In Dutzenden der Titelkirchen haben Kardinäle an dem letzten Sonntag vor Konklave-Beginn
Gottesdienste gefeiert. Neben Pfarreiangehörigen konnten sich auch Journalisten und
Kamerateams aus aller Welt ein Bild von den möglichen Papstkandidaten machen. Im Tagesevangelium
ging es an diesem Sonntag um den verlorenen Sohn und den barmherzigen Vater. Hier
ein paar Eindrücke, zusammengestellt mit Material der italienischen Nachrichtenagentur
Ansa und der Katholischen Nachrichten-Agentur.
Den Reigen eröffnete morgens
um neun der bei Medien und Buchmachern als Favorit gehandelte Mailänder Kardinal Angelo
Scola. In der Kirche „Santi Apostoli“ betete er zunächst lange vor dem Madonnenbildnis
im linken Seitenschiff, bevor er in die Sakristei ging. In seiner Predigt erwähnte
er gleich zu Beginn das Zweite Vatikanische Konzil, später ein Zitat aus den Werken
des zurückgetretenen Papstes sowie ein Bekenntnis zur Freiheit der Person als Grundlage
des christlichen Menschenbildes. Dass die Kirche den Menschen, wenn er seine Sünden
bereut und zu Gott zurückkehrt, wieder mit offenen Armen empfangen sollte, verstand
sich auch bei Scola von selbst. Die unter den vielen geschiedenen Katholiken in Mailand
und Rom drängende Frage nach dem Umgang mit Menschen, die in einer zweiten Ehe leben,
klammerte er komplett aus.
„Gott hat schon entschieden, wer der neue Papst
sein soll, und wir müssen es herausfinden“, glaubt der Erzbischof von Abuja, Kardinal
John Olorunfemi Onaiyekan. Erste Aufgabe der Kirche sei die Verkündigung des
Friedens, der Vergebung und der Barmherzigkeit, predigte der Kardinal aus Nigeria
am Sonntag in der römischen Kirche „San Saturnino“. Während der Generalkongregationen
sei man die Probleme der Kirche angegangen, so Onaiyekan: „Aber die Kirche ist nicht
nur das, die Kirche existiert, um Christus zu bringen, und das muss ich tun, der ich
Kardinal und damit Kirche bin. Es muss jeder von uns tun, beten wir, beten wir, beten
wir!“ Benedikt XVI. hatte den nigerianischen Geistlichen im vergangenen November zum
Kardinal erhoben; die offizielle Inbesitznahme seiner Titelkirche durch Onaiyekan
steht noch aus. Der Schritt sei für April geplant, gab der Kardinal in seiner Predigt
an.
Weit vom römischen Stadtzentrum entfernt prägt der Münchener Kardinal Reinhard
Marx eine griffige Formel für die Papstwahl: „Das ganze Volk Gottes betet, die
Kardinäle wählen und Gott entscheidet“. Es gehe um eine richtungsweisende Entscheidung
in schwierigen Zeiten, sagt Marx in seiner Predigt. In seine Titelkirche „San Corbiniano“
im römischen Vorort Infernetto waren viele junge Familien gekommen, aber kaum Journalisten
- als Favorit der Papstwahl gilt Marx unter letzteren nicht.