Der Journalist, Publizist
und Filmemacher Guido Knopp ist vor allem den Fernseh-Zuschauern ein Begriff. Keiner
hat sich so gründlich und so lange wie er der Aufarbeitung historischer Themen im
TV-Bereich und mit Publikationen gewidmet. Er war Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung, Auslandschef bei der Welt am Sonntag und schließlich über dreißig Jahre lang
Chefhistoriker beim Zweiten Deutschen Fernsehen. Ausgestattet mit zahllosen nationalen
und internationalen Anerkennungen, stand Guido Knopp aber auch im Kreuzfeuer seiner
Kritiker. Professor Dr. Guido Knopp ist in diesen Tagen in den Ruhestand getreten.
Nichts
ist so spannend wie Geschichte. Sie haben durch Ihre bekannten und erfolgreichen
Sendereihen im Fernsehen und durch Ihre Publikationen die Historie zu Ihrem Markenzeichen
gemacht. Wie sehen Sie Ihr Lebenswerk in der Rückschau?
„In der Rückschau sehe
ich mein Lebenswerk so, dass ich versucht habe, Millionen Menschen in Deutschland
Verständnis für Geschichte beizubringen, ihnen zu vermitteln, dass Geschichte ihr
Leben auch bestimmt, allein durch die Tatsache, dass man sich als Deutscher dem Ausland
gegenüber ja erklären muss, wie man zu den zwölf düstersten Jahren der Nazizeit steht.
Aber dass es auch nicht nur das gegeben hat, sondern auch kulturell viele Jahrhunderte
davor und die glücklichste Zeit der deutschen Geschichte danach.“
Woher
kommt eigentlich Ihr großes Interesse an der Geschichte? Hat Sie dieses Wissenschafts-Gebiet
immer schon angezogen oder sind Sie durch Ihre journalistische Laufbahn auf dieses
Genre gestoßen?
„Es war eigentlich vor allem einerseits meine Familiengeschichte,
meine Großeltern väterlicherseits stammen aus Oberschlesien, da hat die Erinnerung
an Flucht und Vertreibung sehr viel in der Familienerzählung ausgemacht und ich hatte
einen tollen Geschichtslehrer, der schon Mitte der 60ger Jahre es verstanden hat,
was andere auch verstehen hätten können, es aber nicht getan haben: dass er den Unterricht
in Geschichte mit den Medien der damaligen Zeit würzte. Und das waren Tonbänder, vor
allem Schallplatten und nicht zuletzt Filme, die man ausleihen konnte. Und diese wirklich
authentische und prägnante Geschichtsdarstellung hat mein eh schon vorhandenes Interesse
soweit beflügelt, dass ich dann beschlossen habe: also das studiere ich.”
Was
Sie an öffentlicher Aufmerksamkeit im Fernsehen erzielt haben, das schaffen nur wenige.
Sie haben ungefähr alle Anerkennungen, die es auf dem Gebiet der Medienwelt gibt,
erhalten. Wer viel Lob erntet, muss auch mit Kritik rechnen. Wie gehen Sie mit den
Kritikern um, die Ihnen etwa eine zu große Populärwissenschaftlichkeit vorwerfen?
Spielen da vielleicht auch das Quotengesetz oder gar Neid eine Rolle?
„Also
von allem etwas. denke ich. Es ist ja wichtig, wenn man wie ich den Auftrag hat für
Menschen Geschichte zu vermitteln, die normalerweise keinen Zugang haben, für Millionen
Menschen, die am Abend nach Hause kommen und dann Fernsehen schauen, dass sie das,
was sie geboten bekommen, mit populären Mitteln geboten bekommen. Das heißt ja nicht,
dass es falsch ist, das Schwierige ist ja, das Schwere leicht darzustellen. Und das
versuchen wir. Was die gelegentliche Kritik betrifft, da habe ich einen Schlüsselsatz
dazu und der lautet ganz einfach: dass man auch mit Neid rechnen muss.”
Weltbekannt Ihre
Filme wurden und werden ja weltweit gezeigt – wurden Sie vor allem durch die Hitler-Reihe
und durch History. Aber das ist nur ein Bruchteil Ihres Œvres. Sie haben insgesamt
für über 2.000 Sendungen verantwortlich gezeichnet. Darunter auch für die Sendereihe:
„Die Macht der Päpste“. Eine Sendereihe, die umfassend das Leben und Schaffen der
Päpste des 20. Jahrhunderts beleuchtet. Spätestens hier sollten wir über den Rücktritt
Papst Benedikt XVI. sprechen. Papst Benedikt war ja in dieser Reihe noch nicht miteinbezogen.
