Die Würdigungen für den Papst reißen nicht ab und langsam erscheinen auch die ersten
längeren Werke – Artikelsammlungen meistens, Rückblicke auf Reisen oder Fotobände.
Mitte März kommt auch der – nach unserer Kenntnis – erste systematische Blick auf
das Pontifikat in den Buchhandel, geschrieben hat ihn der Journalist Alexander Kissler.
Im Gespräch mit Pater Bernd Hagenkord berichtet Kissler, dass das Buch kein Schnellschuss
zum Rücktritt ist, sondern lange geplant.
„Ich beschäftige
mich seit 2008 kontinuierlich mit diesem Langzeitprojekt, das heißt ich habe jeden
Tag seit dieser Zeit seine Texte gelesen und seine Auftritte verfolgt und musste jetzt
nur noch sehr schnell das erste und das letzte Kapitel, also die Bilanz und die Umstände
seines Rücktritts schreiben. Aber 95 Prozent hatte ich schon geschrieben.“
Sie
stellen dem Buch einen Satz von Benedikt XVI. voran: ‚Wir sind frei, wir sind gerettet’.
Warum gerade diesen Satz?
„Das ist ein Satz aus seiner Osterpredigt 2010.
Zum einen war der Satz damals vielleicht etwas verwunderlich, weil 2010 das große
Krisenjahr dieses Pontifikates war, die Missbrauchsfälle sind in die Öffentlichkeit
gedrungen. Es ist ein typisch ‚benediktinischer’ Satz, er ist sehr kurz, sehr knapp,
aber auch sehr, sehr tief. Er zeigt, dass das Christentum eine Angelegenheit der Gegenwart
ist und des persönlichen Bezugs. Man wird nicht vertröstet auf irgendeine Rettung,
es wird einem nicht irgendeine Freiheit nach dem Tod in Aussicht gestellt, sondern
– und daran hielt Benedikt fest – wer das Christentum Ernst nimmt, hat eigentlich
jetzt schon die maximale Freiheit, die Freiheit gegenüber den Bedingungen dieser Welt.
Dieser Freiheitsbeginn ist sehr zentral für Benedikt.“
Sie richten den Blick
auch auf den schonungslosen Umgang des Papstes mit der Moderne und der Welt. Benedikt
XVI. war schon ein anstrengender Papst.
„Er war ein Papst, der uns Menschen
zugetraut hat, dass wir ihm zuhören. Er stieß damit natürlich an Grenzen einer Kultur,
die immer mehr vom Bild, von der schnellen Schlagzeile beherrscht wird. Er war insofern
anstrengend, als er gesagt hat, dass das Christentum und der Katholizismus auch ein
Abenteuer des Denkens sein kann. Nicht nur, aber auch ein Abenteuer des Denkens. Was
mir wichtig ist: Er hat die Moderne kritisiert, aber ich glaube aus einer Liebe zur
Moderne. Er war ein moderner Kritiker, aber kein Antimodernist. Er war letzten Endes
– so schreibe ich es vielleicht sogar etwas kühn – ein Dialektiker der Aufklärung.
Er wollte die Aufklärung retten vor einem Abdriften ins Irrationale, ins Gefühlige,
und vor einer übersteigerten Wertschätzung des Säkularen, des Diesseitigen, des Anwendbaren,
des Nützlichen.“
Sie schreiben gerne auch mit spitzer Feder und sind auch
für Ihre Polemiken bekannt. Auch aus katholischen Kreisen sind sie nicht immer unwidersprochen;
was will dieses Buch sein? Will es ein Plädoyer sein, will es ein Argument sein?
„Ich
hoffe, dass ich mich in diesem Buch weitgehend der polemischen Töne entschlage. Es
ist wirklich eine Geschichte dieses Pontifikates. Ich habe in zehn thematischen Kapiteln
versucht, noch einmal darzulegen, was die Konfliktfelder waren und was eigentlich
passiert ist. Natürlich habe ich eine Grundsympathie für die Anliegen Benedikt XVI.,
das ist klar. Ich möchte ihn verstehen, ich möchte ihn auch erklären und ich denke,
dass es im Rückblick uns allen noch einmal ganz gut tun könnte, sich noch einmal zu
vergewissern, was eigentlich die Hauptanliegen seines Pontifikates waren. Womit ist
er durchgedrungen und woran ist er vielleicht auch gescheitert. Diese Frage muss man
natürlich auch stellen.“
Alexander Kissler: Papst im Widerspruch
– Benedikt XVI. und seine Kirche 2005 – 2013. Das Buch wird Mitte März im Pattloch
Verlag erscheinen und kostet etwa 20 €.