Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warnt die katholische Kirche
vor einer halbherzigen Aufklärung des Missbrauchsskandals. Im Gespräch mit der „Süddeutschen
Zeitung“ forderte sie die Bischöfe am Mittwoch zu einer externen wissenschaftlichen
Aufarbeitung auf. „Der Vorwurf, Zensur und Kontrollwünsche behinderten eine unabhängige
Aufarbeitung, sollte durch den Vorsitzenden der Bischofskonferenz schnell aus der
Welt geschafft werden“, sagte sie in München. Zugleich nahm die FDP-Politikerin das
Kriminologische Forschungsinstitut in Schutz, das der Kirche versuchte Zensur vorwirft.
Die Einrichtung sei eine „der ersten Adressen, um eine unabhängige wissenschaftliche
Aufarbeitung auf Grundlage der Personalakten seit 1945 vorzunehmen“, sagte die Ministerin.
Es sei „ein notwendiger und überfälliger Schritt, dass sich die katholische Kirche
öffnet und erstmals kirchenfremden Fachleuten Zugang zu den Kirchenarchiven ermöglicht“.
Die dramatischen Erschütterungen des Jahres 2010 dürften nicht in einer „halbherzigen
Aufarbeitung versickern“.
Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz hat
den Hannoveraner Kriminologen Pfeiffer scharf kritisiert. Matthias Kopp warf Pfeiffer
am Mittwoch Sprunghaftigkeit und mangelnde Seriosität vor. Im Rahmen einer Mediation
habe man versucht, zu einer einvernehmlichen Vertragsauflösung zu kommen, doch auch
dazu sei Pfeiffer nicht bereit gewesen. Mit Nachdruck dementierte Kopp Behauptungen
des Kriminologen, in einigen Bistümern seien Akten zu Missbrauchsfällen vernichtet
worden. Der Sprecher betonte, dass nach dem Kirchenrecht alle relevanten Akten zu
Straftaten in diesem Bereich aufbewahrt werden müssten. Hier sei das Kirchenrecht
strenger als das weltliche Recht.
Glück: „Vorbildlich mit der Frage
auseinandergesetzt“
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen
Katholiken (ZdK), Alois Glück, bedauert den Streit um das Forschungsprojekt. „Das
Anliegen und die Aufgabe einer unabhängigen, wissenschaftlichen Maßstäben entsprechenden
Untersuchung sind damit aber nicht erledigt“, unterstreicht Glück in einem Statement.
Die neue Entwicklung dürfe nicht verdecken, dass die katholische Kirche in Deutschland
sich wie keine andere gesellschaftliche Gruppe und Organisation mit der Wirklichkeit
des sexuellen Missbrauchs in ihren eigenen Reihen auseinander gesetzt und Konsequenzen
gezogen habe. Glück wörtlich: „Die Deutsche Bischofskonferenz hat für die Kirche die
große Schuld gegenüber den Opfern bekannt. Sie hat die Leitlinien für den Umgang mit
sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz verbessert. In den Diözesen
und in unseren kirchlichen Gemeinschaften wurden Präventionsstrategien entwickelt
und werden derzeit umgesetzt.“
Der Würzburger Professor für Kriminologie, Klaus
Laubenthal, hat Christian Pfeiffer beim gescheiterten Forschungsprojekt methodische
Mängel attestiert. So sei die Frage des Opferschutzes nicht zufriedenstellend gelöst
worden, sagte Laubenthal am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur). Dabei
bemängelte er das Vorhaben von Pfeiffers Institut, die allein aus Akten hervorgehenden
Missbrauchsopfer anzuschreiben. Damit wären sie ungefragt erneut mit den zum Teil
Jahrzehnte zurückliegenden Ereignissen konfrontiert worden. Laubenthal ist auch unabhängiger
Missbrauchsbeauftragter des Bistum Würzburg. Ein weiterer Kritikpunkt Laubenthals
ist die Fokussierung auf die Aktenanalyse. Damit werde nur ein Teilbereich des dokumentierten
Missbrauchgeschehens erfasst. Es gebe aber auch Opfer, die nur bei den von den Diözesen
und Orden eingesetzten Ansprechpartnern bekannt seien und bewusst keine Weitergabe
an die Diözesen wollten. „Doch die issbrauchsbeauftragten sind bei der Studie nicht
einbezogen worden“, so der Jurist.