuhl Petri stehe ich heute voll Freude auf dem Boden meines lieben Vaterlandes,
Deutschland. Ich kann nur wiederholen, was ich in einem Interview mit Radio Vatikan
gesagt habe: Ich sehe es als eine liebevolle Geste der Vorsehung an, dass sie es eingerichtet
hat – ich hatte es nicht gewollt –, dass sie es eingerichtet hat, dass mein erster
Besuch außerhalb Italiens in meinem Vaterland stattfindet.“
Ökumene
– Treffen mit Protestanten Deutschland bedeutet für Benedikt XVI. jedoch nicht
nur Heimat, er kennt und sieht auch die spezifischen Probleme des Landes – und die
Besonderheiten der Kirche in seinem Vaterland. Die Spaltung der Christen in Protestanten
und Katholiken gehört zweifelsfrei dazu. Dies wird unter anderem bei seiner dritten
(und letzten) Reise in die Bundesrepublik im September 2011 deutlich. Benedikt besucht
die Erzbistümer Berlin und Freiburg - und er reist ins Bistum Erfurt, wo er sich auf
die Spuren Luthers begibt: „Als ich die Einladung zu dieser Reise angenommen
habe, war es für mich klar, dass die Ökumene mit unseren evangelischen Freunden ein
wichtiger Punkt, ein zentraler Punkt dieser Reise sein müsste. Wir leben, wie bereits
gesagt, in einer Zeit des Säkularismus, in der die Christen gemeinsam die Aufgabe
haben, die Botschaft Gottes, die Botschaft Christi gegenwärtig werden zu lassen, den
Glauben und das Voranschreiten in diesen großen Ideen und Wahrheiten zu ermöglichen.
Deshalb ist es ein grundsätzliches Element für unsere Zeit, dass Katholiken und Protestanten
sich zusammentun, selbst wenn wir institutionell noch nicht vollkommen eins sind,
selbst wenn Probleme bleiben, auch große Probleme – im Fundament des Glaubens an Christus,
an den dreifaltigen Gott und bezüglich des Menschen als Gottes Ebenbild sind wir einig.
Und dies der Welt zu zeigen und diese Einheit zu vertiefen, ist wesentlich in diesem
geschichtlichen Moment.“
Am 23. September 2011 trifft sich Papst Benedikt
XVI. im Augustinerkloster Erfurt mit Vertretern des Rats der Evangelischen Kirche
Deutschland (EKD). Es ist nicht irgendein Ort, an dem Katholiken und Protestanten
ins Gespräch kommen, im alten Augustinerkloster feierte Martin Luther seine erste
Heilige Messe. In seiner Ansprache an die EKD berichtet der Bischof von Rom deshalb
zuerst einmal, dass dies für ihn „ein tief bewegender Augenblick“ sei. Vor seiner
Reise von einigen geforderte „ökumenische Gastgeschenke“, wie etwa eine gemeinsame
Feier der Eucharistie für Christen und Protestanten hat der Papst jedoch nicht im
Gepäck. Darum gehe es auch gar nicht: „Ist dies alles vielleicht nur ein Versuch,
sich an den drängenden Problemen vorbeizureden, in denen wir auf praktische Fortschritte,
auf konkrete Ergebnisse warten? Ich antwortete darauf: Das Notwendigste für die Ökumene
ist zunächst einmal, dass wir nicht unter dem Säkularisierungsdruck die großen Gemeinsamkeiten
fast unvermerkt verlieren, die uns überhaupt zu Christen machen und die uns als Gabe
und Auftrag geblieben sind. Es war der Fehler des konfessionellen Zeitalters, dass
wir weithin nur das Trennende gesehen und gar nicht existentiell wahrgenommen haben,
was uns mit den großen Vorgaben der Heiligen Schrift und der altchristlichen Bekenntnisse
gemeinsam ist. Es ist für mich der große ökumenische Fortschritt der letzten Jahrzehnte,
dass uns diese Gemeinsamkeit bewusst geworden ist, dass wir sie im gemeinsamen Beten
und Singen, im gemeinsamen Eintreten für das christliche Ethos der Welt gegenüber,
im gemeinsamen Zeugnis für den Gott Jesu Christi in dieser Welt als unsere gemeinsame,
unverlierbare Grundlage erkennen.“
Die Gefahr, dass die Christen diese
