‚Menschen in der Zeit’: Jasmina Prpić – Frau Europas 2012
Rückblick: Am 3. Oktober
1992 erreichte Jasmina Prpić mit ihren zwei Töchtern und einer Tasche Wäsche als Kriegsflüchtling
Deutschland. Die in Banja Luka (Bosnien und Herzegowina) geborene Juristin konnte
und wollte die religiösen und nationalistischen Konflikte beim Auseinanderbrechen
Jugoslawiens nicht länger ertragen: Zwei Jahre zuvor hatte sie ihr Richteramt niedergelegt,
kurz bevor alle nicht-serbischen Richter entlassen wurden; ihr kroatischer Ehemann
war bereits nach Deutschland geflohen. Als Flüchtling ohne Deutschkenntnisse wäre
die Wiederaufnahme ihrer juristischen Tätigkeit der einfachste Schritt zur Überwindung
ihres Traumas gewesen. Doch der blieb ihr verwahrt, weil ihr Studium nicht anerkannt
wurde.
Handeln, statt zu verzagen, Kraft schöpfen aus Niederlagen – das wurde
fortan zu Jasmina Prpićs Maxime, für sich und für andere: Sie paukte die fremde Sprache,
arbeitete als Putzfrau und Kellnerin, um nicht von staatlicher Unterstützung zu leben,
und schrieb sich fast 20 Jahre nach Abschluss ihres Jurastudiums für ein Magisteraufbaustudium
an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg ein, das sie 2012
abschloss. Eine ihrer Seminararbeiten über ‚Vergewaltigung als Kriegsverbrechen gegen
die Menschlichkeit’ fiel Dr. Monika Hauser – ebenfalls Frau Europas - in die Hände;
für deren Organisation medica mondiale war Jasmina Prpić drei Jahre im Kosovo tätig,
um potenzielle Zeuginnen von Vergewaltigungsverbrechen vor das Haager Tribunal zu
begleiten und juristisch zu betreuen. Dort wurde ihr bewusst, wie sehr Frauen und
Frauenorganisationen juristische Hilfe benötigen und wie stark Menschenrechte von
ihrer gerichtlichen Durchsetzung abhängen – eine Erkenntnis, die sie in internationalen
Konferenzen zum Thema Frauenrechte oder auf Reisen mit Menschenrechts-Aktivistinnen
nach Albanien, Mexiko, die Türkei oder den Iran engagiert vertrat.
Jasmina
Prpić stellt immer wieder heraus, dass auch innerhalb Europas unübersehbare Unterschiede
zwischen rechtlicher und faktischer Gleichstellung der Geschlechter bestehen. Aus
dieser Erkenntnis gründete sie 2007 mit elf Kolleginnen aus Deutschland und unterschiedlichen
Herkunftsländern den Verein „Anwältinnen ohne Grenzen“, deren Vorsitzende sie seitdem
ist. Der Verein kämpft für die Förderung und Durchsetzung der Menschenrechte von Frauen
mit juristischen Mitteln und für den Abbau jeglicher Form von Ungleichbehandlung oder
Diskriminierung im In- und Ausland – ein Engagement, das Jasmina Prpić mehr als die
Hälfte ihres Lebens mit Sachverstand, Kreativität und Hartnäckigkeit verfolgt.
Jasmina
Prpić wurde 2012 in München mit dem Preis Frauen Europas - Deutschland ausgezeichnet.
Hören Sie dazu Ausschnitte aus der Dankesrede der preisgekrönten Anwältin im Originalton,
aufgenommen am Tag der Auszeichnung im Münchner Justizpalast:
Sehr verehrten
Damen und Herren, Liebe Gäste,
Mit großer Freude nehme ich diese Auszeichnung
entgegen, so kurz vor dem 03. Oktober, dem Tag, an dem ich vor zwanzig Jahren zusammen
mit meinem Mann und unseren damals 10 - und 12- jährigen Töchtern nach der Flucht
aus meinem alten Heimatstaat Bosnien-Herzegowina nach Deutschland kam.
