Rede an das Diplomatische Corps: „Gerechtigkeit verwirklicht sich nur, wenn es gerechte
Menschen gibt!“
Um den Frieden auf
der Welt zu erreichen, muss an erster Stelle die Würde des ganzen Menschen gewahrt
werden. Das ist Kernbotschaft der Rede des Papstes an das Diplomatische Corps, die
Benedikt XVI. an diesem Montag im Vatikan hielt. 179 Botschafter nahmen an dem Treffen
teil. Dazu waren auch Vertreter der Europäischen Union, des Souveränen Militärordens
von Malta sowie der Palästinensischen Autonomiebehörde gekommen. In seiner Rede an
das Diplomatische Corps ging der Papst auf die Herausforderungen in den einzelnen
Kontinenten ein.
Lebensschutz in Europa und Nordamerika In
der westlichen Welt gebe es viele Missverständnisse über die Bedeutung der Menschenrechte
und der damit verbundenen Pflichten, so der Papst. Die Rechte würden oft mit übertriebenen
Ausdrucksformen der Autonomie des Menschen verwechselt. Eine positive Einstellung
habe der Europarat vor genau einem Jahr gezeigt, als die Versammlung eine Resolution
verabschiedete, welche das Verbot der Euthanasie forderte.
„Zugleich muß
ich mit Trauer feststellen, dass verschiedene Länder, auch solche christlicher Tradition,
daran gearbeitet haben, eine Gesetzgebung einzuführen oder auszuweiten, welche die
Abtreibung straffrei stellt. Die direkte, d. h. als Ziel oder Mittel gewollte Abtreibung
steht schwer im Gegensatz zum Sittengesetz. Wenn die Kirche dies feststellt, fehlt
es ihr nicht an Verständnis und Wohlwollen gegenüber der Mutter.“
Besorgt
sei er auch über die jüngste Entscheidung des interamerikanischen Gerichtshofes für
Menschenrechte hinsichtlich der In-vitro-Fertilisation, die den Augenblick der Empfängnis
willkürlich bestimme und die Verteidigung des werdenden Lebens schwäche.
Bildung
hilft Frieden aufzubauen Eine zivilisierte Gesellschaft sei eine gebildete
Gesellschaft. Dies sei gerade durch die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise
ersichtlich.
„Diese ist entstanden, weil der Profit zu oft auf Kosten der
Arbeit verabsolutiert wurde und weil man sich ungezügelt eher auf die Wege der Finanzwirtschaft
eingelassen hat, als auf die Wege der realen Wirtschaft zu setzen. Es ist daher notwendig,
den Sinn der Arbeit und eines ihr angemessenen Profits wiederzufinden. Hierfür ist
es nützlich, dahin zu erziehen, den Versuchungen von kurzfristigen Sonderinteressen
zu widerstehen, um sich vielmehr am Gemeinwohl zu orientieren. Andererseits ist es
dringlich, die Leader heranzubilden, die in der Zukunft die nationalen und internationalen
Institutionen leiten werden.“
Über die Krise die Armut nicht vergessen! Gerade
die Europäische Union brauche „weitsichtige und qualifizierte Vertreter“, um die schwierigen
Entscheidungen zu treffen, die notwendig seien, um ihre Wirtschaft zu sanieren und
solide Grundlagen für ihre Entwicklung zu schaffen, so der Papst.
„Allein
mögen vielleicht einige Länder schneller vorwärtskommen, aber gemeinsam kommen alle
gewiss noch weiter! Wenn der Differentialindex zwischen den Finanzsteuern Anlass zur
Sorge gibt, müssten die zunehmenden Unterschiede zwischen wenigen, die immer reicher
werden, und vielen, die hoffnungslos ärmer werden, Bestürzung erwecken. Mit einem
Wort, es geht darum, sich nicht mit dem „Spread des sozialen Wohlstands“ abzufinden,
während der Finanzspread bekämpft wird.“
Um etwas für den Frieden auf der
Welt zu tun, müsse man in die Bildung in den Entwicklungsländern in Afrika, Asien
und Lateinamerika investieren. Damit würde man auch helfen, die Armut und die Krankheiten
zu besiegen wie auch gerechte Rechtssysteme zu schaffen, die die Menschenwürde achten.
