Österreich: „Flüchtlinge traten erstmals selbst für ihre Rechte ein“
Flüchtlinge aus der
Votivkirche haben sich an diesem Montag bei einer Pressekonferenz bei Kardinal Schönborn,
der Caritas und der Votivkirche für die Unterstützung in den vergangenen Wochen bedankt.
Die mittlerweile ins ehemalige Servitenkloster übergesiedelten Asylbewerber reagierten
mit Applaus, als der Wiener Bischofsvikar Dariusz Schutzki eine schriftliche Stellungnahme
Kardinal Schönborns, der sich derzeit in Rom aufhält, verlas. Caritas-Generalsekretär
Klaus Schwertner wies bei der Pressekonferenz auf das Neue des Falles hin:
„Es
ist erstmals in Österreich, und das ist wirklich etwas besonderes, das Flüchtlinge
selbst für ihre Anliegen, für Menschenrechte und mehr Menschlichkeit eintreten. Das
ist neu und wird so wie vieles in Österreich, was neu ist, zuallererst etwas skeptisch
wahrgenommen. Aber auch andere Interessensgemeinschaften, wie Gewerkschaften oder
die Industriellenvereinigung, treten für die Interessen ihrer Mitglieder ein – und
zum Teil mit unrealistischen Forderungen. Da wird das nicht belächelt. Bei Schutz
suchenden Menschen in Not wünschen wir uns, dass es in einigen Jahren hoffentlich
genauso normal ist, dass diese Menschen für ihre Sachen eintreten.“
Die
Flüchtlinge seien in den elf Wochen, in denen die Caritas ihre Betreuung mit übernommen
habe, „zu Freunden geworden“, so Schwertner. Er dankte ihnen dafür, mit dem Quartierwechsel
einen „großen und friedlichen Schritt" gesetzt und ihre Angst überwunden zu haben.
Dank
zollte der Caritas-Generalsekretär auch den vielen Unterstützern, die in den letzten
Wochen „oft leise, aber sehr konkret“ geholfen hätten. Ihre Solidarität stehe meist
weniger im Licht der Öffentlichkeit als die Stimmen jener, „die kritisieren und hetzen“.
Der Eindruck, dass diese ablehnenden Meinungen überwiegen, sei jedoch falsch, betonte
Schwertner. In Österreich gebe es eine lange humanitäre Tradition.
Zuletzt
wiederholte Schwertner Forderungen, die das Asylwesen in Österreich, in dem „weder
alles gut noch alles schlecht ist“, verbessern sollen. Die Flüchtlinge bräuchten rasche,
faire Verfahren, Zugang zum Arbeitsmarkt nach sechs Monaten, Mindeststandards bei
der Grundversorgung und Bildungsangebote. Zudem sei beim Thema Asyl „mehr und nicht
weniger Europa“ vonnöten.
Hintergrund: Quartier bis Sommer zugesagt
Die
63 in der Votivkirche aufgelisteten Flüchtlinge erhalten vorläufig bis Sommer Quartier
im früheren Servitenkloster. Vorausgegangen war ein von den Flüchtlingen unterzeichnetes
Formular des Innenministeriums, mit dem sie ihrer Pflicht zur polizeilichen Meldung
und zur Mitwirkung am Asylverfahren nachkamen. Laut Schwertner fallen damit die Gründe
weg, die Betreffenden in Schubhaft zu nehmen. Die Caritas hoffe auch, dass der kurz
vor der Übersiedlung in Abschiebehaft genommene Flüchtlingssprecher Shajahan Khan
wieder freikommt; eine Beschwerde gegen den Haftbescheid sei im Laufen.
Er
gehe davon aus, dass die vom Innenministerium zugesagte Einzelprüfung aller Fälle
mit der bekundeten Mitwirkung der Flüchtlinge beginnen könne, so Schwertner weiter.
Dies sei bei einem vorweihnachtlichen Runden Tisch zugesagt worden. Lob zollte der
Caritas-Vertreter der Stadt Wien und dem Innenministerium dafür, der Versuchung widerstanden
zu haben, „auf dem Rücken der Flüchtlinge politisches Kleingeld zu machen“.