Ungläubiges Staunen,
Respekt, Betroffenheit: Die Entscheidung des Papstes zum Rücktritt hat viele in der
Kirche in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt. „Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes
schockiert!“ Das sagt der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, enger Vertrauter
des scheidenden Papstes. „Das habe ich mir gar nicht vorstellen können. Damit muss
man sich jetzt auseinandersetzen. Jetzt muss ich an einer weiteren Papstwahl teilnehmen,
das Kardinalskollegium muss jetzt die Kirche regieren. Da muss ich nach Rom anreisen,
da sind die täglichen Sitzungen zur Vorbereitung des Konklaves. Das gab es ja seit
700 Jahren nicht. Da gibt es die Fragen: Gibt es eine Abschiedsfeier? Wo wird er wohnen?
Wie wird er dann angesprochen?“ Er sei „traurig“, „überrascht“, „tief berührt“, sagt
Meisner.
Dziwisz: „Benedikt XVI. ist groß“
Italienische
Zeitungen behaupten, der Krakauer Kardinal Stanislaw Dziwisz habe eine böse Bemerkung
gemacht: Christus sei nicht vom Kreuz herabgestiegen. Dzwisz war Privatsekretär von
Papst Johannes Paul II., der trotz seinem Leiden bis zum Tod 2005 im Papstamt durchhielt.
Uns gegenüber dementiert er die Berichte in den italienischen Zeitungen und sagt:
„Ich habe diese Nachricht mit großem Schmerz und Überraschung aufgenommen! Denn ich
schätze und liebe den Heiligen Vater, Benedikt XVI. Er war Johannes Paul II. immer
so eng verbunden, diesem großen Papst dieses Jahrhunderts. Wir können uns wirklich
glücklich schätzen, dass wir einen nach dem anderen Päpste von solch großer Tragweite
haben. Man kann die beiden nicht direkt vergleichen, denn jeder hat sein eigenes Charisma.“
Es stimme nicht, dass er zu verstehen gebe, Benedikt XVI. flüchte aus der Verantwortung,
führte Dziwisz aus: „Absolut nicht, denn Benedikt XVI. ist groß! So wie Johannes Paul
II. groß war und auch Papst Paul VI., dessen Pontifikat von einer großen Öffnung gekennzeichnet
war.“
„Er wird uns fehlen“: So reagiert der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Robert Zollitsch. „Aber es wird viel von ihm bleiben, denn Theologie und
Kirche hat er nachhaltig geprägt, als Brückenbauer, als Hirte seiner Herde, als Wissenschaftler
und Lehrer.“ Der Freiburger Erzbischof scheint nicht an den völligen Rückzug Benedikts
XVI. ins Unsichtbare zu glauben: „Wir wissen, dass er seine Lebenskraft weiterhin
in den Dienst der Menschen stellen wird. Wir wünschen ihm dazu die nötigen Kräfte...“
Vingt-Trois:
„Papst ist nicht Bischof der ganzen Welt“
Der Pariser Kardinal
André Vingt-Trois glaubt, dass die Entscheidung des Papstes zum Rücktritt „wohlüberlegt“
war. „Zunächst einmal bin ich natürlich überrascht, aber mein zweiter Gedanke war
gleich große Dankbarkeit für diese acht Jahre als Papst, eine echte Bewunderung für
den Mut, den er hatte, um wohlüberlegt diese Entscheidung zu treffen“, so der Vorsitzende
der Französischen Bischofskonferenz im Interview mit Radio Vatikan. „Es ist immer
mutig, wenn jemand anerkennt, dass er nicht mehr die Kraft zu seiner Aufgabe hat.
