2013-01-19 13:30:23

D: „Reformation war keine Zeit der Toleranz“


Der Leiter der Europäischen Melanchthon-Akademie in Bretten, Günter Frank, warnt vor einer Verklärung des evangelischen Reformators Martin Luther. Die Reformation sei keine Zeit der Toleranz gewesen, sondern „im Gegenteil eine Zeit der Intoleranz“. Das sagte Frank am Freitag in einem Interview mit dem Internetauftritt katholisch.de. Man müsse „einfach nüchtern historisch feststellen, dass Luther im Umgang mit den Andersgläubigen, also den römischen Christen, den Juden und Moslems nicht tolerant war“. Allenfalls lasse sich sagen, dass es in der breiten Reformationsbewegung des 16. Jahrhunderts insgesamt „einige Bausteine für Toleranz“ gegeben habe. „Und dann kann man sagen“, so Frank wörtlich, „dass Reformation ein Katalysator für das war, was in der Folgezeit zu dem geführt hat, was wir heute als Toleranz bezeichnen“.
Seiner Melanchthon-Akademie gehe es „darum, etwas von der Fixierung auf Wittenberg und Luther wegzukommen“. „Wenn man auf die Reformation als Gesamtereignis in ihrer weltgeschichtlichen Entwicklung sieht, kommt man auch auf das Verhältnis Philipp Melanchthons zu den Türken und Juden, das signifikant anders war als das Luthers. Im jüdisch-kulturellen Gedächtnis ist er auch präsent, von ihm sind keine antijüdischen Schriften überliefert, sondern sein Eintreten gegen ein Juden-Pogrom in Brandenburg wird von jüdischer Seite bis heute hoch geschätzt.“ Es gebe bei Melanchthon auch „überraschende Äußerungen über den Islam“: Er würdige die Muslime, „weil sie frommer seien als die Christen und keinen Aberglauben hätten“.
Frank erklärte, sein Wunsch sei es, „dass man die Verbindung von Reformation und Toleranz wirklich als Aufgabe und Auftrag für die Kirchen begreift. Dass man sich nicht historisch selbstgefällig zurücklehnt und sagt, dass die Reformation eine Zeit der Toleranz gewesen sei.“ Günter Frank ist katholischer Theologe und Philosoph. Seit 1998 leitet er die Melanchthon-Akademie in Bretten, der Geburtsstadt des Humanisten und Reformators. Zusätzlich lehrt er seit 2001 als Privatdozent für Philosophie an der Freien Universität in Berlin.

(katholisch.de 19.01.2013 sk)








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