Die Lager sind gespalten,
denn zwei unterschiedliche Vorstellungen dessen, was Familie und Ehe bedeutet, prallen
in der Pariser Assemblée Nationale aufeinander. Justizministerin Christiane Taubira
verteidigte zu Beginn des Debatten-Marathons den Gesetzesentwurf im Auftrag der sozialistischen
Regierung. Die bürgerliche Opposition im Parlament betont hingegen, dass eine Gleichstellung
von Ehe und gleichgeschlechtlicher Partnerschaft sowie die Adoption von Kindern bei
solchen Paaren gegen die Natur sei. Schon seit Wochen äußern Kirchenvertreter Kritik
am geplanten Gesetz; Massendemonstrationen, die verschiedenste gesellschaftliche Gruppen
zusammenbrachten, zogen durch die Hauptstadt. Kein Thema spaltet derzeit in ähnlicher
Weise die französische Öffentlichkeit, die Präsident Hollande doch eigentlich zusammenführen
wollte.
Der konservative Abgeordnete Henri Guaino, Berater des früheren Präsidenten
Sarkozy, verteidigte die Massenproteste, die in den letzten Wochen nicht nur in Paris
stattfanden. Im Parlament sagte Guaino:
„Man sagte voraus, dass diese Proteste
eskalieren würden. Das ist aber nicht geschehen! Diesen bescheidenen und würdigen
Franzosen, die nur Respekt verlangen und die Achtung der Demokratie, antworten wir
hier im Parlament mit zwei furchtbaren Worten: Seid still! Wer kann sowas glauben?“
Hollande
ließ seine Linie in der Assemblée Nationale von Justizministerin Taubira verteidigen,
die aus dem Übersee-Département Guyana stammt. Sie setzt sich dafür ein, dass gleichgeschlechtliche
Paare nicht nur heiraten und Kinder adoptieren, sondern auch künstliche Befruchtung
nutzen dürfen. Entsprechende Gesetzesentwürfe, die im Ehe-für-alle-Gesetzespaket noch
nicht enthalten sind, will sie in den nächsten Monaten nachreichen. Es gehe hier um
Kohärenz, so Taubira.
„Ich bleibe dabei, dass man durchaus klare Worte wie
„Seid still!“ in Richtung Opposition sagen darf, um eigene Gefühle auszudrücken. Es
ist im übrigen heuchlerisch, jenen Familien Vorwürfe zu machen, nur weil die Eltern
homosexuell sind. Deshalb sprechen wir Klartext!“
Engagiert fügte Taubira
an, weshalb sie sich für mehr Rechte für Homosexuelle einsetze.
„Mit diesem
Gesetz, bei dem gleichgeschlechtliche Paare auch Kinder adoptieren, aber vor allem
heiraten dürften, möchte die Regierung den Homosexuellen die Möglichkeit geben, in
diese wunderbare Institution eintreten zu dürfen, die wir Familie nennen.“
Oppositionspolitiker
Guaino ist ein strikter Gegner der sogenannten Homo-Ehe. Er hat u.a. ein Pamphlet
dagegen verfasst, in dem er eine Volksabstimmung über dieses Thema fordert. Für ein
Referendum hat sich unlängst auch Kardinal Barbarin von Lyon eingesetzt. Die Oppositionspartei
UMP, die Sarkozys Niederlage bei den Präsidentenwahlen noch nicht verdaut hat, findet
am Thema Ehe für alle, einem Wahlversprechen Hollandes, erstmals wieder zu
politischer Schlagkraft. Guaino sagte bei der Parlamentsdebatte:
„Frankreich
ist eine parlamentarische Demokratie. Doch bei wichtigen Themen ist eine Volksbefragung
durch ein Referendum politisch und moralisch unumgänglich. Wir vertreten das Volk,
und zwar das gesamte!“
Die Diskussion im Parlament geht immer weiter -
und zwar im gleichen emotionalen Stil wie bisher.