Der braunschweigische evangelische Landesbischof Friedrich Weber hält es für „undenkbar“,
dass die katholische Kirche eine eigene Struktur für übergetretene Lutheraner schafft,
wie es das schon für katholisch werdende Anglikaner gibt. Für ein konfessionelles
Mischwerk, wie es ein lutherisches Ordinariat darstellen würde, gebe es keine Basis,
sagte er auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Weder kenne er genügend
Lutheraner, die katholisch werden wollten, noch ließen sich die großen theologischen
Unterschiede übersehen. Insbesondere eine Unterordnung unter das Papstamt komme für
Protestanten nicht infrage. Lutheraner, die sich unter die Jurisdiktionsgewalt (Rechtsprechung)
des Papstes stellten, könnten nicht Mitglied einer evangelischen Kirche sein.
Weber
zufolge treten Lutheraner für das fundamentale Recht auf Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit ein. Dies bedeute auch, dass jeder Lutheraner frei sei, falls er
zur römisch-katholischen Kirche gehören wolle, diese Wahl zu treffen. Deshalb sollte
jemand, der in der katholischen Kirche eine größere Nähe zum Evangelium sehe als in
der eigenen, „komplett übertreten“.
Der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation,
Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, hatte nach idea-Angaben kürzlich ein Personalordinariat
innerhalb der katholischen Kirche für übergetretene Lutheraner ins Gespräch gebracht.
Die Agentur zitiert Müller mit der Überlegung, die katholische Kirche könnte den Lutheranern
erlauben, ihre „legitimen Traditionen, die sie entwickelt haben“, beizubehalten und
doch Mitglieder der katholischen Kirche zu werden. Einige Lutheraner seien der Meinung,
dass die vom Reformator Martin Luther (1483-1546) geforderten Veränderungen in der
katholischen Kirche mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil abgeschlossen seien. In Deutschland
gebe es Protestanten, die vielfach katholische Traditionen bewahrt hätten. Ein Ordinariat
ist eine rechtlich selbstständige Teilkirche innerhalb der katholischen Kirche, die
neben den territorial festgelegten Bistümern besteht und eigene Gemeinden und Verwaltungsstrukturen
hat.
Laut Bischof Weber wird im Vatikan schon seit längerem über ein lutherisches
Ordinariat nachgedacht. Bisher sei es aber bei Gedankenspielen geblieben. Dass Erzbischof
Müller die Idee öffentlich gemacht habe, beweise eine „neue Qualität“, die die evangelische
Seite „genau zur Kenntnis nehmen“ müsse. Weber erinnerte daran, dass 25 Lutheraner
aus Deutschland, Skandinavien und dem Baltikum im Februar 2012 mit leitenden Vertretern
des Päpstlichen Rats für die Förderung der Einheit der Christen sowie der Glaubenskongregation
Kontaktgespräche geführt hätten. Den anschließenden Pressemeldungen habe er entnommen,
dass es der lutherischen Delegation darum gegangen sei, „die auch nach der Reformation
erhalten gebliebenen Gemeinsamkeiten zwischen der römisch-katholischen Kirche und
den lutherischen Kirchen herauszustellen“.