„Es
ist unstreitig, dass gute Wirtschaftsmodelle nicht ausreichen, um Gerechtigkeit in
die Tat umzusetzen, so sehr sie auch notwendig sind. Gerechtigkeit verwirklicht sich
nur, wenn es gerechte Menschen gibt! Den Frieden aufbauen heißt daher, die Menschen
zu erziehen, Korruption, Kriminalität, Drogenproduktion und -handel zu bekämpfen.
Es bedeutet ebenso, Spaltungen und Spannungen zu vermeiden, welche die Gesellschaft
aufzureiben drohen, weil sie ihre Entwicklung und das friedliche Zusammenleben behindern.“
Religionsfreiheit
wahren Der gesellschaftliche Friede sei heutzutage auch durch gewisse Verstöße
gegen die Religionsfreiheit gefährdet: Manchmal handele es sich um die Marginalisierung
der Religion im gesellschaftlichen Leben; in anderen Fällen um Intoleranz oder sogar
Gewalt gegen Personen, religiöse Symbole und Institutionen.
„Es kommt auch
vor, dass Gläubige – besonders Christen – daran gehindert werden, durch ihre Bildungs-
und Fürsorgeeinrichtungen zum Gemeinwohl beizutragen. Um die Ausübung der Religionsfreiheit
wirksam zu schützen, ist dann notwendig, das Recht auf Einwand aus Gewissengründen
zu respektieren. Diese „Grenze“ der Freiheit berührt Prinzipien von großer Bedeutung
und von ethischem und religiösem Charakter, die in der Würde des Menschen selbst verwurzelt
sind. Sie sind wie die „Tragmauern“ einer jeden Gesellschaft, die wirklich frei und
demokratisch sein will. Den Einwand aus Gewissensgründen des einzelnen oder von Institutionen
im Namen der Freiheit und des Pluralismus zu verbieten, würde folglich bedeuten, doch
paradoxerweise der Intoleranz und der erzwungenen Gleichmachung die Türen zu öffnen.“
Ausdrücklich
lobte der Papst die gemeinsame Versöhnungserklärung der Polnischen Bischofskonferenz
und des Patriarchen von Moskau, die im vergangenen August unterzeichnet wurde. Ebenso
nannte er das jüngste Friedensabkommen auf den Philippinen zu den Friedensgesprächen
auf Mindanao.
Diplomatische Beziehungen Das Ziel der Kirche
sei, das rechte Gewissen ihrer Bürger zu erleuchten und sie einzuladen, für das Wohl
jedes Menschen und den Fortschrift der Menschheit zu arbeiten. Deshalb habe der Heilige
Stuhl im vergangenen Jahr einige neue diplomatische Beziehungen aufgenommen sowie
ältere Freundschaften erneuert.
„In dieser Perspektive und um die fruchtbare
Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat im Dienst am Gemeinwohl zu fördern, wurden
im vergangenen Jahr bilaterale Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und Burundi wie
auch mit Äquatorialguinea unterzeichnet, und jenes mit Montenegro wurde ratifiziert.
In demselben Geist beteiligt sich der Heilige Stuhl an den Arbeiten verschiedener
internationaler Organisationen und Institutionen.“
Dazu zähle beispielsweise
auch, den im vergangenen Dezember eingenommen extraregionalen Beobachterstatus beim
Zentralamerikanischen Integrationssystem. Der Papst erinnerte auch an die diplomatischen
Treffen im Vatikan.
„Die Besuche einiger Staats- und Regierungschefs im
Laufe des vergangenen Jahres wie auch die unvergesslichen Apostolischen Reisen nach
Mexiko und Kuba sowie in den Libanon waren günstige Gelegenheiten, um das staatsbürgerliche
Engagement der Christen in diesen Ländern zu stärken wie auch die Würde des Menschen
und die Grundlagen des Friedens zu fördern.“
Die Suche nach Frieden In
seiner Rede ging der Papst darauf ein, wie die katholische Kirche mithelfen wolle,
Frieden in der Welt zu stiften. Dazu müsse man bedenken, dass es heute üblich geworden
sei, Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden als Utopien zu betrachten, die sich sogar
gegenseitig ausschließen. Die Wahrheit zu kennen scheine unmöglich, und die Anstrengungen,
sie zu bekräftigen, scheine oft in Gewalt zu münden, so der Papst.