All
dies geschah mitten in Europa im Vorfeld des 21. Jahrhunderts, vor den Augen der Weltöffentlichkeit.
Wir alle verfolgten durch die Medien den Völkermord in Srebrenica. Nur fünf Jahre
nach den friedlichen Revolutionen in Mittel- und Südosteuropa, die ein Zusammenwachsen
Europas möglich erscheinen ließen, vollzog sich das schwerste Kriegsverbrechen auf
europäischem Boden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Am 11. Juli 1995 und an den
darauf folgenden Tagen wurden etwa 8.000 muslimische Männer in der erklärten UN Schutzzone
ermordet. Ein schwerer Schlag für die Menschheit. Ein Versagen der Politik.
Nach
dem Bosnienkrieg begegneten uns bald ähnlichen Bilder: aus Kosovo, Irak, Afghanistan,
Somalia, Osttimor, aus den Ländern des arabischen Frühlings, heute noch aus Syrien.
Die schrecklichen Folgen des Krieges treffen immer wieder insbesondere Frauen. Und
dies obwohl vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien
bereits im Jahr 2000 der erste Prozess begann, in dem Vergewaltigung als Verbrechen
gegen die Menschlichkeit definiert wurde und das erste Urteil eines internationalen
Gerichts in Zusammenhang mit sexueller Gewalt erging.
Diese Kriegsverbrechen
zu erleben und ihnen tatenlos zuzuschauen, war für mich undenkbar, hieß doch mein
Lebensmotto: „Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen“. Die
Staatengemeinschaften schweigen nur zu oft - sei es aus politischen, ökonomischen,
oder anderen Eigeninteressen - wenn Regierungen die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger
verletzen. Auch die Vereinten Nationen haben bisher ihr ausdrückliches Ziel, massive
Menschenrechts- verletzungen zu verhindern, nicht erreicht. Folglich müssen die Nicht-Regierungs-Organisationen
gemeinsam mit engagierten Regierungen und dem für Menschenrechte verantwortlichen
UN- Apparat ihre Bemühungen verstärken.
Leicht gesagt. Aber wie? Wie findet
eine Nicht-Regierungs-Organisation Gehör?
Ich begann eine schwierige Arbeit,
der Don Quijotes ähnlich, in einem völlig fremden Staat, ohne Sprachkenntnisse. Ich
war mir sicher, dass eine andere Welt mit mehr Einfluss von Frauen und damit mit mehr
Gerechtigkeit für Frauen und die ganze Zivilgesellschaft möglich ist. Mit fast 40
wagte ich das unmöglich Scheinende. 20 Jahre danach, stehe ich hier. Von meiner Tätigkeit
als Richterin, später Anwältin in Bosnien wechselte ich hier in Deutschland zunächst
zur Putzfrau und Kellnerin. Weil mein Universitätsabschluss in Jura hier nicht anerkannt
wurde, schrieb ich mich auch wieder als Studentin für ein Aufbaustudium an der Universität
Freiburg ein. Der erworbene akademische Titel berechtigt mich aber immer noch nicht,
mich in Deutschland als Anwältin niederzulassen. Im Gegensatz zu meinen ausländischen
Kolleginnen beispielsweise aus Bulgarien, Rumänien, Frankreich oder den Niederlanden,
sogar denjenigen aus Slowenien, ebenfalls einem ehemaligen Bundesland von Jugoslawien.
Diese Kolleginnen erfüllen nämlich eine formale Voraussetzung: Sie kommen aus einem
EU Staat. Mein Heimatstaat Bosnien-Herzegowina gehört diesem Bündnis immer noch nicht
an.
Dies hinderte mich aber nicht daran, viele Aufsätze über Menschenrechtsverletzungen
zu schreiben, Pressebeiträge zu fertigen, Vorträge mit Fotoausstellungen zu halten,
an verschiedenen Konferenzen, Tagungen und Delegationsreisen von Deutschland bis Iran,
von Kosovo bis Mexiko teilzunehmen. Thema meiner Vorträge wurde immer öfter die UN
Frauenrechtskonvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau.
