Russland: Orthodoxe und Katholiken rücken näher zusammen
Gemeinsame Probleme
lassen Katholiken und Orthodoxe in Russland näher zusammen rücken. Diesen Schluss
zieht der Direktor von Kirche in Not in England, Neville Kyrke-Smith, nach einer Russlandreise.
Kyrke-Smith war vor kurzem für Kirche in Not vor Ort, um sich über die Entwicklungen
im Verhältnis von Katholiken und Orthodoxen zu informieren.
„Einer der
Bischöfe, die ich dort traf, sagte mir, dass sie gegen Christianophobie zu kämpfen
hätten. Das bringt die Kirchen natürlich zueinander. Bischof Nazary vom Kloster St.Alexander
Nevsky Lavra in St. Petersburg erzählte mir von einem russischen Sprichwort: ‚je schlechter,
desto besser’. Er bezog das auf die gemeinsamen Herausforderungen wie Säkularismus,
Materialismus und den fundamentalistischen Islam, der sehr zunehme. Diese Probleme
sind für Katholiken wie für orthodoxe Christen große Herausforderungen. Ich denke,
da gibt es viel Raum für Diskussionen und Gespräche zwischen Katholiken und Orthodoxen.“
Bei
seiner Reise durch Russland hätten viele Orthodoxe Kyrke-Smith dafür gedankt, dass
katholische Hilfswerke, wie etwa Kirche in Not, auch die Orthodoxen unterstützten.
Für Kyrke-Smith ist das selbstverständlich:
„Ich denke, da kommen wir wieder
auf die Botschaft der Päpste Johannes Paul II und Benedikt XVI. zurück: ‚Wir müssen
einen Dialog der Nächstenliebe aufbauen’. Daran ist auch Kirche in Not beteiligt.
Wir haben dabei festgestellt, dass es außerhalb von Moskau und St. Petersburg einfacher
ist, mit Orthodoxen zusammen zu arbeiten und sich zu verständigen.“
Die
gemeinsamen Probleme schweißen Katholiken und Orthodoxe eng zusammen, so Kyrke-Smith.
Der Leiter von Kirche in Not in England erklärte, vor allem im Norden des Landes sorge
der zunehmende islamistisch geprägte Fundamentalismus für Angst. Einige Bischöfe aus
dem Nordkaukasus hätten ihm berichtet, dass Christen deshalb bereits diese Gebiete
verlassen hätten:
„Ich möchte noch einmal Papst Benedikt XVI. zitieren,
er sagt, religiöser Fundamentalismus ist ein Irrweg der Religion, es ist keine wahre
Form der Religion. Die Politisierung und Radikalisierung der Religion, die wir in
einigen Teilen Russlands gesehen haben, in der Vergangenheit besonders im Norden,
das hat wirklich Angst entfacht.“
Auch zu einem anderen Thema hat sich
Kyrke-Smith ein Bild gemacht bei seiner Russland-Reise: Der Beziehung von Kirche und
Staat.
„Zum orthodoxen Weihnachtsfest sagte Präsident Putin, er lobe die
Sozialarbeit der orthodoxen Kirche und anderer Kirchen. Er sprach in diesem Zusammenhang
auch von interreligiösem Dialog. Das ist natürlich sehr ermutigend. Ich glaube manchmal,
wir hier im Westen verstehen nicht, dass Russland das Bedürfnis nach einem starken
Führer hat. Die Beziehung zwischen Staat und Kirche ist in Russland manchmal aber
ein bisschen zu eng. Das kann zu Missverständnissen und Problemen führen.“
Es
sei auch schwierig, das Verhältnis von Kirche und Staat in Russland vom Westen aus
beurteilen zu wollen, erklärte Kyrke-Smith, der Direktor von Kirche in Not in England.
Man müsse dabei immer bedenken, dass Russland seine eigene Geschichte habe.
Die
russisch-orthodoxe Kirche ist die größte orthodoxe Nationalkirche weltweit. Ihr gehören
mit 150 Millionen Mitgliedern mehr als die Hälfte der weltweit rund 250 Millionen
orthodoxen Christen an. Allein in Russland bekennen sich laut einer Umfrage vom November
fast drei Viertel der Bevölkerung zur Orthodoxie - etwa 106 Millionen Menschen. Fast
alle übrigen ehemaligen Sowjetrepubliken zählt das Moskauer Patriarchat ebenfalls
zu seinem kanonischen Territorium.