Der für Caritas zuständige Vatikan-Kardinal kritisiert, dass westliche Entwicklungshilfe
oft an Bedingungen wie etwa Geburtenkontrolle geknüpft wird. „Das ist für mich ein
besonderes Thema, weil ich das als Afrikaner an eigener Haut erlebt habe“, sagte der
aus Guinea stammende Kardinal Robert Sarah im Gespräch mit der Vatikanzeitung L`Osservatore
Romano. Eine solche Art von Entwicklungshilfe „schwächt uns doppelt, weil wir ohnehin
wirtschaftlich schwach sind und weil uns da kulturelle Modelle aufgezwungen werden,
die weit entfernt sind von unserer Mentalität und unseren wahren Problemen“. Das habe
„furchtbare Auswirkungen“, so der Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum. Vor allem
junge Leute erlebten dadurch „eine Zerreißprobe zwischen ihrem ererbten kulturellen
Kontext und westlichen, konsumorientierten Lebensmodellen“.
Als „erstes Opfer“
eines von „bestimmten Lobbys“ propagierten „neuen Menschenbilds“ sieht Kardinal Sarah
allerdings den Westen selbst. Das sei ein „gut erforschter Prozess“: „Zuerst geht
man von Konzepten aus, die scheinbar von vielen geteilt werden, etwa reproduktive
Gesundheit, Menschenrechte, Frauenförderung, Gender. In Wirklichkeit wird damit aber
der Weg freigemacht für eine Anthropologie, nach der der Mensch in totaler Autonomie
über sich selbst entscheiden kann, sogar über seine eigene Natur.“ In Frankreich lasse
sich derzeit beobachten, „wie der Wunsch nach Zerstörung von Ehe und Familie dazu
führt, den natürlichen Unterschied zwischen Mann und Frau einzureißen, um zur Gleichstellung
der natürlichen Ehe mit dem homosexuellen Zusammenleben zu gelangen“. „Das alles“,
so Kardinal Sarah, „führt zur moralischen Dekadenz des Westens.“
Katholische
Hilfsorganisationen arbeiteten häufig mit „internationalen Gruppen“ zusammen, „die
eine solche Vision vorantreiben“. Darum sei es „wichtig, genau zu studieren, wie man
eine Entwicklung fördern kann, die in wirklicher Übereinstimmung mit der Würde der
menschlichen Person steht“. Cor Unum trifft sich in diesen Tagen im Vatikan zu einer
Vollversammlung.