Diese
Konvention gilt seit 30 Jahren auch in Deutschland in Form eines nationalen Gesetzes
und wird heute als Magna Charta der Frauenrechte bezeichnet. Im Jahr 2001 bot mir
Dr. Monika Hauser, Leiterin der Organisation medica mondiale, an, in den Kosovo zu
gehen. Für ihre Arbeit wurde sie vor 15 Jahren mit dem „Preis Frauen Europas“ ausgezeichnet.
Ich sollte Kosovarinnen, die während des Kosovokrieges vergewaltigt wurden, als potenzielle
Zeuginnen vor dem Haager Tribunal unterstützen.
Ich sagte sofort zu, obwohl
die Lage dort, nach dem Nato Angriff, immer noch nicht sicher war. In dieser Zeit
habe ich viel Leid gesehen und furchterregende Erfahrungen gemacht. Insbesondere die
Erkenntnis, dass Frauen, die vergewaltigt oder sexuell misshandelt wurden, in der
Folge häufig von ihren Familien und Ehemännern als „entehrt“ verstoßen wurden , hat
mich zutiefst erschüttert. Aber ich hatte im Kosovo nicht nur mit sexualisierter Gewalt
an Frauen zu tun. In einer sehr konservativen, seit Jahrhunderten durch die Vormacht
der Männer geprägten Gesellschaft, erfuhr ich durch meine Arbeit auch von Fällen der
Blutrache, Zwangsheirat, Ehrenmorden an Frauen, Bigamie, sowie der weit verbreiteten
häuslichen Gewalt an Frauen. Außerdem bekam ich die schweren Menschenrechts-verletzungen
an der Roma- Minderheit zu Gesicht, die unter unmenschlichen Bedingungen dort leben.
Für sie wurden gezielt die Lager, völlig getrennt von der kosovarischen Bevölkerung
eingerichtet, damit sie kein Kontakt miteinander haben.
Auf verschiedenen
Tagungen und Konferenzen mit dem Schwerpunkt „Frauenrechte als Menschenrechte“,
an denen ich in Albanien, Bosnien, Kroatien und in der Türkei im Rahmen meiner Tätigkeit
im Kosovo teilgenommen habe, wurden immer wieder diese Themen diskutiert: die verschiedenen
Formen der Diskriminierung der Frau, begangen in der Familie oder seitens staatlicher
oder nichtstaatlicher Akteure. Reine juristische Frauenorganisationen gab es nicht,
die solche Frauenrechtsverletzungen aufgriffen und die Sitten und verfestigte Traditionen,
die zur Diskriminierung der Frauen führen, mit juristischen Mitteln bekämpfen würden.
Mir
wurde bewusst, wie hoch das Bedürfnis nach einer solchen Organisation ist, die Frauen,
Frauenorganisationen und Frauenaktivistinnen juristische Hilfe- und Austausch im Kampf
gegen Ungleichbehandlung anbietet. Zusammen mit elf anderen Juristinnen verschiedener
Herkunft gründete ich schließlich am 6. November 2007 den Verein „Anwältinnen ohne
Grenzen e.V.“ in Freiburg, der in Kurze sein fünfjähriges Bestehen feiern wird. Unsere
Aufgabe ist es vor allem, Missstände zu benennen, Menschenrechtsverletzungen von Frauen
bekannt zu machen und uns für deren Ahndung mit juristischen Mittel, vor allem mittels
CEDAW, einzusetzen, deren Normen auch als Brücke zwischen dem Völkerrecht und den
nationalen Gesetzen zu verstehen sind.
Wir wollen einen gesellschaftlichen
Wandel durch Recht erreichen, weil Recht und Rechtssprechung sein Motor ist Besonders
erwähnenswert ist Art. 5 a der CEDAW, der die Vertragsstaaten verpflichtet, einen
„Wandel in den sozialen und kulturellen Verhaltensmustern von Mann und Frau“ zu bewirken,
um Vorurteile und stereotype Rollenverteilung zu beseitigen. Damit wird das eigentliche
Ziel dieses Übereinkommens aufgezeigt: der normative Umbau des Geschlechterverhältnisses
und der damit verbundenen Rollenzuschreibung.