Wie sehen Sie in Ihrem historischen Verständnis den sensationellen Rücktritt des deutschen
Papstes?
„Ich persönlich war überrascht, dass er zurückgetreten ist, ich
glaube wie weitaus die meisten Menschen. Es hat, so denke ich meinem Amtsverständnis
eines Papstes, nicht gerade entsprochen, dass ein Papst zurücktritt. Denn wir wissen
ja, dass es in der Kirchengeschichte letzten Endes nur einmal vorkam. Ich erinnere
mich an seinen Vorgänger, Johannes Paul II. – ich war selbst auf dem Petersplatz 2005
mit meiner Familie und habe die Ostermesse gehört. Ich habe gesehen, dass plötzlich
am berühmten Fenster da oben im Vatikanpalast, Johannes Paul II. auftauchte, und mit
ersterbender Stimme dem Menschen etwas vermitteln wollte, was er natürlich nicht mehr
konnte. Und das ist ein Verhalten, wie Christus am Kreuz, für die Kirche bis zum letzten
Atemzug seine Pflicht getan zu haben, das entspricht eigentlich meinem Papstverständnis.
Aber, man darf den Entschluss von Benedikt nicht verurteilen. Er war ein bedeutender,
großer Theologe und man muss allen Respekt haben für diesen Schritt.”
Sehen
Sie rein gefühlsmäßig denn nicht auch eine Erneuerung in dieser Geste des Papstes?
„Diese
Erneuerung besteht ja nach meinem Verständnis immer wenn ein neuer Papst gewählt wird.
Da ist das Wort Erneuerung ja in aller Munde. Es war ja auch in aller Munde, als Johannes
XXIII. gewählt wurde, als es zum II. Vatikanischen Konzil kam. Es war in aller Munde,
als vor allem dann Johannes Paul II; gewählt wurde und es wird jetzt wieder in aller
Munde sein, wenn das Kardinalskollegium zusammentritt. Das Papsttum wird ein Stück
weit menschlicher, so ist es, aber, es ist ein bisschen seiner mythischen Kraft beraubt.”
Kommen
wir zu Ihrer Reihe: ‚Die Macht der Päpste’ zurück: Von Papst Pius XII. vermittelt
die Serie ein Bild seines inneren Ringens um das richtige Verhalten gegenüber dem
Nationalsozialismus…..
„Ja, das ist richtig; er war ein Papst in schwieriger
Zeit, er hat mit sich gerungen und er konnte eigentlich gar nicht anders handeln.
Selbst ein flammender Protest des Papstes gegen dem Holocaust hätte keinen Zug nach
Auschwitz verhindert. Insofern war das, was er getan hat und wie er es getan hat,
menschlich und politisch in hohem Maße nachvollziehbar.”
Bei Johannes XXIII.
Geht es auch um die Frage, warum sich der Seligsprechungsprozess so lange hinzieht…..
„Ja,
aber ich denke, das sind Vorwürfe mit dem jeder rechnen muss, der einmal im Widerspruch
der Meinungen steht. Für mich war er ein ganz großer Papst. Er war der menschlichste
Papst in diesem 20. Jahrhundert. Er war der Paps des Volkes. Ich erinnere mich noch
an seine Rede, die er gehalten hat, da war er schon krebskrank, oben von dem berühmten
Fenster im Vatikanpalast, im Umfeld der Kuba-Krise: ‘Schaut auf den Mond, schaut auf
die Sterne, wenn ihr nach Hause kommt, umarmt eure Kinder, seid lieb und gut zu ihnen!
Also das war eine wirkliche Botschaft der Liebe, wie sie so unverstellt und authentisch
selten gehört wurde.”
Der Film über Paul VI. dreht sich nicht nur um die
Verhütungsproblematik, sondern auch um die Reformen dieses Papstes. Aber nach der
jüngsten Freigabe der ‘Pille danach’ seitens der deutschen Bischofskonferenz eine
aktuelle Frage….
