Papst Benedikt XVI. hat an diesem Sonntag mehreren Priestern, darunter seinem Privatsekretär
Georg Gänswein, im Petersdom die Bischofsweihe erteilt. In Anwesenheit des italienischen
Ministerpräsidenten Mario Monti und mehrerer tausend Gläubiger feierte der Papst eine
feierliche Messe zum Fest der Erscheinung des Herrn. Wir dokumentieren hier die Predigt
des Papstes im offiziellen deutschen Wortlaut.
Liebe Brüder und Schwestern!
Für
die glaubende und betende Kirche sind die Weisen aus dem Morgenland, die unter der
Führung des Sterns zur Krippe von Bethlehem gefunden haben, nur der Anfang einer großen
Prozession, die sich durch die Geschichte hindurchzieht. Darum liest die Liturgie
das Evangelium, das vom Weg der Weisen erzählt, zusammen mit den glanzvollen prophetischen
Visionen von Jesaja 60 und Psalm 72, die in kühnen Bildern die Wallfahrt der Völker
nach Jerusalem schildern. Wie die Hirten, die als erste Gäste beim neugeborenen Kind
in der Krippe die Armen Israels verkörpern und überhaupt die demütigen Seelen, die
von innen her ganz nah bei Jesus leben, so verkörpern die Männer aus dem Morgenland
die Welt der Völker, die Kirche aus den Heiden – die Menschen, die sich alle Jahrhunderte
hindurch auf den Weg zum Kind von Bethlehem machen, in ihm den Sohn Gottes verehren
und sich vor ihm beugen. Die Kirche nennt dieses Fest Epiphanie – Erscheinen des Göttlichen.
Wenn wir darauf hinschauen, wie seit jenem Beginn Menschen aller Herkünfte, aller
Erdteile, all der verschiedenen Kulturen und Weisen des Denkens und Lebens auf dem
Weg zu Christus waren und sind, dann dürfen wir wirklich sagen, daß diese Pilgerschaft
und die Begegnung mit Gott als Kind eine Epiphanie der Güte und der Menschenfreundlichkeit
Gottes ist (Tit 3, 4).
Einer vom seligen Papst Johannes Paul II. begründeten
Tradition folgend, begehen wir das Fest der Epiphanie des Herrn zugleich als Tag der
Bischofsweihe für vier Priester, die nun in verschiedenen Funktionen am Dienst des
Papstes für die Einheit der einen Kirche Jesu Christi in der Vielheit der Teilkirchen
mitwirken werden. Der Zusammenhang dieser Bischofsweihe mit dem Thema der Wallfahrt
der Völker zu Jesus Christus ist offenkundig. Dem Bischof ist es aufgetragen, in dieser
Wallfahrt nicht nur mitzugehen, sondern voranzugehen und den Weg zu zeigen. Ich möchte
aber noch eine konkretere Frage in diesem Gottesdienst zusammen mit Ihnen betrachten.
Anhand der von Matthäus erzählten Geschichte können wir uns durchaus ein gewisses
Bild davon machen, was für Menschen dies gewesen sein müssen, die da auf das Zeichen
des Sterns hin aufgebrochen sind, um den König zu finden, der nicht nur für Israel,
sondern für die Menschheit eine neue Art von Königtum begründen sollte. Was also waren
das für Menschen? Und fragen wir auch, ob trotz des Unterschieds der Zeiten und der
Aufträge von ihnen her etwas darüber sichtbar werden kann, was ein Bischof ist und
wie er seinen Auftrag erfüllen soll.
Die Männer, die da ins Unbekannte ausgezogen
sind, waren auf jeden Fall Menschen des unruhigen Herzens. Menschen, die die Unruhe
nach Gott und nach dem Heil der Welt umtrieb. Wartende Menschen, die sich nicht begnügten
mit ihrem gesicherten Einkommen und ihrer wohl ansehnlichen sozialen Stellung. Sie
hielten Ausschau nach dem Größeren. Es waren wohl gelehrte Männer, die vieles von
den Gestirnen wußten und wohl auch über philosophische Bildung verfügten. Aber sie
wollten nicht einfach nur vieles wissen. Sie wollten vor allem das Wesentliche wissen.
Sie wollten wissen, wie man es macht, ein Mensch zu sein. Und deshalb wollten sie
wissen, ob es Gott gibt, wo und wie er ist. Ob er sich um uns kümmert und wie wir
ihm begegnen können. Sie wollten nicht nur wissen. Sie wollten die Wahrheit über uns
und über Gott und die Welt erkennen. Ihre äußere Pilgerschaft ist Ausdruck ihres inneren
Unterwegsseins, der inneren Pilgerschaft ihres Herzens. Es waren Menschen, die Gott
suchten und letztlich auf dem Weg zu ihm hin waren. Es waren Gottsucher.
