Frankreich: Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe „spaltet“
Mit einem Sternmarsch haben am Sonntag in Paris Hunderttausende Franzosen gegen die
Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen demonstriert. Nach Angaben von Beobachtern
blieb die Teilnahme aber deutlich hinter den Erwartungen der Organisatoren von bis
zu einer halben Million zurück. Die Polizei war im Vorfeld von 150.000 bis 300.000
Teilnehmern ausgegangen. Organisator der Aktionen war das unabhängige Bündnis „Manifpourtous“.
Eine Gegendemonstration von Befürwortern gleichgeschlechtlicher Ehen ist für den 27.
Januar geplant.
An dem Protestzug nahm mindestens ein Dutzend prominenter Abgeordneter
der konservativen Oppositionspartei UMP teil. Dazu gehörte neben dem Parteivorsitzenden
Jean-Francois Cope und Ex-Innenminister Brice Ortefeux auch der ehemalige Europaminister
Laurent Wauqiez. Er will eine Volksabstimmung über das umstrittene Thema erreichen.
Mittlerweile haben Medienberichten zufolge 115 Abgeordnete der Nationalversammlung
eine entsprechende Petition an Staatspräsident Francois Hollande unterzeichnet. Angesichts
der gesellschaftlichen Zerrissenheit in dieser Frage sei ein Referendum unerlässlich.
Der Pariser Kardinal Andre Vingt-Trois erklärte sich am Sonntag solidarisch
mit den Organisatoren und den Demonstranten. Die Franzosen sollten hier „sagen, was
sie wirklich über die Homosexuellen-Ehe denken“, sagte der Vorsitzende der Französischen
Bischofskonferenz am Rande der Kundgebung. Er selbst marschierte nicht mit. Der Erzbischof
von Lyon, Kardinal Philippe Barbarin, hatte im Vorfeld seine Teilnahme an der Kundgebung
angekündigt. Auch Vertreter anderer Weltreligionen engagieren sich gegen die Öffnung
des Ehebegriffs.
Zu den drei Hauptzügen des Sternmarsches Richtung Innenstadt
bildete sich Medienberichten zufolge am Mittag ein vierter Zug der traditionalistischen
und royalistischen Vereinigung Civitas; sie setzt sich nach eigenen Angaben für die
Wiederherstellung eines „christlichen Frankreich“ ein. Der Zug mit rund 1.000 Teilnehmern
sei von den Ordnungskräften zunächst verzögert worden, um ein Zusammentreffen mit
den Hauptströmen zu verhindern.
Der Ministerrat hatte im November einen Gesetzentwurf
zur Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen und ein Adoptionsrecht für homosexuelle
Paare verabschiedet. Die Nationalversammlung befasst sich damit Ende Januar. Nach
dem Willen Hollandes sollen die Neuregelungen noch im ersten Halbjahr in Kraft treten.
Unterdessen veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut Ifop am Wochenende
eine Umfrage, nach der 62 Prozent der Franzosen der Meinung sind, es werde zu viel
über die „Homo-Ehe“ gesprochen. Das Thema nehme in der gesellschaftlichen Debatte
zu großen Raum ein, so die Mehrheit der Befragten.