gemeinsame Grundlage verlieren könnten, ist nach Ansicht von Benedikt real. Katholiken
wie Protestanten in Deutschland stünden jedoch vor einer weitaus brennenderen und
tiefgehenderen Frage, die da lautet: Wie lässt sich im Kontext der säkularisierten
Welt der christliche Glaube leben und bezeugen? „Muss man dem Säkularisierungsdruck
nachgeben, modern werden durch Verdünnung des Glaubens? Natürlich muss der Glaube
heute neu gedacht und vor allem neu gelebt werden, damit er Gegenwart wird. Aber nicht
Verdünnung des Glaubens hilft, sondern nur ihn ganz zu leben in unserem Heute. Dies
ist eine zentrale ökumenische Aufgabe, in der wir uns gegenseitig helfen müssen: tiefer
und lebendiger zu glauben. Nicht Taktiken retten uns, retten das Christentum, sondern
neu gedachter und neu gelebter Glaube, durch den Christus und mit ihm der lebendige
Gott in diese unsere Welt hereinritt.“
So, wie die Märtyrer der Nazizeit
Christen und Protestanten zueinander geführt haben und die erste große ökumenische
Öffnung bewirkten, so sei heute der in einer säkularisierten Welt von innen gelebte
Glaube die stärkste ökumenische Kraft. Diese müsse die Christen zueinander führen,
davon ist Benedikt XVI. überzeugt.
Entweltlichung – Die „Freiburger Konzerthausrede“ Zum
Abschluss seiner letzten Deutschlandreise hält der Papst am 25. September 2011 im
Konzerthaus Freiburg eine Rede, die einige Irritation auslöst und stark diskutiert
wird. Vor allem geht es darum, was Benedikt wohl mit „Entweltlichung“ meint, ein Begriff,
der in dieser Rede häufig fällt und in Deutungen der Rede zunächst häufig falsch verstanden
wird. Erste Interpretationen werfen zum Beispiel die Frage auf, ob Benedikt eine Aufhebung
der Kirchensteuer fordert. Nein, Benedikt geht es bei der „Entweltlichung“ um etwas
anderes - um was genau, dazu kommen wir noch. „Entweltlichung“ jedenfalls ist ein
weiteres Thema, das dem Papst in Bezug auf die Kirche in Deutschland wichtig ist.
Kardinal Walter Kasper bezeichnet die „Freiburger Konzerthausrede“ als „die wohl
bedeutendste Rede des Papstes während seines viertägigen Besuchs“ in seinem Heimatland.
Worum also geht es in dieser Rede? Zunächst spricht Benedikt aktuelle Fragen an: „Seit
Jahrzehnten erleben wir einen Rückgang der religiösen Praxis, stellen wir eine zunehmende
Distanzierung beträchtlicher Teile der Getauften vom kirchlichen Leben fest. Es kommt
die Frage auf: Muss die Kirche sich nicht ändern? Muss sie sich nicht in ihren Ämtern
und Strukturen der Gegenwart anpassen, um die suchenden und zweifelnden Menschen von
heute zu erreichen? Die selige Mutter Teresa wurde einmal gefragt, was sich ihrer
Meinung nach als erstes in der Kirche ändern müsse. Ihre Antwort war: Sie und ich!“
Zweierlei
werde darin deutlich, so Benedikt: Erstens ist Kirche nicht nur ‚die anderen’, alle
Getauften gehören dazu, jeder ist angesprochen. Und zweitens: Es gibt tatsächlich
Änderungsbedarf. Das grundlegende Motiv dazu sieht Benedikt XVI. in der Sendung der
Kirche, der sie sich immer wieder neu vergewissern müsse. Und hier kommt nun die „Entweltlichung“
ins Spiel: „Durch die Ansprüche und Sachzwänge der Welt aber wird dies Zeugnis
immer wieder verdunkelt, werden die Beziehungen entfremdet und wird die Botschaft
relativiert. Wenn nun die Kirche, wie Papst Paul VI. sagt, ‚danach trachtet, sich
selbst nach dem Typus, den Christus ihr vor Augen stellt, zu bilden, dann wird sie
sich von der menschlichen Umgebung tief unterscheiden, in der sie doch lebt oder der
sie sich nähert’. Um ihre Sendung zu verwirklichen, wird sie auch immer wieder Distanz
zu ihrer Umgebung nehmen müssen, sich gewissermaßen ‚ent-weltlichen’“.
