2013-02-03 09:40:19

Von der Weisheit der Schwäche: Papst-Predigt im Volltext


In einer Arbeitsübersetzung dokumentieren wir die Predigt des Papstes von diesem Samstag Abend. Im Petersdom feierte er die Heilige Messe zum Hochfest Darstellung des Herrn, dem Tag des geweihten Lebens. Der offizielle Wortlaut der Papstpredigt wird in Kürze vom deutschsprachigen Osservatore Romano sowie im Internet auf www.vatican.va veröffentlicht.


Liebe Brüder und Schwestern,

in seiner Erzählung über die Kindheit Jesu unterstreicht der hl. Lukas, wie sehr Maria und Joseph dem Gesetz des Herrn gefolgt sind. In tiefer Demut erfüllen sie alles, was das Gesetz nach der Geburt des männlichen Erstgeborenen vorschreibt. Es handelt sich um sehr alte Vorschriften: Eine betrifft die Mutter und die andere das neugeborene Kind. Für die Frau gilt das Gesetz, dass sie sich 40 Tage der rituellen Praktiken enthalte und anschließend ein zweifaches Opfer darbringt: das Brandopfer eines Lammes und einer Turteltaube oder Taube als Sühneopfer; wenn die Frau aber arm ist, kann sie auch zwei Turteltauben oder zwei Tauben opfern. Der heilige Lukas berichtet, dass Maria und Josef das Opfer der Armen darbrachten, um zu unterstreichen, dass Jesus in eine Familie einfacher,, bescheidener, aber sehr gläubiger Menschen hineingeboren wurde. Eine Familie, die jenen Armen Israels angehörte, die das wahre Volk Gottes bildeten. Für den Erstgeborenen, der nach dem Gesetz Moses Gott gehört, hingegen war vom Gesetz die Spende von fünf Schekeln vorgeschrieben, die man einem Priester, ganz gleich an welchen Ort, übergeben musste...

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass es für diese beiden Opferwerke – die Reinigung der Mutter und den Loskauf des Sohnes – nicht vorgeschrieben war, den Tempel zu besuchen. Maria und Josef hingegen wollten alles in Jerusalem vollbringen, und Lukas weist darauf hin, wie die ganze Szene gerade auf den Eintritt Jesu in den Tempel ausgerichtet ist. Und damit wird der Blickpunkt auf ein anderes Hauptereignis gelenkt, nämlich auf die Darstellung Jesu im Tempel Gottes. Der Sohn des Allerhöchsten wird dem Vater aufgeopfert, der ihn gesandt hat.

Diese Erzählung des Evangelisten trifft auf die Worte des Propheten Malachias, die wir am Anfang der Ersten Lesung gehört haben. „So sprach Gott der Herr: Ich sende einen Boten, der den Weg für mich bereitet und gleich wird der Herr, den ihr sucht, in seinen Tempel eintreten.Und der Engel des Bundes, den ihr erhofft, wird kommen….Er wird die Söhne des Levi reinigen, damit sie dem Herrn ein rechtes Opfer darbringen“. Klarerweise wird hier nicht von einem Kind gesprochen, und dennoch findet dieses Wort Erfüllung in Jesus, weil Er, Dank dem Glauben seiner Eltern, sogleich in den Tempel getragen wurde. Und bei der Darstellung, oder bei seiner persönlichen Darbringung, an Gottvater kommt das Thema des Opfers und des Priestertums, wie beim Propheten, klar zum Ausdruck. Das Jesukind, das unvermittelt in den Tempel getragen wird, ist derselbe Mensch, der einmal als Erwachsener den Tempel reinigen wird. Und vor allem wird er sich selbst zum Opfer und höchsten Priester des Neuen Bundes machen.

Dies ist auch der Inhalt des Briefes an die Hebräer, aus dem ein Abschnitt in der Zweiten Lesung vorgetragen wurde. Darin wird das Thema des neuen Priestertums bekräftigt: ein Priestertum – von Jesus eingeleitet – das existentiell ist: Gerade weil er auf die Probe gestellt wurde und persönlich gelitten hat, ist er imstande, jenen zu Hilfe zu kommen, die diese Prüfung überwinden müssen. Und somit finden wir hier auch das Thema des Leidens, das im Evangelientext sehr hervorgehoben wird: dort, wo Simeon seine Prophezeiung über die Mutter und das Kind ausspricht. „Er ist gekommen, damit viele in Israel zu Fall kommen und viele gerettet werden, und er wird ein Zeichen des Widerspruchs sein. Deine Seele aber wird ein Schwert durchbohren“. Die „Rettung“, die Jesus seinem Volk erweist und die er selbst in sich trägt, geht den Weg des Kreuzes und den des gewaltsamen Todes, den Er besiegen und in die Liebe umwandeln wird. Dieses Angebot ist bereits in der Geste der Darstellung im Tempel vorangekündigt, eine Geste, die sicherlich von der Tradition des Alten Bundes gekennzeichnet war, die aber von der Fülle des Glaubens und der Liebe beseelt ist , die der Fülle der Zeiten, der Gegenwart Gottes und seines Heiligen Geistes in Jesus vollkommen entsprechen. In der Tat schwebt über die gesamte Szene der Darstellung im Tempel der Heilige Geist, besonders über die Gestalt des Simeon, aber auch über Hanna. Es ist der Geist, der Trost bringt und die Schritte und das Herz jener lenkt, die diesen Trost erwarten. Es ist der Geist, der Simeon und der Hanna die prophetischen Worte eingibt, Worte des Segens, des Gotteslobes, des Glaubens, des Dankes, „weil endlich unsere Augen sehen“.

„Ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ - so beschreibt Simeon den Messias des Herrn am Ende seines Lobgesangs. Das Thema des Lichts ... ist in dieser Liturgie stark vorhanden. Sie ist von einer eindrucksvollen Prozession gekennzeichnet, bei der die Generaloberen und -oberinnen der Institute für das geweihte Leben die brennenden Kerzen tragen. Dieses spezifische Zeichen der liturgischen Tradition dieses Festes ist sehr ausdrucksvoll. Es zeigt die Schönheit und den Wert des geweihten Lebens wie einen Abglanz des Lichtes Christi auf. Ein Zeichen, das an den Eintritt Marias in den Tempel erinnert. Die Jungfrau Maria, die Geweihte per excellence, trug das Licht selbst in ihren Armen, das fleischgewordene Wort, das gekommen ist, die Finsternis der Welt durch die Liebe Gottes zu vertreiben.

Liebe geweihte Brüder und Schwestern, ihr alle seid hier in dieser symbolischen Pilgerreise anwesend, die im Jahr des Glaubens noch eindringlicher eure Verbundenheit mit der Kirche ausdrückt und euren Glauben und eure Hingabe an Gott stärkt. An jeden Einzelnen von Euch und an Eure Institute richte ich in großer Verbundenheit meine herzlichsten Grüße und danke Euch für Eure Teilnahme. Im Lichte Christi, mit den zahlreichen Charismen, die ein kontemplatives und apostolisches Leben in sich birgt, seid Ihr Mitarbeiter des Lebens und der Mission der Kirche in der Welt. In diesem Geist der Anerkennung und der Gemeinschaft möchte ich an euch drei Empfehlungen richten, auf dass ihr ganz eintreten könnt in jenes Tor des Glaubens, das Euch immer offen steht.

Ich lade Euch an erster Stelle dazu ein, Euren Glauben zu stärken, damit Eure Berufung erleuchtet werde. Ich empfehle Euch deshalb, Euch wie in einer inneren Pilgerreise zurückzuerinnern an eure „erste Liebe“, mit der der Herr Jesus Christus Euer Herz erwärmt hat - nicht aus Heimweh, sondern um jene Flamme weiter zu hüten. Dazu muss man mit Ihm in der Stille der Anbetung Zeit verbringen. Um dadurch den Willen und die Freude des gemeinsamen Lebens, die Wahl, den Gehorsam des Glaubens, die Seligkeit der Armut, die Radikalität der Liebe neu zu erwecken. Immer ausgehend von dieser Begegnung der Liebe, sollt ihr alles verlassen, um mit Ihm zu sein und euch wie Er dem Dienste Gottes und den Brüdern zu widmen.

Zweitens lade ich euch ein zu einem Glauben, der die Weisheit der Schwäche zu erkennen vermag. In den Freuden und Leiden der heutigen Zeit, wenn die Härte und das Gewicht des Kreuzes spürbar werden: Habt keinen Zweifel daran, dass die Kenosis [Selbstentäußerung, Anm. d. Red] Christi bereits österlicher Sieg ist. Gerade an den Grenzen und in der Schwachheit der Menschen sind wir gerufen, nach dem Beispiel Christi zu leben, in einer alles umfassenden Spannung, die, in der Begrenzung der Zeiten, die eschatologische Vollendung vorwegnimmt. In einer Gesellschaft der Effizienz und des Erfolgs wird Euer Leben gekennzeichnet von der „Kleinheit“ und der Schwäche der Kleinen, von der Empathie mit jenen, die keine Stimme besitzen, und wird zu einem evangelien-gemäßen Zeichen des Widerspruchs.

Schließlich lade ich Euch ein, den Glauben zu erneuern, der Euch Pilger zur Zukunft werden lässt. Das geweihte Leben ist von der Natur her eine Pilgerreise des Geistes, das Suchen eine Antlitzes, das sich manchmal zeigt, manchmal verbirgt: „Faciem tuam, Domine, requiram“. Dies sei der konstante Ansporn in Euren Herzen, das fundamentale Kriterium auf Eurem Weg, sei es in den kleinen Schritten des Alltags, sei es in den wichtigsten Entscheidungen. Folgt nicht den Propheten des Unglücks, die das Ende oder den mangelnden Wert des geweihten Lebens in der Kirche unserer Tage proklamieren. Zieht vielmehr die Kleider Jesu Christi an, wie der heilige Paulus sagt. Bleibt wach und wachsam!

Der heilige Cromatius von Aquileia schrieb: „Befreie uns, Herr, von dieser Gefahr, auf dass wir nie vom Schlafe der Untreue überlistet werden, schenk uns deine Gnade und Barmherzigkeit, auf dass wir stets unsere Treue zu Dir wachsam üben können. In der Tat, unsere Treue kann in Christus wachsam sein“.

Liebe Brüder und Schwestern, die Freude des geweihten Lebens führt notwendigerweise durch die Teilnahme des Kreuzesweges Christi. So war es auch für die heiligste Jungfrau Maria. Sie erlitt das Leiden des Herzens, das eins ist mit dem Herzen des Sohnes Gottes, durchbohrt von der Liebe. Aus dieser Wunde entspringe das Licht Gottes, und auch aus den Leiden, den Opfern der Selbstaufgabe , die die Geweihten aus Liebe zu Gott und den Nächsten bringen, entspringe dasselbe Licht, das die Menschen evangelisiert. In dieser Feier wünsche ich besonders Euch Geweihten, dass Euer Leben immer den Duft der evangelischen Parressie [Mut, Zuversicht, Anm. d. Red] trage, damit die gute Nachricht gelebt, bezeugt und verkündet werde und als Wort der Wahrheit leuchtet.

Amen.

(rv 02.02.2013 ap)








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