2013-02-28 14:42:07

„Einige Kardinäle haben noch gar keine Tickets“


RealAudioMP3 Wie geht es nun weiter in der Kurie ohne Papst? Radio Vatikan hat darüber mit dem Kirchenrechtler Pater Markus Graulich vom römischen Kirchengericht Sacra Rota Romana gesprochen. Die Leitung der Kirche und des Vatikanstaats gehen nach Benedikts Rücktritt vorübergehend in die Hand des Kardinalskollegiums mit seinem Dekan Kardinal Angelos Sodano über. Das Kardinalskollegium habe aber nur verwaltende Funktion, erinnert Graulich:

„Das Kardinalskollegium hat ja in diesem Augenblick die Leitung der Kirche, darf aber nichts entscheiden, was außergewöhnlich ist, sie dürfen keine bestehenden Gesetze oder Ordnungen ändern, sie können sinngemäß nur verwalten, und werden das natürlich auch nur soweit tun, wie es erforderlich ist. Die Konzentration dieser Kongregation wird auf der Vorbereitung des Konklaves liegen.“

Im Klartext heißt das: Von Päpsten gemachte Gesetze und Bestimmungen können nicht verändert werden. Mit der Sedisvakanz verlieren der Kardinalstaatssekretär, alle Kurienkardinäle und die Leiter der Behörden ihre Ämter. Ausgenommen ist der Camerlengo, der bisherige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, dem während der Sedisvakanz eine Schlüsselrolle zukommt. Regelmäßig kommen während der Sedisvakanz die so genannten Generalkongregationen zusammen, an denen auch die nicht wahlberechtigten Kardinäle teilnehmen können und sollen.

„In den Generalkongregationen werden allgemeine Fragen beraten, die die Kirche und den Heiligen Stuhl betreffen, auch zum Teil mit Vorträgen; der Präsident der Güterverwaltung des Heiligen Stuhles (APSA) wird etwa einen Rechenschaftsbericht vorlegen. Sicher werden auch andere hinzugebeten werden; es muss ein Austausch ermöglicht werden.“

Die Sonderkongregationen sind Beratungen im kleineren Kreis. Mit richtig viel Macht sind aber auch sie nicht ausgestattet. Dazu Graulich:

„Das ist, würde ich mal sagen, der kleine Dienstweg, wo der Camerlengo mit drei anderen Kardinälen zusammenkommt, die immer für drei Tage durch Los bestimmt werden – einer aus der Klasse der Kardinalbischöfe, einer aus der Klasse der Kardinalpriester und einer aus der Klasse der Kardinaldiakone. Die besprechen dann allgemeine Dinge, für die nicht unbedingt alle gehört werden müssen, zum Beispiel: wann verschiebt man eine Essenszeit etc.“

Und was passiert mit den päpstlichen Insignien nach dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI.?

„Der Fischerring wird zerstört (durch den Camerlengo, Anm. d. Red.), zumindest der, der zum Siegeln von Dokumenten verwendet wird. Dann werden natürlich nach und nach in den Vatikanbüros seine Porträts abgehängt. Das Wappen, wenn es irgendwo als Zeichen der Gegenwart des Heiligen Stuhls oder der päpstlichen Gesandtschaft hängt, wird dann entfernt. Aber das wird natürlich nicht alles an diesem Donnerstagabend geschehen.“

Damit ist dann das Papstamt dann für Benedikt XVI., den römischen „Pontifex emeritus“, endgültig vorbei. Das bleibe auch so, falls der neue Papst zu Benedikts Lebzeiten unerwartet sterben würde. Graulich dekliniert diesen unerwünschten und auch wohl unwahrscheinlichen Fall einmal durch:

„Dann ist der Stuhl wieder vakant. Der Papst ist zurückgetreten, der Rücktritt ist gültig. Es hat so was mal gegeben. Es gibt ja den berühmten Rücktrittsfall aus dem 11. Jahrhundert von Papst Benedikt IX., den Sie im Annuario Pontificio mehrere Male finden. Der ist zurückgetreten, der Nachfolger ist gestorben glaube ich, da ist er wieder zurückgekommen, wieder zurückgetreten – er hat das Amt mehrere Male übernommen! Aber das waren noch andere Zeiten…“