Kardinal
Walter Kasper erklärt in seinem Text „Kirche – in der Welt, nicht von der Welt“, wie
der Begriff der „Entweltlichung“, der aus der Theologie Rudolf Bultmanns stammt, in
der Konzerthausrede zu verstehen ist: „Was er, (Benedikt, A. d. R.), sagen wollte,
wird klar, wenn man sieht, dass er sich auf das Johannesevangelium bezog, wonach die
Kirche in der Welt lebt und in der Welt
ihre Sendung hat und dennoch nicht von der Welt ist (Joh. 17,11.14)
und sich deshalb nicht an Maßstäben orientieren kann, die in der Welt, so wie diese
ist, normalerweise gelten. In diesem Sinn soll die Kirche nicht weltlich sein, d.h.
sie soll keine verweltlichte Institution sein. Sie soll ihre Hoffnung nicht auf weltlichen
Einfluss setzen und nicht mit weltlichen Interessen verflochten sein.“
Dieser
Gedanke ist übrigens nicht neu: Benedikt bezieht zieht sich hier auf das Johannesevangelium
und auf das Konzil. Die Aussagen Benedikts zur „Entweltlichung“ rein auf die Kirchensteuer
zu reduzieren, wäre jedenfalls zu kurz gedacht, so Kardinal Kasper. Benedikt XVI.
gehe es in der Konzerthausrede um mehr: „Er wollte wachrütteln und die Ortskirche
in Deutschland ermahnen, im Licht des Evangeliums und ihrer geistlichen Sendung über
die konkrete Gestalt der Kirche in diesem Land kritisch und kreativ nachzudenken und
sich zu fragen, wo sie Strukturen verschleppt, die inzwischen dysfunktional und zum
Ballast für ihre geistliche Sendung geworden sind, ja diese verdunkeln, erdrücken
und zu ersticken drohen.“
Auch Benedikt selbst macht am Ende seiner Konzerthausrede
noch einmal deutlich, was er mit „Entweltlichung“ meint: „Um so mehr ist es
wieder an der Zeit, die wahre Entweltlichung zu finden, die Weltlichkeit der Kirche
beherzt abzulegen. Das heißt natürlich nicht, sich aus der Welt zurückzuziehen, sondern
das Gegenteil. Eine vom Weltlichen entlastete Kirche vermag gerade auch im sozial-karitativen
Bereich den Menschen, den Leidenden wie ihren Helfern, die besondere Lebenskraft des
christlichen Glaubens zu vermitteln.“
Letztlich spricht Benedikt XVI. so
in der Konzerthausrede schon an, was im Oktober 2012 ein zentrales Thema der Bischofssynode
in Rom ist: Die Neuevangelisierung. Wie wichtig ihm dieses Thema, nicht nur im Zusammenhang
mit der Kirche in Deutschland ist, wird ebenfalls bei dem von ihm ausgerufenen „Jahr
des Glaubens“ deutlich.
