Benedikts Wegweiser „auf der letzten Wegstrecke meines Lebens“
Papst Benedikt XVI.
predigte anlässlich seines 85. Geburtstages am 16. April 2012 in freier Rede vor seinen
engsten Mitarbeitern und einigen deutschen Kardinälen und Bischöfen; auch sein Bruder
Georg Ratzinger hört ihm zu. Der Papst deutete seinen eigenen Geburtstag vom Ostergeheimnis
her, sprach von Tod und Auferstehung und von einem Vertrauen, das sich ganz aus dem
Glauben speist. Zu diesem Zeitpunkt stand eine mögliche Rücktrittsentscheidung, den
er ein knappes Jahr später verkündete, bereits im Raum. Damals sagte Benedikt XVI.
seinen Zuhörern im Vatikan:
„Ich stehe vor der letzten Wegstrecke meines
Lebens und weiß nicht, was mir verhängt sein wird. Aber ich weiß, dass das Licht Gottes
da ist, dass er auferstanden ist, dass sein Licht stärker ist als alles Dunkel; dass
Gottes Güte stärker ist als alles Böse dieser Welt. Und das lässt mich in Gewissheit
weitergehen. Das lässt uns weitergehen, und allen, die dieses ,Ja’ Gottes immer wieder
durch ihren Glauben auch mir gewiss machen, danke ich von ganzem Herzen in dieser
Stunde.“
Der Papst führte in seiner Ansprache aus, was ihm persönlich
und als Papst Orientierung gibt: das „Gedächtnis der heiligen Bernadette Soubirous,
der Seherin von Lourdes“, der Heilige Benedikt Joseph Labre und das Ostergeheimnis,
das Geheimnis von Kreuz und Auferstehung.
Benedikt XVI. kündigte seinen
Rücktritt am 11. Februar, dem Gedenktag Unserer Lieben Frau von Lourdes, an. Benedikt
betonte, dass mit der Bernadette Soubirous einem „einfachen Kind reinen Herzens“ die
Gottesmutter erschienen sei – für Benedikt XVI. ein Bild für die Reinheit des Glaubens,
der sich aus Wahrheit speist:
„Ich denke, wir dürfen dieses Wasser als
Bild ansehen für die Wahrheit, die uns im Glauben zukommt: die unverstellte, unverschmutzte
Wahrheit. Denn wir brauchen, um leben zu können, um rein zu werden, in uns die Sehnsucht
nach dem reinen Leben, nach der unverfälschten Wahrheit, nach dem Unverschmutzten
von Korruption, nach dem nicht befleckten Menschsein. So ist dieser Tag, diese kleine
Heilige, für mich immer ein Zeichen gewesen, wo das lebendige Wasser herkommt, dessen
wir bedürfen – das Wasser, das uns reinigt und Leben gibt – und ein Zeichen dafür,
wie wir sein müssen: dass wir in allem Wissen und Können, das notwendig ist, das einfache
Herz, den einfachen Blick des Herzens nicht verlieren dürfen, der das Wesentliche
zu sehen vermag, und den Herrn immer bitten müssen, dass wir die Demut behalten, damit
das Herz hellsichtig bleibt – das Einfache und Wesentliche sehen kann, die Schönheit
und die Güte Gottes – und damit die Quelle finden kann, von der das Wasser kommt,
das Leben gibt und reinigt.“
Der Papst beweist mit seinem angekündigten
Rücktritt Demut, Verantwortlichkeit, aber auch Menschlichkeit – ist in vielen Reaktionen
zu Benedikts Entscheidung in diesen Stunden zu hören. Neben der Demut, die Benedikt
XVI. für sich beansprucht, ist ein anderes Charakteristikum der Blick auf das Wesentliche.
Armut und Innerlichkeit liegen Benedikt XVI. am heiligen Benedikt Joseph Labre am
Herzen, einem frommen Pilger des 18. Jahrhunderts, der seine Berufung als Bettler
fand:
„Mit nichts, auf nichts gestellt und auch nichts behaltend von
dem, was er bekam und was er nicht direkt brauchte – durch ganz Europa zu pilgern,
zu allen Heiligtümern Europas, von Spanien bis Polen und von Deutschland bis Sizilien:
ein wahrhaft europäischer Heiliger! Wir können ruhig sagen: ein sonderbarer Heiliger,
der nur bettelnd herumzieht von Heiligtum zu Heiligtum, nichts tun will als beten
und damit Zeugnis geben, worauf es ankommt in diesem Leben: auf Gott. Er ist sicher
kein Vorbild, das wir nachahmen sollten, aber ein Wegweiser, ein ausgestreckter Finger
auf das Wesentliche hin. Er zeigt uns, dass (…) von Gott her die Grenzen fallen,
dass nur Gott die Grenzen beseitigen kann, weil von Gott her wir alle nur Geschwister
sind, wir alle zueinander gehören, dass die Einzigkeit Gottes zugleich die Geschwisterlichkeit
und die Versöhnung der Menschen ist, der Abbau der Grenzen, der uns eint und heilt.
So ist er ein Heiliger des Friedens, gerade als ein Heiliger der Unbedürftigkeit,
der mit nichts stirbt und doch mit allem gesegnet ist.“
Papst Benedikt
XVI. wird am 28. Februar zurücktreten, und noch vor Ostern sitzt wohl ein neuer Papst
auf dem Stuhl Petri. Warum hat Benedikt XVI. die Fasten- und Osterzeit gewählt, um
seinen Rücktritt zu verkünden? Einen Tag vor seiner Erklärung, am Sonntag, hatte der
Papst diesen Tweet ins Netz geschickt: „Wir dürfen der Kraft der Barmherzigkeit Gottes
vertrauen. Wir sind alle Sünder, doch seine Gnade verwandelt uns und macht uns neu.“
Dieses Vertrauen ist es, was der Papst auch in seiner Predigt zu seinem 85. Geburtstag
im Blick auf das Ostergeheimnis unterstrich:
„So gehört zur Geburt
die Wiedergeburt, die Gewissheit, dass in der Tat es gut ist da zu sein, weil die
Verheißung stärker ist als die Drohungen. Dies ist der Sinn der Wiedergeburt aus Wasser
und Geist: eingetaucht werden in die Verheißung, die nur Gott selbst geben kann: Es
ist gut, dass Du bist, Du darfst dessen gewiss sein, was immer kommen mag. Aus dieser
Gewissheit durfte ich leben, wiedergeboren aus Wasser und Geist.“