„Ja, Sie haben recht, er war natürlich Papst in einer
Zeit, als die Frage überhaupt erstmals hochkam. Und ich erinnere mich an ein Gespräch
mit dem Wiener Kardinal König, der nach einem Treffen mit Paul VI. berichtete, der
Papst habe gesagt: ja, die Frauen können ja diese Pille nehmen zur Regulierung ihres
Zyklus’. Also er war ja nicht dagegen, dass sie die Pille genommen haben, er war nur
dagegen, dass sie aus bestimmten Gründen genommen wurde. Insofern war das etwas, was
wir in unserer Serie damals in den 90ger Jahren erstmals publizieren konnten, was
aber in den 60ger Jahren nicht bekannt gewesen war. Wenn es bekannt gewesen wäre,
hätte es sicher großen Einfluss vermittelt.”
In der Reihe ‚Die Macht der
Päpste’ wird bewiesen, dass Papst Johannes Paul I.,Luciani, nach 33Tagen Amtszeit
nicht ermordet wurde, sondern an einem Herzinfarkt starb.
„Ja, er starb
gleichsam, wenn man so will, an einem gebrochenen Herzen. Es war ein Herzinfarkt,
er war schon herzkrank. Wir haben die Protokolle, die Unterlagen seiner Ärzte in Venedig
einsehen können. Aber er war in diesen wenigen Tagen, als er Papst war, im Vatikan
auch sehr einsam. Er fand keine Bande, er war ein sehr, sehr milder und auch humaner
Papst. Aber er hatte nicht die Härte und die Kraft, die man braucht, um ein solches
Amt auszuüben. Also insofern ist die Formulierung ‘er starb an gebrochenem Herzen’
für mich immer noch gültig.”
Auch das Attentat auf Johannes Paul II. erschien
durch Ihre Serie ‘Die Macht der Päpste’ in einem neuen Licht: der Mordbefehl sei aus
Moskau gekommen, Hauptthema war sein Beitrag zum Umbruch in Polen und im Gefolge des
ganzen Ostens.
„Also wir hatten ja Indizien und Belege dafür, dass der
Mordbefehl von Andropov kam und über dem bulgarischen Geheimdienst weiter geleitet
wurde und dann an den Attentäter. Aber es mag sein, dass es heute zusätzliche Gesichtspunkte
gibt, die ich jetzt nicht so im Einzelnen berichten kann. Was für die damalige Zeit
wichtig war, das die Mächtigen im Kreml vor Gorbatschow genau gespürt haben, dass
dieser Papst das politische Leben in Europa revolutionieren würde, dass Polen der
Fokus gewesen war, der die anderen Länder in Osteuropa nicht unbeeindruckt lassen
würde. Und so kam es auch. Das Wirken des Papstes war letzten Endes der erste Anstoß
dafür, dass Solidarnosc in Polen unterstützt wurde und weiterleben konnte und dass
letzten Endes die Grenzen in Europa fielen und Europa wieder ein vereinter Kontinent
geworden ist.”
Sie sind Deutschland bekanntester Historiker. Am 3. Februar
dieses Jahres sind Sie in den Ruhestand getreten. Das Wort Ruhestand steht bei mir
hier unter Anführungszeichen. Man wird von Ihnen vermutlich noch Einiges erwarten
können.
„Das ist richtig, ich habe jetzt die Möglichkeit, dass ich das,
was ich gerne tue, nämlich Geschichtsvermittlung im Fernsehen, Filmemachen, Moderieren,
Bücher schreiben, Vorträge halten, machen kann ohne dass ich den bürokratischen Aufwand,
den ich betreiben musste, als Leiter einer großen Redaktion eines großen Programmbereichs
mit 50 Personen im ZDF, dass ich den bürokratischen Aufwand jetzt beiseite schieben
kann, den habe ich nicht mehr, ich kann das tun, was ich will. Das ist eine große
Freiheit, eine große Gnade und – so hoffe ich – auch ein großes Glück.”
Vielen
Dank, Herr Professor Knopp für dieses Gespräch.
„Ich wünsche allen Hörerinnen
und Hörern von Radio Vatikan in den nächsten Jahren, Gesundheit und seelische Stabilität,
und ich hoffe für uns alle – ich sage das als Protestant – dass der neue Papst, der
in diesen Tagen im März 2013 gewählt werden wird, ein Papst ist, der uns alle anspricht,
ein Papst, der unser Gerz anspricht, unsere Seele und unseren Verstand.”
Wir
danken für die guten Wünsche und geben Sie postwendend an Sie weiter.