Kardinal Sandri in Ägypten: „Hoffen wir das Beste“
Vatikankardinal Leonardo
Sandri ist zur Zeit in Ägypten. Der Präfekt der Kongregation für die Ostkirchen will
sich vor Ort ein Bild machen, wie es den Christen im Land geht. Der Vatikanmann –
von Haus aus ein Argentinier – traf sich u.a. in einem Kloster des Wadi Natrun mit
dem neuen koptisch-orthodoxen Patriarchen von Alexandria, Tawadros II. Vor allem aber
sprach Sandri in den vergangenen Tagen mit katholischen Christen in Kairo. Im Gespräch
mit Radio Vatikan sagte er: „In diesem Moment leiden die christlichen Gemeinschaften
in Ägypten darunter, dass manchmal Stimmen laut werden, die als Drohung für ihre Existenz
aufgefasst werden könnten. Es handelt sich um isolierte Stimmen hier und da, die davon
sprechen, sie aus Ägypten zu vertreiben, aber sie machen weiter mit ihrem christlichen
Werk und ihrem Leben hier. Die Schwestern beispielsweise haben sehr wichtige Schulen
hier in Kairo. Dort schicken auch die Muslime ihre Töchter hin, mit großem Vertrauen
in die Bildung, die sie dort erhalten werden, und in Freundschaft. Deshalb ist es
natürlich traurig, immer wieder solche isolierten Stimmen zu vernehmen, die das Leben
der christlichen Gemeinschaften bedrohen, aber im täglichen Leben erfahren die Ordensleute
- wie die Franziskanerpater und andere - eine herzliche und brüderliche Aufnahme durch
die Menschen. Denn diese erkennen sehr wohl, welches Gut die Anwesenheit der Ordensleute
vor allem im Bildungs- und Gesundheitsbereich, aber auch im Sinne der Wertschätzung
des menschlichen Lebens, für sie mit sich bringt.“ Der Kardinal aus dem
Vatikan ist Diplomat. Die Sorgen der Christen über die neue Verfassung hat er sich
angehört, er sieht auch selbst, dass der von Islamisten durchgedrückte und in einer
Volksabstimmung bestätigte Text die Türen öffnet für eine strengere Form der Scharia.
Aber Sandri vermeidet Frontalkritik: „Hoffen wir, dass in dieser Periode
der Verfassungsreformen in Ägypten von jedem von uns ein Gebet und ein Zeichen der
Nähe kommen wird, damit die Menschen auf dem Weg geleitet werden, die Rechte der Menschen
zu verteidigen, insbesondere die Religionsfreiheit, aber auch alle anderen Rechte,
die die menschliche Würde ausmachen: das Recht auf Erziehung, auf das Leben, auf eine
Wohnung, auf Essen, aber auch auf Arbeit, denn hier sieht man viele Arbeitslose. Hoffen
wir, dass in diesen Verfassungsreformen auch all diese Prinzipien Eingang finden,
die nicht nur den arabischen Frühling darstellen, sondern einen menschlichen Frühling,
einen Frühling des Menschen und seiner Würde.“ Dass die Christen in Ägypten,
aber eigentlich die Einwohner insgesamt einen heiklen Moment durchmachen, ist dem
Vatikankardinal klar. Im Auftrag des Papstes hat er unlängst auch den Irak besucht
und dort mit eigenen Augen sehen können, wie eine jahrtausendealte Ortskirche durch
einen Exodus der Christen in ihrem Bestand gefährdet werden kann. Dass das auch in
Ägypten einmal drohen könnte, weiß Sandri. „Ich hoffe, dass die Kirche weitermachen
kann wie bisher mit ihrer Arbeit, die die Ordensleute, aber auch Laien vor allem im
Schulbereich für dieses große Volk erbringen. Ich hoffe auch, dass Ägypten seine Rolle
im Nahen Osten und in der Welt wieder findet, diese Rolle von menschlicher, historischer,
kultureller und ziviler Größe, die es in der Vergangenheit charakterisiert hat und
die, so hoffen wir, auch für die Zukunft gelten wird.“ Ein echter Lichtblick
ist für Kardinal Sandri, dass zwischen den Katholiken und den orthodoxen Kopten in
Ägypten nicht so ein Misstrauen herrscht wie sonst üblich unter verschiedenen christlichen
Riten in Nahost. Beim Gespräch mit dem neuen koptisch-orthodoxen Patriarchen hat Kardinal
Sandri den Eindruck gewonnen, dass der in ökumenischer Hinsicht an die Pionierleistungen
seines Vorgängers, des verstorbenen Patriarchen Shenuda III., anknüpfen will. „Es
bestehen sehr herzliche Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und den Kopten.
Der Patriarch Tawadros hat zu mir von einem theologischen Ökumenismus gesprochen,
und dieser, so sagt er, könnte sehr schwierig werden. Doch es gibt eine Ökumene der
Liebe, und auf diesem Weg sollten wir mit aller Kraft und im Vertrauen weiter gehen.
Deshalb gibt es viele Zeichen der Hoffnung seitens des neuen koptisch-orthodoxen Papstes.“ (rv
10.01.2013 cs/sk)