„Ich bin Europa, wir sind Europa”. Mehr als nur ein Slogan, ist es eine Idee der Koexistenz,
Solidarität und des Teilens, die durch die Welle der Krise dem Risiko ausgesetzt ist
in Frage gestellt zu werden, eine Krise, die die Prinzipien der europäischen Gründerväter
mit sich brachte.
Die Tagesordnung wird heute nicht durch den Einigkeitssinn
festgelegt, sondern durch die Krise, die auch zum am häufigsten erwähnten Wort geworden
ist, nicht nur unter den Menschen, sondern auch zwischen den Institutionen. Denn die
Krise ist nicht ein Konzept, sondern eine Realität, die sich auf das tägliche Leben
von mehr als 500 Millionen europäischen Bürgern auswirkt. Doch Europa hat reagiert,
wenn auch langsam, indem es seine besten Kräfte zur Verfügung stellte und eine Barriere
von Interventionen errichtete, die vielleicht zu sehr auf eine zu gewagte "rein" ökonomische
Vision konzentriert ist. All dies auf Kosten der Bürger, auf denen die Krise wie ein
Erdbeben einwirkt, was ernsthafte soziale Folgen mit sich bringt.
In erster
Linie die Armut, die schon allein auf dem alten Kontinent fast 120 Millionen Menschen
umfasst - jeder vierte Einwohner – für die der Alltag aus Schwierigkeiten und Opfern
besteht. An zweiter Stelle die Arbeitslosigkeit mit verheerenden sozialen Auswirkungen;
seit 2008 gingen mehr als 26 Millionen Arbeitsplätze verloren und in einigen Ländern
haben mehr als 50% der jungen Leute keinen Job. Dies verwandelt sich in einen Mangel
an Fairness und in eine Krise, die sich vorwiegend als Vertrauenskrise erweist und
nicht als eine wirtschaftliche. „Was geschieht ist inakzeptabel“, wird seit einiger
Zeit vom Präsidenten der Europäischen Kommission Barroso wiederholt, wobei er die
riskante, progressive Trennung zwischen Institutionen und Bürgern hervorhebt.
Und
die größte Gefahr wird durch die Tatsache bestimmt, dass das europäische Sozialsystem,
das wahre Modell für die ganze Welt, vom Aussterben bedroht ist. Was ist mit den Grundrechten
geschehen? Was ist mit dem Gefühl der Solidarität passiert? Was wird aus Europa?
Die
Analysten sind meist auf die wirtschaftlichen Daten konzentriert; 2013 wird das Jahr
der Veränderung sein, ab 2014 soll es wieder bergauf gehen. Unterdessen steigt die
Zahl der Obdachlosen immer mehr, dass Phänomen extremer Marginalisierung wird immer
häufiger und immer öfter möglich. Weil es schwierig wird die Hypothek oder Miete zu
zahlen und weil der Zusammenhalt der Familie – der wirklich sichere Hafen, zu dem
man im Notfall kann - zunehmend auf eine harte Probe gestellt wird. Auf der anderen
Seite wachsen die Projekte des „Mikro-Kredits“ zur Finanzierung klein angelegter Initiativen,
um die Basis für einen Neustart zu schaffen, und es zielt auf Tauschhandel, um die
Grundbedürfnisse zu erfüllen. Es geschieht vor allem in Griechenland, wo die Klinge
der Sparmaßnahmen die Realwirtschaft gespalten, Athen ihre Seele und ihre Einwohner
genommen und sie damit zu einer geisterhaften Stadt gemacht hat.
Aber es passiert
auch in Spanien, wo die Arbeitslosigkeit zunehmend zu einem kollektiven Drama wird.
Es passiert in der Slowakei, Bulgarien, ebenso in Italien, Portugal, Zypern und es
beginnt in Frankreich. Methoden der Intervention im Einklang mit dem, was auch durch
die COMECE, der Bischofskonferenzen Europas bestätigt wurde, die als Rezept gegen
die Krise ein „europäisches Modell der sozialen Marktwirtschaft" vorschlägt, das einen
wirksamen Schutz der am stärksten Betroffenen bietet. Dies liegt daran, die Krise
nicht nur vom wirtschaftlichen Standpunkt aus zu sehen, sondern auch ethisch-kulturell,
anthropologisch, zu verstehen. Das sagt der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen,
deren Meinung nach man nicht in Dialog mit der Welt treten könne indem man sich nur
mit den Inhalten oder Problemen beschäftigt; es bedarf auch der Auseinandersetzung
mit den zugrunde liegenden kulturellen Gegebenheiten der Probleme.
Alle Aktionen,
die in der Solidarität verwurzelt sind; Wurzeln die mit anderen Wurzeln verbunden
sind, und zwar die christlichen, denen das abgelenkte Europa kein Wasser gegeben hat
und die deshalb zu sterben drohen. Ach, wenn die Europäer die Botschaft der Enzyklika
„Caritas in veritate" umgesetzt hätten! Benedikt XVI. war ein Leuchtturm, der weit
über die Grenze des Blickes leuchtet, um stärker zu betonen, dass die Wahrheit gesucht,
gefunden und ausgedrückt werden muss innerhalb der „Wirtschaft“ der Barmherzigkeit,
aber die Barmherzigkeit seinerseits muss verstanden werden, bestätigt und praktiziert
im Licht der Wahrheit. Europa kann von diesem Punkt aus erneut starten. Und wir alle
könnten mit Stolz sagen: „Ich bin Europa, wir sind Europa."