Vesper zum Ende der Gebetswoche: Die Predigt des Papstes
Wir dokumentieren in einer Arbeitsübersetzung die Predigt von Papst Benedikt XVI.
bei der Vesper zum Hochfest Bekehrung des Apostels Paulus, mit der die Gebetswoche
zur Einheit der Christen beendet wurde.
Liebe Schwestern und Brüder,
Es
ist immer eine besondere Gnade, sich am Grab des Apostels Paulus wieder zu treffen,
um die Gebetswoche zur Einheit der Christen zu beschließen. Ich grüße herzlich die
hier versammelten Kardinäle, vor allem den Erzpriester dieser Basilika Kardinal Harvey,
und mit ihm den Abt der Mönchsgemeinschaft, bei denen wir zu Gast sind. Ich grüße
Kardinal Koch, den Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der
Christen, und alle Mitarbeiter des Dikasteriums. Ich richte meine herzlichen und brüderlichen
Grüße an seine Eminenz Metropolit Gennaios, den Repräsentanten des Ökumenischen Patriarchen,
und an den verehrten Kanoniker Richardson, den persönlichen Vertreter des Erzbischofs
von Canterbury, und an alle Vertreter der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften,
die an diesem Abend hier zusammen gekommen sind.
Außerdem freut es mich besonders,
die Mitglieder der Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen
und den altorientalischen Kirchen begrüßen zu können; ich wünsche ihnen eine fruchtbare
Arbeit bei ihrem Treffen, dass in diesen Tagen hier in Rom stattfindet. Genauso grüße
ich die Studierenden des Ökumenischen Instituts von Bossey, die nach Rom gekommen
sind, um ihre Kenntnisse der katholischen Kirche zu vertiefen, und die die jungen
orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Studenten hier in Rom.
Schließlich grüße
ich alle, die zum Gebet für die Einheit aller Jünger Christi hierhergekommen sind.
Diese
Feier findet im Kontext des Jahres des Glaubens statt, das am vergangenen 11. Oktober
begonnen hat, dem 50. Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die
Gemeinschaft im selben Glauben ist die Basis für die Ökumene. Die Einheit ist ein
Geschenk Gottes, das untrennbar mit dem Glauben verbunden ist. Wie es der heilige
Paulus treffend ausdrückt: „ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch
eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und
Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4: 4-6). Das Bekenntnis
unseres Taufglaubens in Gott, Vater und Schöpfer, der sich in seinem Sohn Jesus Christus
offenbart hat und den lebendig und heilig machenden Geist ausgegossen hat, eint die
Christen schon jetzt. Ohne den Glauben - der vor allem ein Geschenk Gottes ist, aber
dann auch Antwort des Menschen - wird die gesamte ökumenische Bewegung zu einer Art
,Vertrag‘, um einem gemeinsamen Interesse nach zu gehen. Das Zweite Vatikanische Konzil
erinnert uns: „Je inniger die Gemeinschaft ist, die sie mit dem Vater, dem Wort und
dem Geist vereint, um so inniger und leichter werden sie imstande sein, die gegenseitige
Brüderlichkeit zu vertiefen“ (Unitatis Redintegratio, 7).
Die Lehrfragen, die
uns immer noch voneinander trennen, dürfen nicht missachtet oder heruntergespielt
werden. Stattdessen müssen sie mit Mut und in einem Geist der Brüderlichkeit und des
gegenseitigen Respektes angegangen werden. Der Dialog, wenn er den Vorrang des Glaubens
widerspiegelt, erlaubt, sich dem Handeln Gottes mit der festen Zuversicht zu öffnen,
dass wir alleine die Einheit nicht schaffen können, sondern dass es der Heilige Geist
ist, der uns in die volle Gemeinschaft führt. Er erlaubt auch, den geistlichen Reichtum
zu begreifen, der uns durch die verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften
gegeben ist.
In der aktuellen Gesellschaft scheint die christliche Botschaft
immer weniger das persönliche und gemeinschaftliche Leben zu prägen. Das bedeutet
eine Herausforderung für alle Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. Die Einheit
ist in sich selbst ein privilegiertes Mittel, sozusagen eine Voraussetzung, um auf
immer glaubwürdigere Weise denen den Glauben zu verkünden, die den Erlöser noch nicht
kennen, oder die, nachdem sie die Verkündigung gehört haben, dieses kostbare Geschenk
vergessen haben. Der Skandal der Teilung, der die verkündende Aktivität beschädigt,
war der Impuls, der zur ökumenischen Bewegung geführt hat, wie wir sie jetzt kennen.
