„Kirche steht aktuell sogar im Sitzen schlecht da“
Als der Missbrauchsskandal 2010 Deutschland erschütterte, schien ein Tiefpunkt in
der öffentlichen Wahrnehmung der katholischen Kirche erreicht zu sein. Das jüngste
Debakel um die Missbrauchsstudie und die Abweisung eines Vergewaltigungsopfers an
zwei katholischen Kliniken in Köln wühlten die Gemüter weiter auf: Der Kirche schlägt
zunehmend kalter Wind entgegen, selbst treue Anhänger zweifeln inzwischen an Glaubwürdigkeit
und Reformwillen der Institution. Als „Pogromstimmung“ empfindet die Lage Erzbischof
Gerhard Ludwig Müller von der vatikanischen Glaubenskongregation, als „Katholikenphobie“
der Kölner Kardinal Joachim Meisner. Über das „Imageproblem“ der katholischen Kirche
hat das Kölner Domradio mit der Redaktionsleiterin der ZEIT-Beilage „Christ und Welt“
gesprochen. „Die Kirche schafft im Moment das Kunststück, sogar noch im Sitzen schlecht
dazustehen“, sagt Christiane Florin. Sie bezieht sich dabei vor allem auf den Eindruck,
den die Kirche in Talk-Shows erregt. Dafür sei die Kirche aber nicht allein verantwortlich:
„Das
hängt auch mit der Einladungspolitik der Talkshows zusammen. Es ist ja klar: Talkshows
sind nicht in erster Linie eine gepflegte Unterhaltung, eine Konversation, sondern
Talkshows sind zunächst einmal Unterhaltung. Das heißt, es wird dementsprechend eingeladen,
je nachdem welche Rollenvorstellungen man hat, sucht man eben Leute, die diese Rollen
dann auch ausfüllen. Das gilt für Politik, für Wirtschaft, für Kultur, für gesellschaftliche
Themen ganz allgemein. Auffallend ist allerdings, wenn es um Religion und Kirche geht,
dann wird doch sehr gern jemand eingeladen, der nicht unbedingt repräsentativ für
die Mehrheit in der Bischofskonferenz oder auch die Mehrheit der Katholiken ist, sondern
da lädt man doch oft Leute ein, die polarisieren, die auch sehr gut als Feindbild
herhalten können und die einfach bestimmte katholische Klischees bedienen.“
Im
Blick auf Talkshows zum Thema Religion und Kirche der vergangenen Jahre beobachtet
Florin, dass es kaum gelingt, in den Sendungen die Mehrheit der anderen Katholiken
abzubilden:
„Also, ich bewege mich viel innerhalb der Kirche und mir begegnen
kaum Menschen, die so sind wie diejenigen, die im Namen des Katholizismus in den Talkshows
sitzen. Das ist ein trauriger Zustand, dass es nicht gelingt, einmal jemanden - auch
von Seiten der Kirche – hervorzubringen, der gewinnend wirkt, der dann auch all die
Diskussionen, die ja innerhalb der Kirche stattfinden, die ja geführt werden, einmal
in so einer Talkshow mit ein paar Sätzen allgemeinverständlich erklären kann; also
schlicht jemand, von dem der Zuschauer am Ende der Sendung denkt: Also, Mensch, mit
dem würde ich mich jetzt gern weiter unterhalten. Das gelingt irgendwie nicht.“
Die
katholischen Gäste in solchen Sendungen stünden oftmals mit dem Rücken zur Wand und
erlebten die Diskussion als bedrängend, so Florin. Warum aber ist das so? Warum gelingt
es nicht oder so selten, dass ein Bischof das Publikum gewinnend und überzeugend auf
seine Seite bringt? Florin vermutet:
„Vielleicht liegt es daran, dass die
Medientrainings nicht gut genug funktionieren, dass einem die innere Souveränität
fehlt, mit solchen Situationen umzugehen. Und ein Bischof sitzt da ja nicht nur als
Einzelperson, sondern immer auch als Amtsträger und hat deshalb sicherlich eine ganz
andere Verantwortung als ein Künstler, der ja erst einmal für sich sprechen kann.“
Und
sie fügt an:
„Vielleicht ist es auch so, dass die Hierarchie mit all ihren
Mechanismen solche Personen nicht hervorbringt, weil es einfach kein Kriterium ist,
wie jemand nach außen wirkt, wie jemand mit Öffentlichkeit umgeht, und schließlich
auch, wie jemand mit Menschen umgeht.“