Libyen: Mehr als 100 ägyptische Christen verhaftet
Die Behörden haben in den letzten Wochen mehr als hundert Christen verhaftet. Die
meisten von ihnen sind ägyptische Staatsbürger. Ihnen wird Proselytismus vorgeworfen,
also der Versuch der „Abwerbung“ von muslimischen Gläubigen. Das berichtet die Stiftung
Pro Oriente an diesem Sonntag. Die letzte Verhaftungswelle sei am letzten Mittwoch
erfolgt. Nach Angaben der Stiftung hat ein republikanisches Mitglied im US-Repräsentantenhaus
in der Angelegenheit an den US-Außenminister John Kerry geschrieben. Der neue Minister
solle sich für eine Freilassung der Christen in Libyen einsetzen. Begonnen hatte die
Verhaftungswelle am 4. Februar. Damals waren vier Christen in Bengasi verhaftet worden
- ein schwedischer, ein ägyptischer, ein südafrikanischer und ein südkoreanischer
Staatsbürger. Ein Polizeisprecher sagte, die Verhafteten hätten Bücher publiziert,
in denen „zum Übertritt zum Christentum aufgefordert“ werde.
Das Regime in
Libyen hat ein Gesetz aus der Gaddafi-Ära beibehalten, wonach „Proselytismus“ ein
Verbrechen ist und sogar mit der Todesstrafe geahndet werden kann. Verhaftungen der
Christen gehen auf das Konto der sogenannten „Abteilung für vorbeugende Sicherheit“.
Diese staatspolizeiliche Abteilung wurde von verschiedenen Rebellen-Einheiten im Jahr
2011 begründet und soll islamistisch ausgerichtet sein. Schon vor der Verhaftungswelle
gegen Christen war es in Libyen zu antichristlichen Attacken gekommen. So hatten Islamisten
im Vorjahr zunächst einen Anschlag auf die orthodoxe Pfarrkirche in Tripoli verübt.
Dann waren Gräber von britischen, australischen und indischen Soldaten in Bengasi
geschändet worden. Ende Dezember des Vorjahrs wurden zwei ägyptische Christen bei
einem Attentat auf eine koptisch-orthodoxe Kirche im Bezirk Misurata getötet, zwei
weitere wurden verletzt. Damals hatte der ägyptische Außenminister Kamel Amr von den
libyschen Behörden noch eine minutiöse Untersuchung gefordert, während das Ministerium
nach der jetzigen Verhaftung von mehr als hundert koptischen Christen stumm blieb.
Zu Jahresbeginn wurde auch die katholische Kirche in Libyen betroffen, vor
allem in der Cyrenaika. Nach Drohungen von Seiten islamistischer Aktivisten entschlossen
sich die Schwestern der „Kongregation von der Heiligen Familie“ in Derna und die „Franziskanerinnen
vom Kind Jesus“ in Barce, ihre Häuser aufzugeben, in denen sie hundert Jahre tätig
gewesen waren. In Libyen war die katholische Präsenz nach der Ablösung der osmanischen
durch die italienische Herrschaft 1911 stark und wurde ab der Unabhängigkeit 1951
auch von dem aus der an sich islamisch-fundamentalistischen Senussi-Bruderschaft kommenden
Königshaus unterstützt. Nach der Machtergreifung Gaddadis 1969 wurden die meisten
italienischen Katholiken vertrieben. Im Zuge des wirtschaftlichen Aufbaus des Landes
kamen in der Folge aber viele katholische und orthodoxe Christen aus aller Welt nach
Libyen.