„Andererseits
besteht nach einer inzwischen weitverbreiteten Auffassung das Engagement für den Frieden
nur in der Suche nach Kompromissen, die das Zusammenleben zwischen den Völkern oder
unter den Bürgern innerhalb einer Nation gewährleisten. Aus christlicher Sicht hingegen
gibt es eine enge Verbindung zwischen der Verherrlichung Gottes und dem Frieden der
Menschen auf Erden, so dass der Friede nicht von einem bloß menschlichen Bemühen kommt,
sondern Teilnahme an der Liebe Gottes selbst ist.“
Und es sei gerade die
Gottvergessenheit und nicht seine Verherrlichung, die Gewalt erzeuge, fügte der Papst
an.
„Wenn man nämlich aufhört, sich auf eine objektive und transzendente
Wahrheit zu beziehen, wie ist es dann möglich, einen echten Dialog zu führen? Wie
kann man in diesem Fall vermeiden, dass offene und versteckte Gewalt zur letzten Regel
der menschlichen Beziehungen werden? Ohne eine Offenheit auf das Transzendente hin
wird der Mensch tatsächlich leicht zur Beute des Relativismus, und dann fällt es ihm
schwer, gerecht zu handeln und sich für den Frieden einzusetzen.“
Fanatismus
im Nahen Osten Dann erläuterte Benedikt XVI., wie es zu religiösem Fanatismus
komme. Die Hauptursache sei die „Unkenntnis des wahren Gesichtes Gottes“.
„Diese
ist die Ursache eines schädlichen Fanatismus religiösen Ursprungs, der auch im Jahr
2012 in einigen hier vertretenen Ländern Opfer gefordert hat. Wie ich schon einmal
gesagt habe, handelt es sich um eine Verzerrung der Religion selbst, da diese doch
im Gegenteil danach strebt, den Menschen mit Gott zu versöhnen, die Gewissen zu erleuchten
und zu reinigen und deutlich zu machen, dass jeder Mensch ein Abbild des Schöpfers
ist.“
Wenn also die Verherrlichung Gottes und der Friede auf Erden eng
miteinander verbunden seien, so scheine es offensichtlich, dass der Friede zugleich
Gabe Gottes und Aufgabe des Menschen sei, weil dieser seine freie und bewusste Antwort
erfordere, so der Papst.
„Aus diesem Grund habe ich die jährliche Botschaft
zum Weltfriedenstag mit dem Titel „Selig, die Frieden stiften“ überschrieben. Vor
allem auf den Vertretern des öffentlichen und politischen Lebens liegt die große Verantwortung,
für den Frieden zu arbeiten. Sie sind als erste aufgerufen, die zahlreichen Konflikte
zu lösen, die fortwährend die Menschheit mit Blut überziehen, angefangen bei der im
Plan Gottes privilegierten Region des Nahen Ostens. Ich denke zunächst an Syrien,
das unablässig von Massakern zerrissen wird und Schauplatz schrecklicher Leiden unter
der Zivilbevölkerung ist.“
Er erneuere seinen Aufruf, die Waffen niederzulegen,
damit so bald wie möglich der konstruktive Dialog maßgebend wird, um einen Konflikt
zu beenden, in dem es keine Sieger, sondern nur Verlierer geben wird.
