Die Ernennung von Christoph Schönborn zum Erzbischof von Wien markiert das Ende einer
turbulenten Geschichte. Knapp vier Jahre war der Dominikanerpater Weihbischof in Wien,
als im April 1995 Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen den damaligen Erzbischof
Hans-Hermann Groer erhoben wurden. Schönborn wurde bald darauf zum Koadjutor des Erzbischofs
berufen, ein halbes Jahr später – im September 1995 – wurde er Nachfolger des zurückgetretenen
Groer. Während Schönborn die Vorwürfe gegen Groer zunächst zurückgewiesen hatte, veröffentlichten
er und andere österreichische Bischöfe 1998 eine Erklärung: Sie hätten die „moralische
Gewissheit“, dass die Vorwürfe im Wesentlichen zuträfen. Auch sonst verliefen die
Anfangsjahre für Schönborn nicht einfach, 1997 erreichte er eine Visitation des Bistums
Sankt Pölten, das damals von Bischof Kurt Krenn geleitet wurde. 1999 entließ er seinen
Generalvikar Helmut Schüller, der in den vergangenen Jahren durch die Pfarrer-Initiative
auf Konfliktkurs zu seinem Bischof gegangen war. Für Verwirrung sorgte ein 2005
von Schönborn in der New York Times veröffentlichter Artikel zur Evolutionstheorie.
Er bezeichnete dort und später die Auffassung, dass der Zufall die primäre Komponente
der Evolution sei, als Dogma und Ideologie, in der Evolution sei ein göttlicher Plan
erkennbar. Die Veröffentlichung seines Textes erfolgte mit Zustimmung des Papstes.
2009 qualifizierte er seine Ansichten, sein Artikel sei „etwas holzschnittartig“ gewesen
und „hätte noch einiger Differenzierung bedurft“. Er distanzierte sich ausdrücklich
vom Kreationismus und der damals aktuellen Debatte um „Intelligent Design“. Bekannt
ist Schönborn für sein Engagement für die geistlichen Bewegungen, in seinem Erzbistum
Wien zum Beispiel fördert er das Institut für Evangelisation der Gemeinschaft Emmanuel
und hat die „Kleinen Schwestern und Brüder vom Lamm“, eine junge Ordensgemeinschaft
in der Tradition der Dominikaner, zu einer Klostergründung in der Stadt ermutigt.
Er tritt ein für eine „missionarische Pastoral“, was sich im Pastoralkonzept des Erzbistums
und auch im Projekt „Apostelgeschichte“ ausdrückt. Gegenüber Radio Vatikan sprach
er sich während der Bischofssynode im vergangenen Oktober für mehr Erfahrungsaustausch
unter den Teilnehmern aus, ebenfalls betonte er die Notwendigkeit, bei allen Bemühungen
zur erneuerten Evangelisierung, zunächst bei sich selbst zu beginnen. Christoph
Schönborn wurde am 22. Januar 1945 im böhmischen Skalken (Skalka) geboren. Noch im
selben Jahr musste die Familie nach Österreich flüchten, obwohl Schönborns Vater sich
von der deutschen Wehrmacht getrennt hatte und der britischen Armee als Dolmetscher
angehörte. Seine Kindheit verbrachte Christoph Schönborn in Schruns in Vorarlberg.
1963 wurde er Dominikaner und nach seinen Studien 1970 zum Priester geweiht. 1971/72
absolvierte Schönborn ein Doktoratsstudium am Institut Catholique in Paris, 1972/73
ein Studienjahr in Regensburg, wo der heutige Papst Benedikt XVI. sein Lehrer war.
Seit damals gehört Schönborn dem „Schülerkreis“ von Joseph Ratzinger an; dieser Schülerkreis
trifft einmal im Jahr mit dem ehemaligen Professor zusammen, seit der Wahl Ratzingers
zum Papst geschah dies jeweils in Castel Gandolfo. Ab 1975 lehrte Christoph Schönborn
Dogmatik an der Katholischen Universität Fribourg (Schweiz). 1980 wurde er Mitglied
der Internationalen Theologenkommission des Heiligen Stuhls, 1987 Redaktionssekretär
des „Weltkatechismus“. 1991 wurde Christoph Schönborn zum Weihbischof für die Erzdiözese
Wien ernannt. 1998 wurde der neue Wiener Erzbischof zum Kardinal erhoben. Im selben
Jahr übernahm Schönborn auch den Vorsitz der Österreichischen Bischofskonferenz. Bei
zwei Gelegenheiten – 1998 und 2007 – war er Gastgeber einer Papstreise.
Im
Vatikan ist Schönborn Mitglied der Glaubenskongregation und der Kongregationen für
die Ostkirchen und für Bildung, ferner in den Räten für Kultur und für Neuevangelisierung. Christoph
Kardinal Schönborn war Teilnehmer am Konklave 2005, in dem Papst Benedikt XVI. gewählt
wurde.