Eigentlich sah alles
nach einer neuen Eiszeit zwischen Vatikan und Piusbrüdern aus: Die Weigerung der schismatisch
orientierten Bewegung, ein Bekenntnis zum Zweiten Vatikanischen Konzil zu unterzeichnen,
hatte letztes Jahr zum Ende ihrer Gespräche mit der Glaubenskongregation geführt.
Doch jetzt wird ein Brief eines Vatikan-Erzbischofs an die Piusbrüder vom letzten
Advent bekannt: Er wirbt auf eigene Initiative um die Lefebvre-Anhänger; der Papst
wolle ein Ende der Spaltung.
Erzbischof Joseph Augustine Di Noia ist Vizepräsident
der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei: Das Gremium bemüht sich im Auftrag des Papstes
um die Rückkehr der Piusbrüder in die katholische Kirche. In seinem nicht-offiziellen
Brief schreibt Di Noia: „Papst Benedikt XVI. wünscht sich sehr eine Überwindung der
internen Spannungen in der Kirche und in Ihrer Bruderschaft.“ Allerdings hätten Erklärungen
ranghoher Piusbrüder in jüngster Zeit „sowohl im Ton wie in ihrem Inhalt Zweifel an
der Möglichkeit einer Versöhnung“ geweckt. Wenn es zwischen beiden Seiten nicht nur
bei einem „höflichen Austausch ohne Hoffnung oder Ergebnis“ bleiben solle, müsse ein
„neues Element“ her, so der Vatikanmann.
Di Noia besteht auf der Notwendigkeit,
die Einheit der Kirche zu wahren. Zwar sei „wahre Einheit“ vor allem „eine Gabe des
Heiligen Geistes“, doch das spreche die Menschen nicht davon frei, alles in ihrer
Macht Stehende für die Einheit zu tun. Es gehe darum, der Position des jeweils anderen,
auch wenn man sie nicht teile, „einen Wert zuzusprechen“ und sie „offen und in gutem
Glauben“ zu untersuchen. Der Vatikan verlange keineswegs von der Piusbruderschaft,
auf ihr Ursprungscharisma der Priesterausbildung zu verzichten. Allerdings stehe es
den Piusbrüdern auch nicht zu, „die Theologie oder Disziplin anderer in der Kirche
zu beurteilen“, vielmehr obliege das allein dem Papst.
„Würde eine unmittelbare
und vollständige kirchliche Versöhnung in diesem Moment auch ein Ende der Verdächtigungen
und des Misstrauens auf beiden Seiten bedeuten?“ Das fragt sich Erzbischof Di Noia
ohne Umschweife – um selbst zu antworten: „Das wäre wohl nicht so einfach.“ Offenbar
müssten erst einmal beiderseits „unsere Seelen gereinigt werden von der Bitterkeit
und dem Ressentiment“. Dennoch: Das Ziel bleibe „die Versöhnung und die Heilung durch
Gottes Gnade“. Die „einzig denkbare Zukunft“ für die Priesterbruderschaft Pius X.
liege „auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl, zur Akzeptanz eines
umfassenden Glaubensbekenntnisses ohne Bedingungen und zu einem wohlgeordneten sakramentalen,
kirchlichen und seelsorglichen Leben“. Der Brief des Vatikan-Erzbischofs ist auf Französisch
und Englisch in voller Länge im Internet nachzulesen.