„Meine
Damen und Herren Botschafter, ich bitte Sie, Ihre Regierungen weiter dafür zu sensibilisieren,
dass dringend die unerlässlichen Hilfen bereitgestellt werden, um der ernsten humanitären
Lage entgegenzutreten. Sehr aufmerksam schaue ich sodann auf das Heilige Land. Im
Anschluss an die Zuerkennung des Beobachterstatus als Nichtmitgliedsstaat der Vereinten
Nationen an Palästina wiederhole ich den Wunsch, dass mit der Unterstützung der internationalen
Gemeinschaft Israelis und Palästinenser sich für ein friedliches Zusammenleben im
Rahmen zweier souveräner Staaten einsetzen, wo die Einhaltung der Gerechtigkeit und
die legitimen Bestrebungen beider Völker gewahrt und garantiert werden.“
Jerusalem
solle das werden, was sein Name bedeute: Stadt des Friedens und nicht der Spaltung;
Prophetie des Reiches Gottes und nicht Botschaft der Instabilität und des Gegeneinanders,
sagte der Papst.
„Meine Gedanken gehen ferner zur geschätzten irakischen
Bevölkerung. Ich wünsche, dass sie den Weg der Versöhnung geht, um zur ersehnten Stabilität
zu gelangen.“
Auch ein Gedanke an den Libanon richtete der Papst, dessen
verschiedene wesentliche Realitäten er im vergangenen September kennengelernt habe:
„Möge
die Vielfalt an religiösen Traditionen von allen als ein wahrer Reichtum für das Land
und die ganze Region gepflegt werden und mögen die Christen ein wirksames Zeugnis
geben für den Aufbau einer Zukunft in Frieden mit allen Menschen guten Willens.“
Zusammenarbeit
in Afrika fördern Weiter richtete Benedikt XVI. seinen Blick nach Afrika
und erinnerte , wie wichtig es für Nordafrika sei, dass die Zusammenarbeit aller Teile
der Gesellschaft unterstützt werde.
„Jedem von ihnen muß das volle Bürgerrecht
garantiert werden, die Freiheit, öffentlich seine Religion zu bekennen, und die Möglichkeit,
zum Gemeinwohl beizutragen. Ich versichere allen Ägyptern meine Nähe und mein Gebet
in dieser Zeit, da neue Institutionen eingesetzt werden.“
Mit Blick auf
das subsaharische Afrika ermutigte er die Bemühungen, den Frieden aufzubauen, besonders
dort, wo die Wunden der Kriege noch offen sind und wo die Last der humanitären Folgen
groß ist.
„Ich denke besonders an die Region am Horn von Afrika wie auch
an den Osten der Demokratischen Republik Kongo, wo die Gewalt von neuem aufgeflammt
ist und viele Menschen gezwungen hat, ihre Häuser, ihre Familien und Lebensbereiche
zu verlassen. Gleichzeitig kann ich andere Bedrohungen nicht unerwähnt lassen, die
sich am Horizont abzeichnen.“
Auch zur Sprache kam die Lage in Nigeria,
Schauplatz terroristischer Attentate, die Opfer fordern – vor allem unter Christen,
die zum Gebet versammelt sind.
„Mit großer Trauer habe ich vernommen, dass
selbst in den Tagen, an denen wir Weihnachten feiern, Christen auf barbarische Weise
umgebracht wurden. Auch Mali wird von Gewalt zerrüttet und von einer tiefen institutionellen
und gesellschaftlichen Krise heimgesucht, die eine effiziente Wachsamkeit seitens
der internationalen Gemeinschaft auslösen muß. Ich hoffe, dass in der Republik Zentralafrika
die für die kommenden Tage angekündigten Verhandlungen die Stabilität wiederherstellen
und der Bevölkerung ersparen, die Furcht des Bürgerkrieges wieder zu erleben.“
Opfer
von Naturkatastrophen Der Papst gedachte auch der Opfer der Überschwemmungen
in Südostasien und des Hurrikans, der die Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika
getroffen hat.
„Ich denke auch an jene, die unter dem starken Erdbeben gelitten
haben, das einige Regionen Norditaliens zerstört hat. Wie Sie wissen, habe ich mich
persönlich an diese Orte begeben und dort den sehnlichen Wunsch sehen können, wieder
aufzubauen, was zerstört wurde. In diesem Moment der Geschichte Italiens wünsche ich,
dass dieser Geist des Durchhaltevermögens und des gemeinsamen Engagements die ganze
geschätzte Nation belebe.“