2013-01-26 08:54:53

Die Betrachtung zum Sonntag


RealAudioMP3 Ein Gnadenjahr des Herrn: Eine zuverlässige Basis für mein Leben ist und bleibt der Glaube nur dann, wenn ich mich immer wieder neu um eine lebendige Beziehung zu Christus bemühe, wenn ich neugierig bleibe auf das, was er mir zu sagen hat, wenn ich immer weiter von ihm lernen will, wie leben geht, wenn mir seine Freundschaft wichtig ist. Die Begegnung mit Jesus Christus in den Worten der Evangelien ist für all das unerlässlich.

Aus dem Lukasevangelium 1:1-4; 4:14-21

Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren.
Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.
Jesus kehrte, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück. Und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend. Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen gepriesen.
So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um aus der Schrift vorzulesen, reichte man ihm das Buch des Propheten Jesaja. Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt: Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.
Dann schloss er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet.
Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.



Die Betrachtung zum Sonntag spricht Veronika Prüller-Jagenteufel, Erzbistum Wien.

Heute – ein Gnadenjahr – für dich; dreimal bleibe ich im Evangelientext hängen.
„Für dich“ heißt es da: Das Lukasevangelium beginnt mit einer persönlichen Widmung. „Für Dich Theophilus“, sagt der Evangelist, habe er sich entschlossen, die Geschichte von Jesus Christus aufzuschreiben. Theophilus heißt auf Deutsch „Gottesfreund“. In einem anderen Evangelium, bei Johannes, heißt es von Jesus, dass er keine Knechte um sich versammelt hat, sondern Freunde. „Freundschaft mit Jesus“ ist eine mögliche Kurzformel, um zu beschreiben, worum es geht, wenn sich jemand auf den christlichen Glauben einlässt.

Die Widmung des Evangeliums an einen Theophilus, einen Freund Gottes, ist somit eine Zueignung zu jedem und jeder, die sich vertieft auf den Weg des Glaubens machen will. Ich darf dieses „für Dich“ also direkt auf mich selbst beziehen: für mich ist das Evangelium aufgeschrieben, damit ich Jesus besser kennen lernen kann und damit auch ich – wie es im Text heißt – mich davon überzeugen kann, dass die Lehre, in der ich unterrichtet wurde, zuverlässig ist. Mitgesagt ist hier wohl auch, dass es für den persönlichen Glauben nicht genügt, die christliche Lehre, das theologische Gedankengebäude des Christentums zu kennen. Das ist zwar durchaus wichtig und unter Umständen sehr hilfreich, aber es genügt nicht, um Glauben als Lebenshaltung des Vertrauens auf Gott in Jesus Christus zum Tragen zu bringen. Eine zuverlässige Basis für mein Leben ist und bleibt der Glaube nur dann, wenn ich mich immer wieder neu um eine lebendige Beziehung zu Christus bemühe, wenn ich neugierig bleibe auf das, was er mir zu sagen hat, wenn ich immer weiter von ihm lernen will, wie leben geht, wenn mir seine Freundschaft wichtig ist. Die Begegnung mit Jesus Christus in den Worten der Evangelien ist für all das unerlässlich. Damit das, was andere mir vom Christsein erzählen, zum verlässlichen Fundament für mein Leben wird, muss ich mich selbst aufmachen und Jesus begegnen, auch im Wort der Schrift, das aufgeschrieben ist für mich.

Von einem „Gnadenjahr“ ist die Rede: Jesus fasst bei seinem ersten großen öffentlichen Auftritt in seiner Heimatstadt seine Sendung mit Worten des Propheten Jesaja zusammen: vom Geist Gottes weiß er sich gesandt, die Armen zu ermutigen, die Gefangenen zu befreien, die Blinden zu heilen, den Zerschlagenen Freiheit zu bringen: ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen. – Meine Gedanken wandern zu 2013. Dieses Jahr ist noch jung, fast noch ein neues Jahr. Was wird es bringen? Schönes, Schweres? Oft kommt beim Schauen in die Zukunft zuerst das Mühsame und Sorgenvolle in den Blick, beruflich wie privat, und weltweit ist sowieso nach wie vor Krise angesagt. Kann 2013 dennoch ein Gnadenjahr werden? – Der Prophet Jesaja spielt mit diesem Wort auf die Vision an, dass unter den Augen Gottes die sozialen Beziehungen in Ordnung kommen: Schulden werden erlassen und Gefängnisstrafen aufgehoben und alle dürfen neu anfangen, auch die Kranken und die, die ganz unten in der gesellschaftlichen Rangfolge stehen. Trau ich Christus eigentlich zu, dass er diesen neuen Anfang schafft, dass mit ihm ein neuer Anfang möglich ist – auch für mich, auch für unsere krisengeschüttelte Welt, auch 2013? Wo und wann könnte ich davon schon etwas sehen?

„Heute“ hat es geheißen: „Heute hat sich das Schriftwort erfüllt“, sagt Jesus selbstbewusst nach der Jesaja-Lesung. „Heute wurde euch in der Stadt Davids der Retter geboren“, sagen die Engel den Hirten auf den Feldern bei Betlehem. „Heute“ und nicht „es war einmal“ ist DIE biblische Zeitangabe. Das Evangelium ist kein erbauliches Märchenbuch mit mehr oder weniger belanglosen Geschichten aus lang vergangener Zeit. Das, was da erzählt wird, bzw. der, von dem da berichtet wird, beansprucht immer noch heute Geltung und Wirksamkeit. Gott wird Mensch – dieser neue Anfang, den Jesus Christus setzt, ist gnadenvolle Wirklichkeit auch für mich hier und heute. Das ist zuverlässig aufgeschrieben für alle, die Gottes Freundschaft suchen.

(rv 26.01.2013 ord)








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