2013-01-14 17:22:51

Indien: Bewusstseinswandel ist möglich


RealAudioMP3 Es ist erst wenige Wochen her, dass die brutale Vergewaltigung und der anschließende Tod einer jungen Studentin zu Massenprotesten in dem Land geführt hatten, in dem den Frauen ihre Rechte oft verweigert werden. Die Täter stehen in diesen Tagen vor Gericht, ihnen droht die Todesstrafe. Dann kam es an diesem Wochenende erneut zu einer Vergewaltigung, wieder waren es mehrere Männer, die eine Frau einführt und sie misshandelt haben, wieder war ein Bus im Spiel. Simone Rappel ist Indien-Expertin bei dem katholischen Hilfswerk missio, besonders die Rechte der Frauen liegen ihr am Herzen:


„Die Demokratie in Indien ist im Aufbruch, viele sind zu Recht auf die Straße gegangen, insbesondere junge Leute. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass zig-tausende Vergewaltigungen stattfinden, insbesondere in den Hochburgen Mumbai und Delhi, aber auch auf dem Land. Vergewaltigung gilt als Kavaliersdelikt und die Frauen sind verfügbare Masse für Männer. Der Protest ist die eine Seite, weil das Vergehen besonders gewaltsam und brutal war, das andere ist aber die schwelende Zweitklassigkeit der Frau in der Gesellschaft. Mädchen sind unerwünscht. Man selektiert schon im Mutterleib die weiblichen Föten, tausend Rupien für den Ultraschall im Vergleich zu hunderttausend Rupien Mitgift. Frauen sind zweitklassig, ein Problem ist vor allem diese Mitgift. Töchter kosten Geld, Söhne bringen es - ein Mädchen oder zwei gehen noch, aber Nummer zwei und drei sind schon unerwünscht. Und wenn die Gesellschaft so sozialisiert ist, sind auch die Frauen nichts anderes als zweitklassige Ware, immer verfügbar. Der Aufschrei ist das eine, die Vergewaltigung und Gewalt an Frauen insgesamt das andere.“

Was muss denn getan werden, damit ein Wandel tatsächlich herbeigeführt werden kann?

„Weg von den Traditionen, eine der Ursachen ist das Mitgiftsystem; Frauen kosten Geld, sie ziehen weg in die Häuser ihres Mannes, sind dann für die Eltern, die sie ernährt und erzogen haben, Verlust und sind damit für die Eltern im Alter natürlich auch nicht mehr die Sozialversicherung. Mitgiftsystem weg wäre das eine, und das Andere ist etwas, was mit der Religion, dem Hinduismus zu tun hat. 85 Prozent der Inder sind Hindus. Das Problem sind die so genannten letzten Riten, das heißt, die Verbrennung. Der Scheiterhaufen muss vom Sohn entzündet werden, um die Seele des verstobenen Elternteils freizusetzen. Und so lange diese Sohnespräferenz so religiös zementiert ist, und dieses letzte Ritual den Sohn verlangt, solange wird auch von der Religion her die Zweitklassigkeit der Frau unterstützt. Also Mitgift und diese letzten Rituale wären schon zwei Baustellen, um bei Frauenempowerment anzusetzen.“

Können denn Initiativen wie der Tag der Solidarität und des Respekts, der für den kommenden 27. Januar in der Diözese Mumbai ausgerufen wurde, helfen?

„Ich verspreche mir sehr viel von solchen Initiativen, Gleichberechtigung von Mann und Frau ist in Indien per Gesetz auf dem Papier vorhanden, aber weniger in der Wirklichkeit. Die Kirche geht da mutig voran und setzt Zeichen, und leistet einen Bewusstseinswandel gerade durch die vielen Frauenempowermentprojekte, Alphabetisierungskampagnen, kleine Selbsthilfemaßnahmen für Frauen. Insofern ist die katholische Kirche da jemand, der nicht nur als Lippenbekenntnis protestiert, sondern mit gutem Beispiel vorangeht.“

(rv 14.01.2013 cs)







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