Dass wir jetzt alle im Durchschnitt länger leben, führt dazu, dass man jetzt mehr
zu entscheiden hat, als einfach auf den Tod zu warten. Dank Benedikt XVI. wissen jetzt
auch seine Nachfolger, dass sie sich bis aufs Äußerste einsetzen können, ohne aber
bis zum Schluss im Amt bleiben zu müssen.“
Vingt-Trois wird in Paris genau
zur Stunde des Rücktritts von Benedikt eine öffentliche Dankmesse für das Pontifikat
zelebrieren. Dass die Katholiken in aller Welt sich jetzt als Waisen fühlen müssen,
findet der Hausherr der Pariser Notre-Dame-Kathedrale ganz und gar nicht. „Ich habe
es bisher immer so gesehen, dass die Bischöfe die Hirten ihrer Herden sind. Ich verstehe
nicht ganz, warum die Leute sich verwaist fühlen sollten, weil der Papst zurücktritt
– dann sollen sie sich eben im Gebet an Gott wenden. Wenn die Römer sehen, dass ihr
Bischof geht, dann verstehe ich, wenn sie sich fragen: Wer kommt denn als Nächstes?
Aber der Papst ist nicht der Bischof der ganzen Welt! Man muss nun mal verstehen,
dass die Kirche sich keineswegs auf die Person des Papstes reduziert.“
Das
sagt Kardinal Meisner noch sporadischer: „Ich weiß nur: Päpste kommen und gehen, die
Kirche bleibt. Da bin ich selber gespannt, wie der neue Papst aussehen wird.“ Die
Belastungen für einen Pontifex Maximus seien heutzutage enorm, gibt Meisner zu bedenken
– das sei „eine Aufgabe, die einen hoffnungslos überfordern kann“. „Vielleicht war
die Aussage der Ärzte, dass er wegen seines Herzens nicht mehr zum Weltjugendtag nach
Rio de Janeiro fahren kann, ausschlaggebend. An vielen Ecken und Enden spürt er, dass
die Kräfte nicht mehr aussreichten, um die täglichen Dinge zu bewältigen.“ Das lange
und qualvolle Sterben von Johannes Paul II. im Amt habe dem Nachfolger sicher auch
vor Augen gestanden, sinniert Kardinal Meisner. „Das wollte er mal nicht ähnlich erleben,
dass Ponitikat weiterzuführen ohne die Kräfte, selber zu entscheiden und angewiesen
zu sein auf die Hilfe anderer. Da will er lieber die Verantwortung in andere Hände
übergehen lassen. Eine nachvollziehbare Erklärung!“
„Einer der großen
Kirchenväter ist wiederauferstanden“
„Es ist eine große menschliche
und religiöse Geste.“ Das sagt wiederum Erzbischof Zollitsch. Er würdigt den scheidenden
Papst als „großen Lehrer der Kirche“. „Ja, Papst Benedikt ist in vielerlei Hinsicht
ein Pontifex: Er wollte Brücken bauen zwischen Glaube und Vernunft, Brücken hin zu
Gott, Brücken zwischen Konfessionen und Religionen, um so dem Frieden der Welt den
Weg zu bereiten und dem Reich Gottes Wachstum zu schenken.“ Noch einmal Meisner, der
ins selbe Horn stößt: „Wir haben einen gesegneten Theologen auf dem Stuhle Petri gehabt.
Die orthodoxen Bischöfe haben mir gesagt, mit Benedikt XVI. sei einer der großen Kirchenväter
des klassischen Christentums wiederauferstanden. Die haben alle seine Worte übersetzt
für ihre Studenten! Es war ein großes Pontifikat, weniger quantitativ, aber qualitativ!“
„Wir
sind voll des Dankes für sein segensreiches Wirken“. Das sagt der Münchner Erzbischof,
Kardinal Reinhard Marx. „Benedikt XVI. hat die Weltkirche nun acht Jahre lang mit
höchstem Einsatz geführt und entscheidend mit seiner klaren Theologie geprägt. Wir
als seine bayerische Heimatdiözese fühlen uns ihm als Priester und vormaligem Erzbischof
des Erzbistums München und Freising auch in dieser Stunde eng verbunden. Wir sind
voll des Dankes für sein segensreiches Wirken als Oberhaupt der katholischen Kirche.
Wir wollen uns für die Zukunft unserer Kirche weiter von der bedeutenden Theologie
Benedikt XVI. inspirieren lassen.“ Der neue Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer
erklärt, er mache sich große Sorgen um die Gesundheit des Papstes.