Papst mahnt Europa: Das Erreichte nicht verspielen!
Benedikt XVI. ruft
die Europäische Union dazu auf, „das gemeinsam Erreichte nicht durch neue Herausforderungen
und kurzsichtige Eigeninteressen zu untergraben oder gar aufzugeben“. In einem Grußwort,
unterzeichnet vom vatikanischen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, würdigt der
Papst die deutsch-französische Freundschaft. Das Wort „Wirtschaft“ fällt nicht in
dem Text; stattdessen wertet der deutsche Papst den Élysée-Vertrag zwischen beiden
Nachbarländern vor fünfzig Jahren als wichtig für den Frieden. Der Friede sei „eine
bleibende Aufgabe, die immer wieder neu erfüllt werden muss“.
Das Grußwort
Benedikts gilt einer Konferenz an der Päpstlichen Universität Gregoriana zum Thema
„50 Jahre deutsch-französische Freundschaft im Dienste Europas: Die Europäische Union,
ein Modell für andere Versöhnungen?“ Sie wurde von der deutschen und der französischen
Botschaft beim Heiligen Stuhl ausgerichtet. Der Papst erinnert an „den persönlichen
Einsatz der Väter“ des Élysée- Vertrages, Charles de Gaulle und Konrad Adenauer: Sie
hätten „deutlich gemacht, dass Politik sich auf einer Basis gründet, die sie sich
nicht selber geben kann“. Wörtlich heißt es in der Botschaft: „Das vom Schöpfer in
das Herz des Menschen eingeschriebene natürliche Sittengesetz und die vom Evangelium
her geformten Werte und Menschenrechte bilden die Grundlage einer Politik, die wahrhaft
der Gerechtigkeit und dem Frieden, dem Fortschritt der ganzen Menschheitsfamilie dient.
Auf diesem Fundament muss auch in Zukunft Politik aufbauen.“ Die Grußadresse wurde
vom vatikanischen „Außenminister“, Erzbischof Dominique Mamberti, verlesen.
Der
EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier betonte bei der Konferenz: „Die Versöhnung
der Völker erfordert die Aussöhnung zwischen ihren Geschichtsversionen.“ Das geeinte
Europa sei ohne den deutsch-französischen Aussöhnungsprozess nicht denkbar. Die Saarländische
Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) war ebenfalls anwesend; sie hatte
am Donnerstag Morgen den Papst getroffen und betonte danach die geradezu schicksalhafte
Verflochtenheit des Saarlandes mit Frankreich:
„Das Bundesland, das auch
mit Blick auf den Anteil derer, die Französisch lernen, das französischste aller deutschen
Länder ist. Und das Bundesland, das in seiner eigenen Geschichte erlebt hat, wie um
diese Region mit ihren Bodenschätzen Kohle und Stahl zwischen Deutschland und Frankreich
Krieg geführt wurde. Die Schlachtfelder, die Gräber von jungen Franzosen und Deutschen
liegen im Saarland. Auf der anderen Seite hat das Saarland auch erlebt, wie segensreich
und positiv die europäische Aussöhnung und Einigung ist. Es kommt nicht von ungefähr,
dass einer der Väter dieser europäischen Grundarchitektur, nämlich Robert Schumann,
aus dieser Region kommt, nämlich aus dem benachbarten Luxemburg. Seine Ideen zur Einigung
Europas hat er übrigens das erste Mal beim Deutschen Katholikentag 1913 in Metz vorgestellt.“
Bei
der Begegnung mit dem Papst sei es vor allem um Europa-Fragen gegangen, erklärte die
saarländische Regierungschefin. Benedikt habe sich bei dem intensiven Gespräch „sehr
interessiert an der weiteren Entwicklung in Europa“ gezeigt. Er habe überdies ein
starkes Bewusstsein für die Nöte von Menschen gezeigt, die von Sparmaßnahmen in der
derzeitigen Krise betroffen seien.
Kramp-Karrenbauer, die Mitglied im Zentralkomitee
der deutschen Katholiken (ZdK) ist, würdigte den Papst als „Mann der klaren Positionen“,
mit denen sie nicht in allen Fragen übereinstimme. So gebe es etwa unterschiedliche
Auffassungen über die Stellung der Frau in der katholischen Kirche. Mit wohl argumentierten
Positionen zwinge Benedikt seine Gesprächspartner jedoch, „die eigene Komfort-Zone
zu verlassen“, und sich mit seinen Ansichten auseinanderzusetzen.