„Einige Kardinäle buchen wohl erst Tickets, wenn sie den Konklavebeginn kennen“

Wann das Konklave nun genau beginnt, liegt nach dem letzten Motu Proprio von Papst Benedikt XVI. nun in der Hand der Kardinäle. Wenn alle wählenden Kardinäle im Vatikan eingetroffen sind, können sie auch vor der bislang üblichen Mindestwartezeit von 15 Tagen mit der Papstwahl beginnen. Dazu Graulich:

„Aber da liegt auch gleichzeitig die Schwierigkeit, denn ich weiß von einigen Kardinälen, dass sie erst ihre Tickets buchen, wenn sie wissen, wann das Konklave beginnt. Das heißt, wenn die Voraussetzung ist, dass alle Kardinäle da sind – die kann so nicht erfüllt sein.“

Graulich persönlich hält ein Vorziehen des Konklaves für ungünstig:

„Ich würde das Konklave am 16. anfangen lassen, wie es nach der Apostolischen Konstitution ,Universi Dominici Gregis’ möglich ist, und zwar auch, weil die 15 Tage vorher den Kardinälen die Möglichkeit des Austausches geben, den halte ich für sehr erforderlich: Die müssen sich darüber klar werden, wo die Kirche steht, sie dürfen ja keine Namen nennen, aber sie dürfen ja ein Profil (für den zukünftigen Papst, Anm. d. Redaktion) entwickeln. Was muss der nächste Papst angehen? Wo erwarten sie von ihm etwas? Was sind Dinge, die geändert werden müssen oder die präzisiert werden müssen? Von daher – je länger die Kardinäle Zeit haben, sich im Vorkonklave auszutauschen, desto kürzer wird das Konklave dauern nachher, glaube ich.“

Kirchenrecht in Punkto Papstrücktritt „ausbaufähig“

Das Kirchenrecht hält Graulich in Punkto Papstrücktritt – und nicht nur dort – für ausbaufähig.

„Vor allen Dingen müsste man auch andere Fälle vorsehen: Was ist, wenn der Apostolische Stuhl behindert ist – also zum Beispiel im Fall eines Papstes, der dauerhaft im Koma liegt? Das ist alles rechtsfreier Raum! Und wir sehen, jetzt ist es ja relativ gut gegangen, auch mit einem gewissen Vorlauf, aber es bleiben doch sehr viele Fragen, die immer noch nicht beantwortet sind – etwa: Kommt er jetzt noch mal in die Öffentlichkeit, darf er für immer zurückgezogen bleiben? usw.“

Alle Details könne man freilich nicht kirchenrechtlich regeln, fügt der Experte an. Und im Fall von Benedikt XVI. hält es Graulich für wahrscheinlich, dass sich der emeritierte Papst völlig zurückziehen wird. So dürfte es auch keine Probleme geben, wenn nur wenige Meter vom neuen Papst ein emeritierter Papst in den vatikanischen Gärten wohnt. Dass es da Uneindeutigkeiten geben könnte, sei unwahrscheinlich, so Graulich:

„Ich sehe hier keine akute Gefahr, weil die Persönlichkeit von Benedikt XVI. das nicht hergibt. Er hat sich nie instrumentalisieren lassen und wird das auch in Zukunft noch viel weniger tun.“

Allerdings, fügt er dann an, sei die Gefahr nicht auszuschließen, dass Menschen in der Kirche den Papstrücktritt schlichtweg nicht akzeptierten:

„Vielleicht weil sie einem Rechtssystem verhaftet sind, in dem der Rücktritt des Papstes nicht vorgesehen war. Und die dann, wenn der neue Papst Entscheidungen trifft, die einer bestimmten Gruppe nicht gefallen, sagen: ,Ja, der richtige Papst sitzt doch…’ Wir haben ja jetzt schon die so genannten Sedisvakantisten, die behaupten: ,Pius XII. war der letzte legitim gewählte Papst’! Das ist eine ganz, ganz kleine Splittergruppe, aber die Gefahr ist nie ganz auszuschließen, denke ich.“



(rv 28.02.2013 pr)








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