Syrien: Wieder Entführungen, diesmal zwei Priester
Christen in Aleppo sind über das Schicksal von zwei Priestern in Sorge, die von Rebellen
entführt worden sind. Der armenisch-katholische Priester Michel Kayval und der griechisch-orthodoxe
Priester Maher Mahfouz waren am 9. Februar mit einem Linienbus von Aleppo nach Damaskus
unterwegs. Das teilte die Stiftung Pro Oriente am Donnerstag unter Berufung auf den
armenisch-katholischen Erzbischof von Aleppo, Boutros Marayati, mit. Die beiden Priester
waren auf dem Weg zum Haus der Salesianer Don Boscos in Kafrun. Rund 30 Kilometer
von Aleppo entfernt sei der Bus von Rebellen angehalten worden, die die Dokumente
der Passagiere kontrollierten und dann die beiden Priester zum Aussteigen aufforderten.
Die Rebellen erklärten, man werde „Forderungen mitteilen“. Doch bisher hätten weder
die kirchlichen Vorgesetzten der beiden Priester noch die Angehörigen entsprechende
Informationen erhalten.
Unterdessen versammelten sich am Wochenende in Hassake
viele Christen zu einer Straßenblockade, wo sie Autoreifen anzündeten, um gegen die
Entführung des Rektors des staatlichen Al-Furat-Gymnasiums, des Christen Jack Mardini,
zu protestieren, der von bewaffneten Männern mitten am Tag verschleppt und nach zwei
Stunden wieder freigelassen wurde. In seinem Fall ging es nicht um eine Lösegeldforderung,
sondern um Fragen, die mit der Tätigkeit der Universität in Verbindung stehen. Dies
zeigt laut Pro Oriente, dass Entführungen auch zu einem Mittel der Erpressung geworden
sind, wenn es um die Lösung persönlicher und sozialer Konflikte geht.
In
den vergangenen Wochen hatte es allein in der Stadt Hassake rund 50 Entführungen gegeben.
In der Hälfte der Fälle habe es um sich um Christen gehandelt - oftmals Ärzte, Anwälte
oder freiberuflich Tätige.
Metropolit: Immer wieder Einschüchterung
Der syrisch-orthodoxe Metropolit von al-Hasaka, Mar Eustathios Matta
Roham, berichtete der Stiftung auch von anderen Einschüchterungsmaßnahmen gegen Christen.
Bereits im November seien unterschiedliche Gruppierungen der „Freien Syrischen Armee“
(FSA) im benachbarten Ras-al-Ayn einmarschiert und hätten dafür gesorgt, dass nahezu
alle christlichen Einwohner die Stadt verlassen mussten. Danach hätten die Milizen
begonnen, systematisch die Gotteshäuser an der Kirchenstraße - u.a. auch die syrisch-katholische
Maria-Magdalena-Kirche und die armenisch-apostolische Jakobskirche - zu verwüsten.
Zweck der Aktion sei es offensichtlich gewesen, den Christen einen solchen Schrecken
einzujagen, dass sie den Gedanken an eine Rückkehr in die Stadt aufgeben würden. Im
Jänner sei ein Bombenanschlag in einer Kirche rechtszeitig verhindert worden, so Mar
Eustathios. Aktuell sei die Kirchenstraße unter dem Schutz der Kurden, was für Erleichterung
sorge; die Kurden übermalten die christenfeindlichen Parolen. Am 2. Februar sei schließlich
ein Christ in die Thomaskirche gegangen, habe die Glocken geläutet und vor den beschädigten
Ikonen und Kreuzen gebetet. „Seither läuteten die kurdischen Milizionäre jeden Tag
die Glocken in allen Kirchen von Ras-al-Ayn, um den Islamisten die Botschaft zu vermitteln,
dass die Kurden auf freundschaftliche Beziehungen zu den Christen Wert legen“, so
der Metropolit.
Wie Matta Roham betonte, sei es der Wunsch der Bewohner
von Ras-al-Ayn, dass die Rebellen die ruinierte Stadt sofort verlassen. Leute, die
früher die Korruption der Regierung kritisiert hätten, stellten sich jetzt die Frage,
ob nicht gewisse Rebellengruppen, die gegen die Glaubensfreiheit und die Sicherheit
des Eigentums agitieren, noch korrupter seien.
Die „Assyrische Demokratische
Organisation“ (ADO) hatte bereits am 30. November des Vorjahrs an die von Moaz Khatib
geführte „Nationale Koalition der syrischen revolutionären und oppositionellen Kräfte“
appelliert, die „verwerflichen Praktiken und Verhaltensweisen“ der FSA-Leute in Ras-al-Ayn
abzustellen. Insbesondere Angehörige der islamistischen „Al Nusra“-Miliz, die an ihren
Kontrollpunkten Autobusse stoppten und die christlichen Passagiere bedrohten und beleidigten,
lösten Ängste aus.
„Auch mit Werten des Islam unvereinbar“
„Solche
Praktiken sind in der Kultur, Tradition und den öffentlichen Umgangsformen der syrischen
Gesellschaft niemals vorgekommen“, stellte die ADO fest. Die Geschichte Syriens sei
insbesondere durch „religiöse Toleranz, die Werte der Koexistenz verschiedener Religionen
sowie die Achtung der religiösen Privatsphäre gekennzeichnet“. Die von den Milizionären
praktizierten Formen von kriminellem Verhalten seien „übrigens auch mit den Lehren
und Werten des Islam unvereinbar“ und schadeten dem Ruf der syrischen Revolution,
deren Ziel die Schaffung einer neuen humanen Gesellschaft sei, betonte die „Assyrische
Demokratische Organisation“ laut Pro Oriente.
In ähnlichem Sinn äußerte
sich laut Pro Oriente auch der evangelische Pastor Ibrahim Nussair. Er berichtete,
dass im christlichen Stadtviertel von Aleppo Angst und Schrecken umgehe, seit "Al
Nusra" dort aktiv sei. Bereits Anfang November war die historische evangelische Kirche
in der Altstadt von Aleppo von Milizionären in die Luft gesprengt worden.
60.000
Todesopfer im syrischen Bürgerkrieg
Caritas Italia schätzt die
Zahl der Todesopfer des syrischen Bürgerkriegs mittlerweile auf 60.000. Hunderttausende
Menschen seien ins Ausland geflüchtet, in Syrien selbst benötigten mindestens 2,5
Millionen Menschen dringend Hilfe.
Von der italienischen Caritas werden
auch die Caritasorganisationen im Libanon, in der Türkei und in Jordanien unterstützt,
die gemeinsam mehr als 100.000 syrischen Flüchtlingen helfen. Im Libanon unterstützt
die Caritas in Beirut und in der Bekaa rund 40.000 Flüchtlingen, die Hälfte davon
sind Kinder. Die türkische Caritas hat 2.000 syrische Flüchtlingsfamilien unter ihre
Fittiche genommen und hilft auch mit medizinischer Versorgung und psychologischer
Beratung. Die jordanische Caritas nimmt sich um 60.000 syrische Flüchtlinge in Amman,
Irbid, Madaba und Mafraq an und versorgt sie mit Nahrungsmitteln, Decken und Heizgeräten.
Der Präsident der syrischen Caritas, der chaldäisch-katholische Bischof
Antoine Audo von Aleppo, hatte gegenüber Radio Vatikan betont, seine Organisation
helfe trotz aller Schwierigkeiten und Gefahren Zehntausenden Menschen vor allem in
Damaskus, Aleppo, Homs und Hassake, aber die Zahl der Not Leidenden steige ständig.