Die volle sichtbare Gemeinschaft zwischen den Christen sehen wir als eine grundlegende
Eigenschaft für ein noch klareres Zeugnis. Während wir auf dem Weg zur volleren Einheit
sind, ist es notwendig, auch eine konkrete Zusammenarbeit zwischen den Christen zu
verfolgen, um der Welt den Glauben verkünden zu können. Wir brauchen heute die Versöhnung,
den Dialog und das gegenseitige Verständnis, und das in einer nicht moralischen Sichtweise,
sondern im Namen der christlichen Authentizität für eine noch energischeren Präsenz
in unserer Wirklichkeit.
Der wahre Glaube an Gott ist darüber hinaus untrennbar
mit der persönlichen Heiligkeit verbunden, wie auch mit der Suche nach Gerechtigkeit.
Während der heute zu Ende gehenden Gebetswoche für die Einheit der Christen war unser
Thema „Mit Gott gehen“, inspiriert vom Propheten Micha (6: 6-8), dessen Worte wir
gehört haben. Das Thema wurde uns von der Gemeinschaft Christlicher Studenten in Indien
vorgeschlagen, in Gemeinschaft mit der Föderation der katholischen Universitäten Indiens
und dem nationalen Rat der Kirchen Indiens; diese haben gemeinsam auch die Hilfen
für die Reflexion und das Gebet erstellt. Allen Mitarbeitern drücke ich meinen Dank
aus und versichere von Herzen mein Gebet allen Christen Indiens, die ihr Glaubenszeugnis
in schwierigen Zeiten ablegen müssen.
„Demütig mit Gott gehen“ bedeutet vor
allem wie Abraham in der Radikalität des Glaubens unterwegs zu sein, sich Gott anzuvertrauen
und alle Hoffnung und alle Wünsche auf Ihn zu richten. Aber es bedeutet auch, die
Barrieren zu überwinden, den Hass, den Rassismus und die soziale und religiöse Diskriminierung,
welche die Gesellschaft beschädigen. Wie der heilige Paulus es sagt: Die Christen
müssen als erstes ein leuchtendes Beispiel der Suche nach Versöhnung und der Gemeinschaft
in Christus sein, die alle Arten der Trennung überwindet. Im Brief an die Galater
schreibt der Apostel: „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus
(als Gewand) angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie,
nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ,einer‘ in Christus Jesus“ (3: 27-28).
Unsere
Suche nach der Einheit in Wahrheit und Liebe darf auch nie aus dem Blick verlieren,
dass die Einheit der Christen Werk und Geschenk des Heiligen Geistes ist und über
unsere Kräfte hinaus geht. Deswegen ist die geistliche Ökumene und vor allem das Gebet
das Herz aller ökumenischen Anstrengungen (Unitatis Reintegration, 8). Die Ökumene
wird keine bleibenden Früchte tragen, wenn sie nicht von konkreten Gesten der Bekehrung
begleitet wird, die die Gewissen bewegen und die Heilung des Gedächtnisses und der
Beziehungen bewirken. Wie das Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über die
Ökumene sagt: „Es gibt keine echte Ökumene ohne innere Bekehrung“ (Nr. 7). Eine authentische
Bekehrung, wie sie vom Propheten Micha angemahnt wird und derer der Apostel Paulus
ein bedeutendes Beispiel ist, führt uns näher zu Gott und näher an das Zentrum unseres
Lebens, und zwar so, dass wir uns ebenfalls einander immer mehr annähern. Dies ist
ein grundlegendes Element unserer ökumenischen Anstrengungen. Die Erneuerung des inneren
Lebens, unseres Herzens und unseres Sinns, über die wir jeden Tag reflektieren, ist
ausschlaggebend für jeden Dialog und jeden Weg der Versöhnung. Sie macht die Ökumene
zu einem gegenseitigen Unternehmen der Verständigung, des Respektes und der Liebe,
„damit die Welt glaubt“ (Joh 17:21).
Liebe Schwestern und Brüder, rufen wir
mit Zuversicht die Jungfrau Maria an, das unvergleichbare Modell der Verkündigung,
damit die Kirche, Zeichen und Werkzeug der Einheit mit Gott und der Einheit der ganzen
Menschheit (Lumen Gentium 1), offen den Erlöser Christus verkündigt, und das auch
in unserer Zeit. Amen