Es gibt immer noch viele
Länder, die konsequent die Menschenrechte von Frauen missachten. In solchen Ländern
können Veränderungsimpulse keine nachhaltige Wirkung haben, wenn sie in diesen Gesellschaften
selbst nicht verankert sind. Wie erforderlich eine Unterstützung beispielsweise in
islamischen Staaten zurzeit ist, zeigen die Revolutionen in den Ländern des Arabischen
Frühlings und in der arabischen Welt überhaupt. Und obwohl Frauen mit Männern auf
die Straßen gingen und gehen ist völlig ungewiss, ob die Lage dieser Frauen künftig,
in der Phase des Regierungswechsels, verbessert wird. Gerade jetzt müssen diese Frauen
in ihrem Kampf um Gleichstellung dringend unterstützt werden! Deshalb wollen wir mit
Frauen-Organisationen und –Aktivistinnen in diesen Ländern kooperieren.
Durch
nachhaltigen Austausch in Form von Workshops, Seminaren und Konferenzen lässt sich
die positive Entwicklung der Menschenrechte von Frauen in Europa aufzeigen. Dieses
Ziel verfolgt unser aktuelles Projekt „Arabischer Frühling“, das Frauen in Tunesien,
Libyen und Ägypten auf ihrem Weg zu mehr Gleichstellung in den neuen Verfassungen
unterstützen soll. In unserer Organisation sind Kenntnisse und Erfahrungen unterschiedlicher
Rechtssysteme und Sprachen gebündelt: zurzeit aus Deutschland, Bosnien, Kroatien,
Brasilien, der Dominikanischen Republik, Frankreich, Georgien, Kosovo, dem Iran, Nigeria,
Peru, Rumänien, Serbien, Spanien/Palästina, der Türkei. Ein großes Multiplikatoren-Potenzial,
das allerdings noch nicht ausgeschöpft ist. Die Kenntnisse und Erfahrungen, die jede
Einzelne von uns mitbringt, bieten wir auch der deutschen Regierung, Anwaltskanzleien,
staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, gerne an. Insbesondere bei Auslandseinsätzen
ist es unbedingt erforderlich, die jeweiligen politischen, kulturellen und gesellschaftlichen
Eigenheiten zu berücksichtigen, andernfalls muss man sich nicht wundern, wenn die
internationalen Normen als von außen diktiert und als illegitim verstanden werden.
Ich hoffe sehr, dass Frau Kopp dieses Angebot nach Bonn tragen wird. Und auch die
Information: wir brauchen dringend finanzielle Unterstützung, um hauptamtliche MitarbeiterInnen
einzustellen.
In den vergangenen fünf Jahren haben wir alle ausschließlich
ehrenamtlich gearbeitet. Für eine längere Zeit ist es undenkbar, eine solche Arbeit
so, ohne mal einen Büro zu haben, weiterzuführen. Innerhalb Europas stellen Frauenrechte
als gesicherte Menschenrechte noch immer keine Selbstverständlichkeit dar. Dies gilt
übrigens auch für hoch entwickelte Länder, in denen oft die Auffassung vertreten wird,
Frauen würden zwar in anderen Ländern diskriminiert, jedoch nicht in ihrem eigenen.
Die
formale Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern ist in den meisten EU-Ländern
gesetzlich verankert. In der Praxis aber sind Frauen, etwa in Bezug auf Arbeitsplatz,
Entlohnung, Führungspositionen und Teilnahme am öffentlichen Leben vielfach durch
subtile Formen gesellschaftlicher Diskriminierung benachteiligt, bis hin zur Altersarmut.
Hierzu zählen auch Migrantinnen, deren Benachteiligung, insbesondere durch den erschwerten
Zugang zum Arbeitsmarkt, sichtbar ist und die sich dadurch auf ihre Integration in
Deutschland auswirkt.
