2013-02-14 17:07:17

Syrien: Wieder Entführungen, diesmal zwei Priester


Christen in Aleppo sind über das Schicksal von zwei Priestern in Sorge, die von Rebellen entführt worden sind. Der armenisch-katholische Priester Michel Kayval und der griechisch-orthodoxe Priester Maher Mahfouz waren am 9. Februar mit einem Linienbus von Aleppo nach Damaskus unterwegs. Das teilte die Stiftung Pro Oriente am Donnerstag unter Berufung auf den armenisch-katholischen Erzbischof von Aleppo, Boutros Marayati, mit. Die beiden Priester waren auf dem Weg zum Haus der Salesianer Don Boscos in Kafrun. Rund 30 Kilometer von Aleppo entfernt sei der Bus von Rebellen angehalten worden, die die Dokumente der Passagiere kontrollierten und dann die beiden Priester zum Aussteigen aufforderten. Die Rebellen erklärten, man werde „Forderungen mitteilen“. Doch bisher hätten weder die kirchlichen Vorgesetzten der beiden Priester noch die Angehörigen entsprechende Informationen erhalten.

Unterdessen versammelten sich am Wochenende in Hassake viele Christen zu einer Straßenblockade, wo sie Autoreifen anzündeten, um gegen die Entführung des Rektors des staatlichen Al-Furat-Gymnasiums, des Christen Jack Mardini, zu protestieren, der von bewaffneten Männern mitten am Tag verschleppt und nach zwei Stunden wieder freigelassen wurde. In seinem Fall ging es nicht um eine Lösegeldforderung, sondern um Fragen, die mit der Tätigkeit der Universität in Verbindung stehen. Dies zeigt laut Pro Oriente, dass Entführungen auch zu einem Mittel der Erpressung geworden sind, wenn es um die Lösung persönlicher und sozialer Konflikte geht.


In den vergangenen Wochen hatte es allein in der Stadt Hassake rund 50 Entführungen gegeben. In der Hälfte der Fälle habe es um sich um Christen gehandelt - oftmals Ärzte, Anwälte oder freiberuflich Tätige.


Metropolit: Immer wieder Einschüchterung

Der syrisch-orthodoxe Metropolit von al-Hasaka, Mar Eustathios Matta Roham, berichtete der Stiftung auch von anderen Einschüchterungsmaßnahmen gegen Christen. Bereits im November seien unterschiedliche Gruppierungen der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) im benachbarten Ras-al-Ayn einmarschiert und hätten dafür gesorgt, dass nahezu alle christlichen Einwohner die Stadt verlassen mussten. Danach hätten die Milizen begonnen, systematisch die Gotteshäuser an der Kirchenstraße - u.a. auch die syrisch-katholische Maria-Magdalena-Kirche und die armenisch-apostolische Jakobskirche - zu verwüsten. Zweck der Aktion sei es offensichtlich gewesen, den Christen einen solchen Schrecken einzujagen, dass sie den Gedanken an eine Rückkehr in die Stadt aufgeben würden. Im Jänner sei ein Bombenanschlag in einer Kirche rechtszeitig verhindert worden, so Mar Eustathios. Aktuell sei die Kirchenstraße unter dem Schutz der Kurden, was für Erleichterung sorge; die Kurden übermalten die christenfeindlichen Parolen. Am 2. Februar sei schließlich ein Christ in die Thomaskirche gegangen, habe die Glocken geläutet und vor den beschädigten Ikonen und Kreuzen gebetet. „Seither läuteten die kurdischen Milizionäre jeden Tag die Glocken in allen Kirchen von Ras-al-Ayn, um den Islamisten die Botschaft zu vermitteln, dass die Kurden auf freundschaftliche Beziehungen zu den Christen Wert legen“, so der Metropolit.


Wie Matta Roham betonte, sei es der Wunsch der Bewohner von Ras-al-Ayn, dass die Rebellen die ruinierte Stadt sofort verlassen. Leute, die früher die Korruption der Regierung kritisiert hätten, stellten sich jetzt die Frage, ob nicht gewisse Rebellengruppen, die gegen die Glaubensfreiheit und die Sicherheit des Eigentums agitieren, noch korrupter seien.


Die „Assyrische Demokratische Organisation“ (ADO) hatte bereits am 30. November des Vorjahrs an die von Moaz Khatib geführte „Nationale Koalition der syrischen revolutionären und oppositionellen Kräfte“ appelliert, die „verwerflichen Praktiken und Verhaltensweisen“ der FSA-Leute in Ras-al-Ayn abzustellen. Insbesondere Angehörige der islamistischen „Al Nusra“-Miliz, die an ihren Kontrollpunkten Autobusse stoppten und die christlichen Passagiere bedrohten und beleidigten, lösten Ängste aus.


„Auch mit Werten des Islam unvereinbar“


„Solche Praktiken sind in der Kultur, Tradition und den öffentlichen Umgangsformen der syrischen Gesellschaft niemals vorgekommen“, stellte die ADO fest. Die Geschichte Syriens sei insbesondere durch „religiöse Toleranz, die Werte der Koexistenz verschiedener Religionen sowie die Achtung der religiösen Privatsphäre gekennzeichnet“. Die von den Milizionären praktizierten Formen von kriminellem Verhalten seien „übrigens auch mit den Lehren und Werten des Islam unvereinbar“ und schadeten dem Ruf der syrischen Revolution, deren Ziel die Schaffung einer neuen humanen Gesellschaft sei, betonte die „Assyrische Demokratische Organisation“ laut Pro Oriente.


In ähnlichem Sinn äußerte sich laut Pro Oriente auch der evangelische Pastor Ibrahim Nussair. Er berichtete, dass im christlichen Stadtviertel von Aleppo Angst und Schrecken umgehe, seit "Al Nusra" dort aktiv sei. Bereits Anfang November war die historische evangelische Kirche in der Altstadt von Aleppo von Milizionären in die Luft gesprengt worden.


60.000 Todesopfer im syrischen Bürgerkrieg


Caritas Italia schätzt die Zahl der Todesopfer des syrischen Bürgerkriegs mittlerweile auf 60.000. Hunderttausende Menschen seien ins Ausland geflüchtet, in Syrien selbst benötigten mindestens 2,5 Millionen Menschen dringend Hilfe.


Von der italienischen Caritas werden auch die Caritasorganisationen im Libanon, in der Türkei und in Jordanien unterstützt, die gemeinsam mehr als 100.000 syrischen Flüchtlingen helfen. Im Libanon unterstützt die Caritas in Beirut und in der Bekaa rund 40.000 Flüchtlingen, die Hälfte davon sind Kinder. Die türkische Caritas hat 2.000 syrische Flüchtlingsfamilien unter ihre Fittiche genommen und hilft auch mit medizinischer Versorgung und psychologischer Beratung. Die jordanische Caritas nimmt sich um 60.000 syrische Flüchtlinge in Amman, Irbid, Madaba und Mafraq an und versorgt sie mit Nahrungsmitteln, Decken und Heizgeräten.


Der Präsident der syrischen Caritas, der chaldäisch-katholische Bischof Antoine Audo von Aleppo, hatte gegenüber Radio Vatikan betont, seine Organisation helfe trotz aller Schwierigkeiten und Gefahren Zehntausenden Menschen vor allem in Damaskus, Aleppo, Homs und Hassake, aber die Zahl der Not Leidenden steige ständig.


(kap/rv 14.02.2013 pr)








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