Was für einen neuen
Papst braucht die Kirche? Über dieser Frage brüten und beten die voraussichtlich 115
Kardinäle, die bald zum Konklave zusammentreten werden, in diesen Tagen des Vorkonklave.
Kardinal Jean-Pierre Ricard ist Erzbischof von Bordeaux und wird zum ersten Mal zu
einer Papstwahl in die Sixtinische Kapelle einziehen. Er sagte uns in einem Interview
über den künftigen Papst:
„Wir brauchen heute einen Mann Gottes, einen,
der uns zu Christus hinzieht. Gleichzeitig muss dieser Papst auch ein guter Theologe
sein, denn das Papstamt hat eine ausgesprochen lehrhafte Dimension. Er darf allerdings
auch nicht nur ein Intellektueller sein: Wir brauchen einen Mann, der Beziehungen
zu pflegen versteht, der Dialog mit verschiedenen Kulturen führen kann, mit der Moderne
und mit den anderen Religionen. Er muss ein Hirte sein! Und er sollte schon ein Gespür
haben für die jeweils unterschiedliche Lage der Kirche in verschiedenen Ländern.“
Kardinal
Thomas Christopher Collins von Toronto in Kanada findet es schwierig, sich für einen
Papst-Kandidaten zu entscheiden. Da müsse vieles überlegt werden, und da brauche es
das Gebet der Christen in aller Welt, so Collins bei einem Besuch im Radio Vatikan.
„Die
Leute machen sich das nicht klar: In dem ganzen Auswahlprozess steckt viel Menschliches
drin, da ist Diskussion wirklich nötig, und es gehört ja auch zu den Regeln des Konklaves,
dass man Zeit haben muss zum Debattieren und Nachdenken. Aber gleichzeitig ist das
auch ein göttlicher Prozess! Wir rufen die Führung des Heiligen Geistes an, wenn wir
diese Wahl treffen. Diese zwei Dimensionen gehören zusammen wie Glaube und Vernunft,
die Gnade baut auf Natur auf. Die Leute vergessen das manchmal und tun so, als wären
wir Kardinäle Konkurrenten, als ginge es um einen politischen Wettstreit. Das ist
zwar verständlich, aber es geht am Entscheidenden vorbei.“
Kardinal Collins
hofft, dass bei den Generalkongregationen in diesen Tagen Zeit genug bleibt, damit
sich die Kardinäle untereinander kennenlernen.
„Die Kurienkardinäle treffen
sich ja die ganze Zeit und sind auch in den Themen drin. Aber Kardinäle wie ich, die
Bistümer leiten – und das ist die Mehrheit der wahlberechtigten Kardinäle! – sind
nicht so oft in Rom. Und darum sind diese Tage vor dem Konklave eine ausgesprochen
wichtige Gelegenheit für alle Kardinäle, über Themen miteinander zu reden, sich kennenzulernen
und dadurch besser vorbereitet zu sein, wenn die Wahlberechtigten unter uns ins Konklave
einziehen.“