Damit
sind wir aber nun bei der Frage: Wie muß ein Mensch sein, dem die Hände zur Bischofsweihe
in der Kirche Jesu Christi aufgelegt werden? Wir können sagen: Er muß vor allem ein
Mensch sein, dem es um Gott geht, denn nur dann geht es ihm auch wirklich um die Menschen.
Wir könnten auch umgekehrt sagen: Ein Bischof muß ein Mensch sein, dem die Menschen
am Herzen liegen, den das Geschick der Menschen bewegt. Er muß ein Mensch für die
anderen sein. Aber das kann er nur dann wirklich, wenn er ein von Gott ergriffener
Mensch ist. Wenn ihm die Unruhe zu Gott zur Unruhe für sein Geschöpf Mensch geworden
ist. Wie die Weisen aus dem Morgenland, so darf auch ein Bischof nicht jemand sein,
der bloß seinen Job ausübt und es dabei bewenden läßt. Nein, er muß von der Unruhe
Gottes für die Menschen ergriffen sein. Er muß gleichsam mit Gott mitdenken und mitfühlen.
Nicht nur dem Menschen ist die Unruhe für Gott eingeschaffen, sondern diese Unruhe
ist Mitbeteiligung an der Unruhe Gottes für uns. Weil Gott nach uns unruhig ist, darum
geht er uns nach bis in die Krippe, bis an das Kreuz. „Von der Suche nach mir bist
du müde am Brunnen gesessen, hast zu meiner Erlösung das Kreuz erlitten. Laß diese
Mühsal nicht umsonst gewesen sein“, betet die Kirche im Dies Irae. Die Unruhe des
Menschen nach Gott und von ihr her die Unruhe Gottes nach dem Menschen muß den Bischof
umtreiben. Das ist gemeint, wenn wir sagen, daß der Bischof vor allem ein Mensch des
Glaubens sein muß. Denn Glaube ist nichts anderes als das innere Berührtsein von Gott,
das uns auf den Weg des Lebens führt. Glaube zieht uns in das Ergriffensein von Gottes
Unruhe hinein und macht uns zu Pilgern, die innerlich unterwegs sind zum wahren König
der Welt und zu seiner Verheißung der Gerechtigkeit, der Wahrheit, der Liebe. Der
Bischof muß in dieser Pilgerschaft vorausgehen, den Menschen Wegweiser zu Glaube,
Hoffnung und Liebe hin sein.
Die innere Pilgerschaft des Glaubens zu Gott hin
vollzieht sich vor allem im Gebet. Der heilige Augustinus hat einmal gesagt, das Gebet
sei letztlich nichts anderes als Aktualisierung und Radikalisierung unserer Sehnsucht
nach Gott. Wir könnten statt des Wortes „Sehnsucht“ auch das Wort „Unruhe“ einsetzen
und sagen, daß das Gebet uns aus unseren falschen Bequemlichkeit, aus unserer Verschlossenheit
ins Materielle und Sichtbare herausreißen und uns die Unruhe zu Gott hin vermitteln
will; uns so gerade auch offen und unruhig füreinander macht. Der Bischof muß als
Pilger Gottes vor allem ein betender Mensch sein. Er muß im steten inneren Kontakt
mit Gott leben, seine Seele muß weit auf Gott hin offenstehen. Er muß seine Nöte und
die der anderen, auch seine Freuden und die der anderen, zu Gott hintragen und so
auf seine Weise den Kontakt zwischen Gott und der Welt in der Gemeinschaft mit Christus
herstellen, damit sein Licht in die Welt hereinleuchtet.
Kehren wir zurück
zu den Weisen aus dem Morgenland. Dies waren vor allem auch Menschen, die Mut hatten,
den Mut und die Demut des Glaubens. Es brauchte Mut, um das Zeichen des Sterns als
Auftrag zum Aufbruch anzunehmen, hinauszuziehen – ins Unbekannte, Ungewisse, auf Wegen,
auf denen vielerlei Gefahren lauerten. Wir können uns vorstellen, daß der Entscheid
dieser Männer Spott hervorrief: den Spott der Realisten, die die Träumerei dieser
Menschen nur belachen konnten. Wer auf so ungewisse Verheißungen hin aufbrach und
alles riskierte, der konnte nur lächerlich erscheinen. Aber für diese von Gott innerlich
angerührten Menschen war der Weg nach seiner Weisung wichtiger als die Meinung der
Menschen. Die Suche nach der Wahrheit war ihnen wichtiger als der Spott der scheinbar
gescheiten Welt.