Benedikt XVI. und der „Weltbild-Skandal“ Bei
den Reisen in sein Vaterland spricht Benedikt XVI. jedoch nicht nur kritische Punkte
an, sowohl 2006 als auch 2011 lobt er beispielsweise ausführlich alle, die ehrenamtlich
in der Kirche tätig sind und denen er herzlich für ihre Arbeit dankt. Der deutsche
Papst ist gut darüber informiert, was sich in seiner Heimat abspielt - im positiven
wie im negativen Sinne. Natürlich weiß er um die Fälle sexuellen Missbrauchs auch
in der deutschen Kirche, und bei seiner Deutschlandreise 2011 trifft er sich auch
mit Opfern. Dass es auch innerhalb der Kirche Übel gibt, ist ihm nicht neu. Ein weiterer
Schatten, der über der deutschen Kirche liegt, fällt 2011 bis nach Rom: Damals
vertreibt der katholische Weltbild-Verlag im Internet auch Erotik-Literatur. So lassen
sich beispielsweise Bücher mit Titeln wie „Schlampeninternat“ bestellen. In Deutschland
entbrennt ein Streit: Darf ein katholischer Verlag solche Literatur vertreiben? Benedikt
XVI. hat auch aus Rom eine klare Meinung dazu: Nein. Deutlich wird dies in seiner
Rede an den neuen Botschafter der Bundesrepublik Deutschland am Heiligen Stuhl, Reinhard
Schweppe, vom 7. November 2011: „Hier ist es an der Zeit, Prostitution wie auch
die weite Verbreitung von Material erotischen oder pornographischen Inhalts, gerade
auch über das Internet, energisch einzuschränken. Der Heilige Stuhl wird darauf achten,
dass der notwendige Einsatz gegenüber diesen Missständen seitens der katholischen
Kirche in Deutschland vielfach entschiedener und deutlicher erfolgt.“
Doch
nicht nur auf den Weltbild-Verlag geht Benedikt in dieser Rede ein, er äußert sich
auch zu weiteren aktuellen Themen in Deutschland, zum Beispiel zur Diskussion um die
Präimplantationsdiagnostik „PID“: „Wenn der Heilige Stuhl in Grundfragen der
Menschenwürde, wie sie sich heute in vielen Bereichen der pränatalen Existenz des
Menschen stellen, in den Bereich der Gesetzgebung hineinspricht, so tut er es nicht,
um den Glauben indirekt anderen aufzuzwingen, sondern um Werte zu verteidigen, die
als Wahrheiten des Menschseins grundsätzlich für alle einsichtig sind, auch wenn Interessen
verschiedener Art diese Einsichtigkeit vielfach zu verdunkeln suchen.“
Über
das, was in seiner Heimat abläuft, ist der deutsche Papst also stets gut informiert,
und wenn er es für nötig hält, äußert er sich selbstverständlich auch unabhängig von
Deutschlandreisen. Nun hat Benedikt XVI. am 28. Februar 2013 freiwillig den Stuhl
Petri verlassen, er ist nach fast acht Jahren vom Amt des Papstes zurückgetreten.
Das nach ihm wiederum ein Deutscher Papst wird, scheint unwahrscheinlich. Verliert
Deutschland deshalb nun eine wichtige Stimme in Rom? Der Vorsitzende der Deutschen
Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hält diese Befürchtung für unbegründet: „Wir
haben Leute im Vatikan, die wir gut kennen. Und ich werde auch weiter das Gespräch
mit dem Vatikan suchen. Ich war ja auch jedes Mal, wenn ich in Rom war, mit den Präfekten
der Kongregationen im Gespräch... Und das werden wir weiter suchen, denn die Kirche
in Deutschland ist sicher auch eine Kirche, die Gewicht hat in Rom. Auch wenn wir
nicht so tun sollten, als seien wir gerade der ,Nabel der Welt‘, denn die katholische
Kirche ist ja eine weltweite Kirche. Ich habe gerade bei der Bischofssynode im Oktober
gespürt, dass die zentralen Fragen die Kirche weltweit beschäftigen und nicht allein
die Kirche in Deutschland. Auch wenn manche Fragen in Mitteleuropa vielleicht schneller
gestellt sind als in anderen Ländern.“ Keine Sorge also, auch ohne deutschen
Papst wird Deutschland im Vatikan nicht aus dem Fokus geraten. Und: Auch Benedikt
XVI. muss nach seinem Rücktritt nicht fürchten, dass er in seiner Heimat nun etwa
in Vergessenheit geraten könnte. Zwei Pilgerinnen bringen dies am Rand seines letzten
öffentlichen Auftrittes, am 28. Februar 2013 in Castel Gandolfo, treffend auf den
Punkt: „Er ist trotzdem da jetzt, weiterhin da für die Kirche. Er ist der erste
Beter für die Kirche. Er steht vor Gott an erster Stelle für uns ein, für die ganze
Weltkirche, für den neuen Papst, für uns alle. Und das ist ein unheimliches Geschenk
auch vom Himmel für uns jetzt. – Er bleibt immer unser Papst, egal, wer Nachfolger
wird: er bleibt immer unser bayerischer, deutscher Papst.“
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