Empfang für die Malteserritter: Die Ansprache des Papstes
Hier finden Sie den vollen Text der Papst-Ansprache an den Malteserorden an diesem
Samstag im Petersdom in Rom.
„Liebe Brüder und Schwestern!
Mit Freude
empfange und begrüße ich jeden einzelnen von Ihnen, Ritter und Damen, Kapläne und
Freiwillige des Souveränen Malteserordens. Mein besonderer Gruß gilt dem Fürsten und
Großmeister, Seiner Hoheit und Eminenz Fra’ Matthew Festing, dem ich für die freundlichen
Worte danke, die er in Ihrer aller Namen an mich gerichtet hat. Zugleich danke ich
für die großherzige Gabe, die Sie mir überreichten und die ich für einen karitativen
Zweck bestimmt habe. Herzlich wende ich mich an die Kardinäle und die Mitbrüder im
bischöflichen und priesterlichen Dienst, insbesondere an meinen Staatssekretär, der
eben der Eucharistiefeier vorgestanden hat, und an Kardinal Paolo Sardi, den Patron
des Ordens, dem ich für die aufmerksame Sorge danke, mit der er sich dafür einsetzt,
die speziellen Bande zu festigen, die Sie an die katholische Kirche und in besonderer
Weise an den Heiligen Stuhl binden. Dankbar begrüße ich Erzbischof Angelo Acerbi,
Ihren Prälaten. Und schließlich grüße ich die Diplomaten sowie alle hier anwesenden
hohen Persönlichkeiten und Autoritäten.
Der Anlaß dieser Begegnung ist das
neunhundertjährige Jubiläum des feierlichen Privilegs Pie postulatio voluntatis vom
15. Februar 1113, mit dem Papst Paschalis II. die nach dem heiligen Johannes dem Täufer
benannte junge „Hospitalsbruderschaft“ von Jerusalem unter den Schutz der Kirche stellte
und ihr die Souveränität zuerkannte, indem er sie als Orden kirchlichen Rechts konstituierte
mit der Befugnis, ihre Oberen frei zu wählen, ohne Einmischung anderer weltlicher
oder religiöser Autoritäten. Dieser wichtige Jahrestag erhält eine spezielle Bedeutung
im Kontext des Jahres des Glaubens, in dem die Kirche aufgerufen ist, die Freude und
das Engagement zu erneuern, an Jesus Christus, den einzigen Retter der Welt zu glauben.
In diesem Zusammenhang sind auch Sie aufgerufen, diese Zeit der Gnade zu ergreifen,
um Ihre Erkenntnis des Herrn zu vertiefen und die Wahrheit und Schönheit des Glaubens
durch das Zeugnis Ihres Lebens und Ihres Dienstes im Heute unserer Zeit erstrahlen
zu lassen.
Ihr Orden hat sich von Anfang an durch seine Treue zur Kirche und
zum Nachfolger Petri wie auch durch seinen von einem hohen religiösen Ideal gekennzeichneten
Charakter hervorgetan. Gehen Sie auch weiterhin voran auf diesem Weg, indem Sie die
verwandelnde Kraft des Glaubens konkret bezeugen. Aufgrund des Glaubens verließen
die Apostel alles, um Jesus zu folgen, und gingen dann in die ganze Welt hinaus, indem
sie ihren Auftrag erfüllten, allen Geschöpfen das Evangelium zu bringen. Ohne jede
Furcht verkündeten sie allen die Kraft des Kreuzes und die Freude der Auferstehung
Christi, deren unmittelbare Zeugen sie waren. Aufgrund des Glaubens haben die Märtyrer
ihr Leben hingegeben und so die Wahrheit des Evangeliums gezeigt, das sie verwandelt
und befähigt hatte, ihren Verfolgern zu verzeihen und damit bis zur größten Hingabe
zu gelangen, die Frucht der Liebe ist. Und aufgrund des Glaubens haben sich die Mitglieder
Ihres Ordens im Laufe der Jahrhunderte aufopferungsvoll der Pflege der Kranken in
Jerusalem gewidmet und dann der Hilfe für die Pilger im Heiligen Land, die ernsten
Gefahren ausgesetzt waren. Damit haben sie leuchtende Beispiele christlicher Nächstenliebe
und des Schutzes der Christenheit hinterlassen. Im 19. Jahrhundert öffnete sich der
Orden neuen und ausgedehnteren Arbeitsfeldern auf dem Gebiet der Fürsorge und des
Dienstes an Kranken und Armen, ohne jedoch jemals auf die ursprünglichen Ideale, vor
allem auf das des intensiven geistlichen Lebens der einzelnen Mitglieder, zu verzichten.
In dieser Richtung müssen Ihre Bemühungen voranschreiten, unter ganz besonderer Beachtung
der Ordensweihe – jener der Professen –, die das Herz des Ordens bildet. Niemals dürfen
Sie diese Ihre Wurzeln vergessen: als der selige Gerhard und seine Kameraden sich
mit den Gelübden dem Dienst an den Armen weihten und das Privileg Pie postulatio voluntatis
ihre Berufung bestätigte. So gestalteten die Mitglieder der neu entstandenen Einrichtung
ihr Leben nach den Merkmalen des Ordenslebens: das Streben nach christlicher Vollkommenheit
durch das Ablegen der drei Gelübde, das Charisma, dem sie sich verpflichteten, und
die Brüderlichkeit unter den Mitgliedern. Die Berufung des Professen muß auch heute
Gegenstand besonderer Pflege sein, wobei zugleich auf das geistliche Leben aller zu
achten ist.
