Siesuchen
Arbeit und einen Job in Israel, doch stattdessen werden auf dem Weg dorthin Frauen
vergewaltigt und Männer malträtiert – das ist die Realität vieler eritreischer Flüchtlinge
im Sinai. Comboni-Schwester Azezet Kidane kennt diese Schicksale, denn sie steht schon
seit Jahren an der Seite dieser Menschen. In einer Klinik in Jaffa, in Israel, kümmert
sie sich um die afrikanischen Flüchtlinge, von denen die meisten Christen sind. Für
ihren Einsatz wurde die Comboni-Schwester, die selbst aus Eritrea stammt, im Jahr
2012 sogar vom Außenministerium der Vereinigten Staaten als „Heldin im Kampf gegen
Menschenhandel“ ausgezeichnet. Im Gespräch mit dem „Franciscan Media Center“ berichtet
sie:
„Es sind etwa 45.000 Christen unter den Flüchtlingen, wenige sind
Muslime aus Darfur, die andren sind alle Christen. Ich gehe drei Mal pro Woche in
das Flüchtlingslager für Frauen und telefoniere jeden Tag mit ihnen – tagsüber genauso
wie nachts. Wenn Sie Hilfe brauchen, rufen Sie mich an. Auch grade eben wieder haben
sich drei bis vier Leute bei mir gemeldet.“
Was sie der Schwester anvertrauen,
sind Geschichten voller Gewalt und Leid: Im Sinai werden Flüchtlinge von Menschenhändlern
gefoltert, entführt, vergewaltigt und teilweise sogar getötet, wie Menschrechtsorganisationen
berichten. Werden die Entführten nicht frei gekauft, drohen die Beduinen mit der Entnahme
von Organen, die sie dann weiterverkaufen.
„Ihre Glaubensstärke ist unglaublich
groß: Trotz all des Leids, dass sie durchgemacht haben, trotz all der hoffnungslosen
Situationen und der Scham, die sie erlebt haben – zum Beispiel durch sexuelle Gewalt-;
sie sagen: Der Herr war immer bei mir. Der Glaube begleitet sie durch alles.“
In
der Klinik versorgt Schwester Azezet die Flüchtlinge und setzt sich mit all ihrer
Kraft dafür ein, ihnen zu helfen. Eine Lebensgeschichte hat sie dabei besonders berührt:
„Eine Frau, die vergewaltigt wurde, sie heißt Gennet, kam zu uns. Sie hat
das Kind bekommen und es Emanuele getauft. Dazu erklärte sie: ‚Dieses Kind ist ein
Geschenk Gottes.’ Gennet war nicht wütend auf das Kind, sondern sie nahm es als Geschenk
Gottes an. Das ist für mich ein Weg des Glaubens.“
Unvorstellbares
Leid
Oft bleibt es übrigens nicht bei der Drohung, den Flüchtlingen
Organe zu entnehmen – Menschenrechtler hatten in einer Leichenhalle des Hospitals
von Al Arish, der Provinzhauptstadt im Norden des Sinais, Verstorbene aufgefunden,
deren Körper in der Mitte oder an der Seite aufgeschnitten und mit großen Stichen
wieder zugenäht worden waren – alle verwertbaren Organe, sogar die Augenlinsen, waren
entfernt worden. Ägypten scheint nach Kenntnissen der Weltgesundheitsorganisation
WHO die regionale Drehscheibe des makabren Geschäfts zu sein, von dem die Schwächsten
der Gesellschaft betroffen sind. Zahlreiche Reportagen über das Thema haben die Problematik
mittlerweile auch im öffentlichen Bewusstsein ankommen lassen - Der Menschrechenrechtsausschuss
des deutschen Bundestag will sich nun am kommenden 20. Februar mit dem Thema beschäftigen.
(rv/Franciscan
Media Center/Tagesspiegel 30.01.2013 sta)