Der maronitische Patriarch
Béchara Boutros Raї hat in Moskau Gespräche geführt. Dabei ging es um die Lage der
Christen im Nahen Osten und um den Bürgerkrieg in Syrien. Raї ist Kardinal; er leitet
die größte christliche Kirche des Libanon. Erst kürzlich hat er auch die syrische
Hauptstadt Damaskus besucht. Über seine Unterredung mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen
Kyrill I. in Moskau sagte uns Kardinal Raї:
„Wir haben darüber gesprochen,
dass eine Präsenz der Christen im Nahen Osten große Bedeutung hat. Sie leben dort
seit den Zeiten Jesu, also sechshundert Jahre vor dem Islam! Die Christen sind keine
Ausländer, sie haben der Kultur ihrer Länder den Stempel des Evangeliums und der christlichen
Kultur aufgedrückt. Wer in den Nahen Osten kommt, stellt schnell fest, wie sehr die
christliche Kultur das soziale, kulturelle, politische und wirtschaftliche Leben dieser
Regionen durchwirkt. Sogar die kulturelle und soziale Renaissance im Nahen Osten verdankt
sich den Christen.“
Kyrill und er seien sich darin einig gewesen, dass
Christen „vollgültige Staatsbürger“ in den Ländern des Nahen Ostens seien und eine
„große Mission für die Welt“ haben.
„Denn die Christen machen den Islam
mit der Realität des Christentums bekannt, eines offenen Christentums, das die menschliche
Person, die Menschenrechte und die Grundfreiheiten respektiert. Im Zusammenleben mit
den Muslimen übermitteln wir dieses Bild des Christentums. Und von unserer Erfahrung
des Zusammenlebens ausgehend machen wir auch den Westen mit der Realität des Islams
bekannt.“
Einen Zusammenstoss der Kulturen vermag Kardinal Raї im Nahen
Osten derzeit nicht zu erkennen.
„Natürlich gibt es politische und wirtschaftliche
Probleme, aber es gibt jedenfalls keinen Konflikt zwischen den Kulturen, weil wir
uns in diesem Bereich eher ergänzen. Leider schürt eine gewisse Politik den Radikalismus
und den Fundamentalismus. Staaten des Nahen Ostens, aber auch westliche Staaten unterstützen
integralistische, radikale Gruppen mit Waffen, Geld und politischer Rückendeckung.
Und das schafft Probleme in Nahost. Wir bestehen darauf, der Welt zu sagen: Der Islam
ist in seiner Mehrheit moderat – nicht fundamentalistisch, nicht integristisch!“