Wie sollten wir bei einer solchen Situation nicht an die Aufgabe
eines Bischofs in unserer Zeit denken? Die Demut des Glaubens, des Mitglaubens mit
dem Glauben der Kirche aller Zeiten wird immer wieder in Konflikt geraten mit der
herrschenden Klugheit derer, die sich ans scheinbar Sichere halten. Wer den Glauben
der Kirche lebt und verkündet, steht in vielen Punkten quer zu den herrschenden Meinungen
gerade auch in unserer Zeit. Der heute weithin bestimmende Agnostizismus hat seine
Dogmen und ist höchst intolerant gegenüber all dem, was ihn und seine Maßstäbe in
Frage stellt. Deshalb ist der Mut zum Widerspruch gegen die herrschenden Orientierungen
für einen Bischof heute besonders vordringlich. Er muß tapfer sein. Und Tapferkeit
besteht nicht im Dreinschlagen, in der Aggressivität, sondern im Sich-schlagen-Lassen
und im Standhalten gegenüber den Maßstäben der herrschenden Meinungen. Der Mut des
Stehenbleibens bei der Wahrheit ist unausweichlich von denen gefordert, die der Herr
wie Schafe unter die Wölfe schickt. „Wer Gott fürchtet, zittert nicht“, sagt das Buch
Jesus Sirach (34, 16). Gottesfurcht befreit von der Menschenfurcht. Sie macht frei.
Mir kommt da eine Begebenheit aus den Anfängen des Christentums in den Sinn,
die der heilige Lukas in der Apostelgeschichte erzählt. Nach der Rede des Gamaliël,
der von der Gewalt gegenüber der werdenden Gemeinschaft der Jesus-Glaubenden abriet,
rief der Hohe Rat die Apostel herbei und ließ sie auspeitschen. Dann verbot er ihnen,
im Namen Jesu zu predigen und ließ sie frei. Lukas fährt dann fort: „Sie aber gingen
weg vom Hohen Rat und freuten sich, daß sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen
Schmach zu erleiden. Und Tag für Tag lehrten sie unermüdlich… und verkündeten das
Evangelium von Jesus, dem Christus“ (Apg 5, 40 ff). Auch die Nachfolger der Apostel
müssen damit rechnen, daß sie immer wieder auf moderne Weise verprügelt werden, wenn
sie nicht aufhören, das Evangelium Jesu Christi hörbar und verständlich zu verkündigen.
Und dann dürfen sie sich freuen, daß sie gewürdigt wurden, für ihn Schmach zu erleiden.
Natürlich wollen wir wie die Apostel die Menschen überzeugen und in diesem Sinn Zustimmung
gewinnen. Natürlich provozieren wir nicht, sondern ganz im Gegenteil laden wir alle
ein in die Freude der Wahrheit, die den Weg zeigt. Aber die Zustimmung der herrschenden
Meinungen ist nicht der Maßstab, dem wir uns unterwerfen. Der Maßstab ist ER selbst:
der Herr. Wenn wir für ihn eintreten, werden wir gottlob immer wieder Menschen für
den Weg des Evangeliums gewinnen. Aber unweigerlich werden wir auch von denen, die
mit ihrem Leben dem Evangelium entgegenstehen, verprügelt, und dann dürfen wir dankbar
sein, daß wir gewürdigt werden, am Leiden Christi teilzuhaben.
Die Weisen sind
dem Stern gefolgt, und so sind sie zu Jesus gekommen, zu dem großen Licht, das jeden
Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt (vgl. Joh 1, 9). Als Pilger des Glaubens
sind die Weisen selbst zu Sternen geworden, die vom Himmel der Geschichte leuchten
und uns den Weg zeigen. Die Heiligen sind die wahren Sternbilder Gottes, die die Nächte
dieser Welt erleuchten und uns führen. Der heilige Paulus hat im Philipper-Brief seinen
Gläubigen gesagt, daß sie wie Lichter in der Welt leuchten sollen (Phil 2, 15).
Liebe
Freunde, dies geht auch uns an. Dies geht besonders Euch an, die Ihr in dieser Stunde
zu Bischöfen der Kirche Jesu Christi geweiht werdet. Wenn Ihr mit Christus lebt, im
Sakrament neu ihm verbunden, dann werdet auch Ihr weise. Dann werdet Ihr Lichter,
die den Menschen vorangehen und ihnen den rechten Weg des Lebens zeigen. In dieser
Stunde beten wir alle hier für Euch, daß der Herr Euch mit dem Licht des Glaubens
und der Liebe erfüllt. Daß Euch diese Unruhe Gottes um den Menschen berührt, damit
alle seine Nähe erfahren und von seiner Freude beschenkt werden. Wir bitten für Euch,
daß der Herr Euch immer den Mut und die Demut des Glaubens schenke. Wir bitten Maria,
die den Weisen den neuen König der Welt gezeigt hat (Mt 2, 11), daß sie als liebevolle
Mutter auch Euch Jesus Christus zeige und Euch helfe, Wegweiser zu ihm zu sein. Amen.