Es sollte einer der
Meilensteine bei der Aufarbeitung der Missbrauchsskandale sein: das Forschungsprojekt
zu sexuellem Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und
männliche Ordensangehörige. Mitte Juli 2011, also ein Jahr nach Beginn der Aufdeckung
der Missbrauchsskandale, stellten die deutschen Bischöfe das Projekt vor; es sollte
vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen durchgeführt werden. Doch jetzt
brechen die Bischöfe ihre Zusammenarbeit mit dem Institut „mit sofortiger Wirkung“
ab. Der Grund: Sie haben das Vertrauen zu dessen Leiter, dem Professor Christian Pfeiffer,
verloren.
„Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Direktor des Instituts und
den deutschen Bischöfen ist zerrüttet.“ So heißt es unverblümt in einem Presse-Statement
des Verbands der deutschen Bistümer an diesem Mittwoch. „Das Kommunikationsverhalten“
Pfeiffers „gegenüber den kirchlichen Verantwortungsträgern“ habe „leider einer weiteren
konstruktiven Zusammenarbeit jede Vertrauensgrundlage entzogen“. Um eine „einvernehmliche
Lösung“ habe man sich bemüht, doch leider vergebens. Die Bistümer suchen nun nach
einem neuen Vertragspartner für eine kriminologische Erforschung des Themas Missbrauch
und Kirche. Dazu werde es „in den kommenden Wochen die nötigen Gespräche geben“. Den
Bischöfen liege weiterhin an einer „gründlichen und transparenten Aufarbeitung“ –
das zeigten die Telefon-Hotline, die neuen Leitlinien zum Thema, Schadensersatzzahlungen
und ein weiteres Gutachten, durchgeführt von Forschern der Uni Duisburg-Essen. Dieses
Gutachten, bereits abgeschlossen, wurde im vergangenen Dezember der Öffentlichkeit
vorgestellt.
Das Forschungsprojekt, das jetzt in schwieriges Fahrwasser geraten
ist, war ehrgeizig: Akten in allen Bistümern sollten ausgewertet, Täter und Opfer
befragt werden. Geplant war die global umfassendste Studie zum Thema Missbrauch im
kirchlichen Raum seit 1945. Pfeiffer erhebt jetzt schwere Vorwürfe gegen die deutschen
Bischöfe: Das Projekt sei „an den Zensur- und Kontrollwünschen der Kirche gescheitert“,
sagte er der Süddeutschen Zeitung. Entgegen der ursprünglichen Vereinbarung habe die
Kirche darauf beharrt, über die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse sowie über
die Auswahl der beteiligten Wissenschaftler bestimmen zu dürfen. Die Kirche wies diese
Vorwürfe zurück.
Pfeiffer unterstrich im Deutschlandfunk, dass er sein Forschungsprojekt
auf freiwilliger Basis fortsetzen werde. „Wir versuchen jetzt zu retten, was zu retten
ist, indem wir bundesweit alle Opfer bitten, die wir sonst über die Kirche gebeten
hätten.“ Bereits im vorletzten Jahr habe er im Auftrag der Bundesregierung 11.500
Menschen befragt, ob sie Opfer gewesen seien. Dadurch habe er Informationen zu 500
Personen erhalten, die Opfer von Lehrern, Eltern oder Familienangehörigen geworden
seien. „Das möchten wir jetzt gerne vergleichen mit den Angaben derer, die Opfer von
Priestern geworden sind, und hoffen, dass sich möglichst viele an dieser freiwilligen
Untersuchung beteiligen.“
Pfeiffer sprach auch von Hinweisen, dass in mehreren
Diözesen Missbrauchsakten vernichtet würden. Doch das weist der Vorsitzende des Verbands
deutscher Diözesen, Hans Langendörfer, zurück. „Für eine Vernichtung von Täterakten
habe ich keinerlei Anhaltspunkte“, so der Jesuitenpater. Das Projekt sei unter anderem
an offenen Fragen des Datenschutzes gescheitert, etwa wie man personenbezogene Daten
von Opfern und Tätern anonymisiere. Die Kirche habe sich beim Streitpunkt Veröffentlichung
der Ergebnisse kompromissbereit gezeigt, betonte Langendörfer. Doch inzwischen sei
das Vertrauensverhältnis zu Pfeiffer „zerrüttet“.