Arbeit bedeutet für Migrantinnen und Migranten weit mehr
als nur finanzielle Absicherung. Gerade in Deutschland stellt sie auch ein Hauptkriterium
für gesellschaftliche Teilhabe dar. Wer diese Norm nicht erfüllt, wird aus dem gesellschaftlichen
Leben ausgegrenzt. Und dabei geht es nicht um irgendeine Beschäftigung, sondern um
eine menschenwürdige. In Deutschland kommt es nicht selten vor, dass gut ausgebildete
Migrantinnen mangels Alternativen in niedrig entlohnten und unsicheren Dienstleistungsbereichen
tätig sind: Reinigungsarbeiten, Pflege und Betreuung in Privathaushalten werden vorzugsweise
von Migrantinnen durchgeführt – vor allem, weil ihre im Ausland erworbenen Abschlüsse
hierzulande selten anerkannt werden. Das Gesetz zur Verbesserung der Feststellung
und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen (sog. Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz),
das zum 1. April dieses Jahres in Kraft trat, ist nur der erste Schritt in die richtige
Richtung. Es regelt lediglich das Anerkennungsverfahren und für nicht akademische
Berufe. Die Anerkennung akademischer Berufe bleibt weiterhin in der Zuständigkeit
der Länder und ist noch nicht vereinheitlicht. So hängt es oft vom Wohnort ab, ob
ein Diplom anerkannt wird oder nicht. Im Bereich der Lohngleichheit und Präsenz von
Frauen in Macht – und Spitzenpositionen möchte ich meine klare persönliche Position
äußern: Ohne gesetzliche Quote wird es nicht gehen.
Vor zehn Jahren wurde
bereits ein Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft entworfen, das aber nie in den
Bundestag eingebracht wurde. Stattdessen schloss die Bundesregierung am 2. Juli 2001
mit einigen Spitzenverbänden der Wirtschaft eine „gesetzesvertretende Vereinbarung
zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“.
Das Ergebnis nach zehnjähriger Freiwilligkeit ist bekannt: In den Vorständen der 200
größten deutschen Unternehmen sind nur drei Prozent Frauen vertreten – seit zehn Jahren
unverändert. Um diesen nach wie vor geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen
zu ändern, hat die jetzige Regierung mit der Flexi-Quote ein Instrument vorgeschlagen,
mit dem Ziel, „alle börsennotierten und alle vollmitbestimmungspflichtigen Unternehmen
gesetzlich zu verpflichten, für sich selbst eine konkrete und individuelle Quote für
den Anteil von Frauen im Vorstand und im Aufsichtsrat zu beschließen und zu veröffentlichen“.
Dass
ich dieses Instrument von der bereits erwähnten und nicht tauglichen Vereinbarung
zum Zweck der Förderung der Chancengleichheit aus dem Jahre 2001 nicht unterscheiden
kann, mag an meinen mangelnden deutschen Sprachkenntnissen liegen.
Wie
wirksam eine aktive Gleichstellungsgesetzgebung ist, lehrt das schwedische Beispiel.
Diese gilt EU-weit und international als das Erfolgsmodell. Schweden ist neben anderen
skandinavischen Ländern stets auf einem der vordersten Plätze des „Gobal Gender Gap
Index“. Deutschland liegt seit 2009 auf dem 12. Platz. Umso mehr verwundert, dass
diesem Kerngedanken der schwedischen Politik, dem Prinzip der de-facto Geschlechtergleichheit
als notwendige Grundlage für eine gerechte und demokratische Gesellschaft, von den
anderen Staaten der Europäischen Union, inklusive Deutschland, nicht gefolgt wird.
Recht und Gerechtigkeit – oder anders gesagt: De- facto und De- jure Recht.
Die
Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland hat Verfassungsrang. Art. 3
Abs. 2 Grundgesetz lautet: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert
die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt
auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Mit großem Interesse warte ich auf
den Ausgang dieses Prozesses.
Ich habe den Eindruck, dass wir Frauen und die
an Gleichberechtigung interessierten Männer noch eine Weile zu tun haben werden, bis
Artikel 3 Abs. 2 unseres Grundgesetzes in der Lebenswirklichkeit zur Selbstverständlichkeit
wird.