Über den Dächern von
Rom, nur ein paar Schritte von der berühmten Spanischen Treppe entfernt, ziert ein
neues Schmuckstück der Architektur die Ewige Stadt: der neue Bau der Bibliotheca Hertziana,
dem Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom. Von außen nicht zu erkennen, entfaltet
sich hinter einer hell getünchten Renaissancefassade die größte Kunstgeschichtliche
Bibliothek der Stadt. Sie eröffnet am Donnerstag, nach zehnjähriger Bauzeit, ihre
Pforten für das Fachpublikum.
Die Direktorin der Bibliothek, Elisabeth Kieven,
erzählt im Interview mit Radio Vatikan von der aufregenden Baugeschichte und auch
von den Verbindungen zum Vatikan.
Mitte der 90er Jahre musste der alte Bibliotheksbau
aus den 60er Jahren abgerissen werden, doch ein Neubau ist in Rom schwierig. Überreste
der Antike verhindern erfolgreich den Fortbau der U-Bahn, und es ist fast unmöglich
eine Baugenehmigung zu bekommen. Mit viel Glück gestattete der damalige Bürgermeister
Roms, Francesco Rutelli, aber das Projekt. Elisabeth Kieven erinnert sich:
"Es
war schon ein Abenteuer, denn es mussten die beiden Außenfassaden der Bibliothek zur
Via Sistina und zur Via Gregoriana stehen bleiben; wir konnten nicht tiefer gehen,
als wir vorher schon waren, also über zwei Kellergeschosse ging es nicht hinaus, weil
unter uns die archäologische Zone der Villa des Lukull ist, und wir konnten nicht
höher hinaus, weil das der Bebauungsplan verbietet. Dann kam das große Problem, wie
fundamentiert man über einer archäologischen Zone, die eigentlich nicht gestört werden
darf?"
Die Lösung: Auf zwei gegenüberliegenden Seiten des Grundstücks sind
rund 180 Mikropfähle bis zu 50 Meter tief eingelassen worden. Diese halten ein Trägergeschoss.
Auf diesem ruhen alle darüberliegenden Geschosse. So konnte der Raum darunter frei
bleiben.
"Das heißt, wir konnten gleichzeitig bauen und die archäologischen
Grabungen unten durchführen. Weil das zweite Kellergeschoss erst nach Abschluss der
archäologischen Grabungen angehängt worden ist. Also, in gewisser Weise schweben wir
hier über dem römischen antiken Untergrund."
Es schweben auch die Hunderttausenden
Bücher, denn in erster Linie ist die Bibliotheca Hertziana ein geisteswissenschaftliches
Forschungsinstitut. Sie ging 1912 aus einer Stiftung der deutschen Mäzenin Henriette
Hertz an die damalige Kaiser Wilhelm Gesellschaft hervor, daher Bibliotheca Hertziana.
Heute beherbergt sie 800.000 Photos und 300.000 Bücher. Damit ist sie in Rom die größte
kunsthistorische Bibliothek zu der Kunst Italiens, und auch weltweit eine der renommiertesten.
Kieven selbst ist Mitglied des Päpstliches Komitees für Geschichtswissenschaften,
aber auch die Bibliothek pflegt enge Beziehungen zum Heiligen Stuhl:
"Die
Bibliotheca Hertziana hat immer sehr gute Beziehungen zum Vatikan unterhalten, natürlich
zur Bibliotheka Apostolica Vaticana, zum Geheimarchiv. Das sind ja für uns auch wunderbare
und ganz wichtige Orte der Forschung. Ich möchte daran erinnern, dass unser erster
Direktor Ernst Steinemann eine wunderbare Publikation zur Capella Sistina veröffentlicht
hat, die auch zum ersten Mal eine komplette photographische Dokumentation der Capella
Sistina erhielt. Er hat ein Exemplar seiner Publikation damals persönlich Papst Leo
XIII. überreicht, und zwar im Auftrag von Kaiser Wilhelm II., denn der Deutsche Reichstag
hat damals diese Publikation mit 70.000 Reichsmark unterstützt."
Für Elisabeth
Kieven kann die fundamentale Bedeutung der Päpste für die kunstgeschichtliche Entwicklung
der Stadt Rom kaum genug gewürdigt werden.
"Wir haben immer wieder natürlich
auch mit den Vatikanischen Museen sehr gute Kontakte, denn was die Päpste als Auftragsgeber
hinterlassen haben, ist ja ein ungeheures Kulturerbe auf so hohem Niveau, das gehört
zum Besten, was es überhaupt gibt, und ist für uns natürlich ein wunderbares Arbeitsfeld.
Das muss man ja auch sagen: Rom ist für Kunsthistoriker aufgrund der Tätigkeit der
Päpste das schönste Ziel, das man sich für seine Arbeit überhaupt denken kann."
Die
Bibliothek ist nicht frei zugänglich, denn sie soll ja in erster Linie ein Ort des
Studiums sein. Elisabeth Kieven plant aber geführte Besichtigungstouren.