In diesem Sinn unterscheidet sich Ihr Orden im Vergleich zu anderen
Einrichtungen, die sich auf internationaler Ebene in der Krankenpflege, für die Solidarität
und für den menschlichen Fortschritt einsetzen, durch die christliche Grundorientierung,
die für den sozialen Einsatz seiner Mitglieder ständig richtungweisend sein muß. Bewahren
und pflegen Sie diese Ihre besondere Eigenart und handeln Sie mit erneuertem apostolischem
Eifer, immer in der Haltung tiefer Übereinstimmung mit dem Lehramt der Kirche. Ihr
wertvolles und wohltätiges Wirken, das in mehrere Bereiche gegliedert ist, sich in
verschiedenen Teilen der Welt vollzieht und mit Krankenhäusern und Sanitätseinrichtungen
besonders auf den Dienst am Kranken konzentriert ist, ist nicht bloße Philanthropie,
sondern wirkungsvoller Ausdruck und lebendiges Zeugnis der im Evangelium verkündeten
Liebe.
In der Heiligen Schrift ist der Aufruf zur Nächstenliebe mit dem Gebot
verbunden, Gott zu lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit aller Kraft
(vgl. Mk 12,29-31). Folglich entspricht die Nächstenliebe dem Auftrag und dem Beispiel
Christi, wenn sie auf einer wahren Liebe zu Gott beruht. So ist es dem Christen möglich,
durch die eigene Hingabe, dank einer immer tieferen Gleichgestaltung mit Christus,
die anderen die fürsorglich zärtliche Liebe des himmlischen Vaters spüren zu lassen.
Um den Mitmenschen Liebe zu schenken, muß man sie durch Gebet, ständiges Hinhören
auf das Wort Gottes und ein Leben, in dessen Mittelpunkt die Eucharistie steht, aus
der Feuersglut der göttlichen Liebe schöpfen. Ihr Alltagsleben muß durchdrungen sein
von der Gegenwart Jesu, vor dessen Augen Sie auch die Leiden der Kranken, die Einsamkeit
der Alten, die Schwierigkeiten der Behinderten zu tragen gerufen sind. Indem Sie diesen
Menschen entgegenkommen, dienen Sie Christus: »Was ihr für einen meiner geringsten
Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (Mt 25,40), sagt der Herr.
Liebe
Freunde, folgen Sie mit Ihrem Wirken in der Gesellschaft und in der Welt weiter den
vom Evangelium angezeigten Wegen, nämlich denen des Glaubens und der Liebe, um die
Hoffnung neu aufleben zu lassen. Glaube als Zeugnis einer inneren Zustimmung zu Christus
und eines Engagements in der Sendung des Evangeliums, das Sie zu einer immer lebendigeren
Gegenwart in der kirchlichen Gemeinschaft und zu einer immer bewußteren Zugehörigkeit
zum Volk Gottes anspornt; Liebe als Ausdruck einer Brüderlichkeit in Christus durch
die Werke der Barmherzigkeit gegenüber den Kranken, den Armen, gegenüber denen, die
der Liebe, des Trostes und der Fürsorge bedürfen, gegenüber denen, die unter Einsamkeit,
Verwirrung und unter neuen Formen materieller und geistlicher Armut leiden. Diese
Ideale sind in Ihrem Motto gut zum Ausdruck gebracht: »Tuitio fidei et Obsequium pauperum«.
Diese Worte fassen das Charisma Ihres Ordens gut zusammen, der als Völkerrechtssubjekt
nicht danach strebt, weltliche Macht und weltlichen Einfluß auszuüben, sondern die
ihm eigene Sendung für das ganzheitliche Wohl des Menschen an Geist und Leib in völliger
Freiheit entfalten und dabei sowohl die einzelnen als auch die Gemeinschaft im Blick
haben möchte, vor allem diejenigen, die am meisten der Hoffnung und der Liebe bedürfen.
Maria
– die selige Jungfrau von Fileremo – unterstütze Ihre Vorhaben und Ihre Pläne mit
ihrem mütterlichen Schutz; Ihr himmlischer Schutzpatron, der heilige Johannes der
Täufer und der selige Gerhard sowie die Heiligen und Seligen des Ordens mögen Sie
mit ihrer Fürsprache begleiten. Ich meinerseits versichere Ihnen, für Sie, die Sie
hier zugegen sind, für alle Mitglieder des Ordens wie auch für die zahlreichen verdienstvollen
Freiwilligen – darunter die ansehnliche Gruppe der Kinder – und für alle, die Ihre
Aktivitäten unterstützen, zu beten. Von Herzen erteile ich Ihnen den Apostolischen
Segen, in den ich gerne Ihre Familien einbeziehe. Danke.“