2013-01-05 09:04:13

Widerstand gegen das Diktat der Beschleunigung: Die Zeit gehört uns!


RealAudioMP3 Wir leben dauerbeschleunigt, immer weniger Zeit für immer mehr Dinge. Aber es gibt Widerstand: „Die Zeit gehört uns“, so heißt das Buch des emeritierten Professors Pater Friedhelm Hengsbach. Widerstand gegen das Regime – so lautet der Untertitel. Es ist kein Lebenshilfebuch, es ist ein politisches Buch. Pater Hengsbach geht es nicht um den Umgang mit Zeitmangel und Hektik durch Meditation oder Zeitmanagement und Muße, sondern es geht um den wirtschaftlich erzeugten Zeitdruck. Gerade die von der Realität weit entfernten Finanzmärkte mit ihren Spekulationen erzeugten einen Druck, der sich in Zeitdruck für die Menschen übersetze. Hengsbach sagt, dass die Zeit eigentlich uns gehöre, und dass sich der Einsatz dafür lohne; Anpassung sei keine echte Option, ..

„..weil es für viele Menschen ein unendlicher Druck wird, der Leiden verursacht. Viele Menschen kommen mit dem vorgegebenen gesellschaftlichen Tempo gar nicht mehr klar. Man sieht, dass vor allem Frauen unter einem Beschleunigungsdruck leiden, der von ihnen doppelte Arbeit verlangt: Auf der einen Seite erwerbstätig zu sein und auf der anderen Seite einen großen Teil der Kinderbetreuung zu übernehmen. Die Männer sind davon weniger betroffen, was die privaten Haushalte angeht, aber für sie ist der Druck im Erwerbssystem besonders groß. Dieselbe Arbeit muss in der Hälfte der Zeit erledigt werden. Also: Die Leute arbeiten länger, intensiver, sie arbeiten am Wochenende, am Samstag und am Sonntag und in der Nacht und arbeiten mehr auf Schicht.“

Es geht Ihnen also um Fremdbestimmung oder klassisch ausgedrückt um Entfremdung?

„Ich denke, dass der Zeitdruck dann wirklich zu einem Schmerz verursachenden Phänomen wird, wenn ich selbst nicht mehr über meine eigenen Handlungen selbst bestimmen kann. Zeit hat etwas zu tun mit dem aufeinander Abstimmen von Handlungen, dass meine eigenen Handlungen und die Handlungen meines Partners aufeinander abgestimmt werden können. Wenn uns das gelingt, ist ein großteil des Zeitdrucks verloren.
Kinder, die miteinander spielen, haben keinen Zeitdruck. Verliebte, die gemeinsam ihre Zeit in der Umarmung und Verliebtheit verbringen, sind weit vom Zeitdruck entfernt. Wenn andere über mich bestimmen, dann entsteht also diese Entfremdung oder dieser Zeitdruck.“

Was kann ich dagegen tun, wo liegt meine Möglichkeit zum Widerstand?

„Wenn meine These stimmt, dass die Finanzmärkte die Verursacher dieses Megaschubs an Beschleunigung sind, dann geht es darum, die Finanzmärkte zu regulieren. Das ist Aufgabe der politischen Entscheidungsträger. Ein anderer Punkt: Die Gewerkschaften. Die Gewerkschaften, die einmal angetreten sind, Arbeitszeit zu verkürzen, das heißt den Produktivitätsfortschritt nicht nur in Wachstum und mehr Güter und mehr Einkommen umzusetzen, sondern in mehr freie Zeit: Die sind aufgerufen, sich dieses Themas wieder anzunehmen.
Aber ich denke auch, dass die Einzelnen, wenn sie mit entsprechender Macht ausgestattet sind, auch dem Arbeitgeber sagen: Nein, keine Überstunden, keine Sonntagsarbeit und keine Nachtarbeit. Aber das können nur diejenigen, die über eine entsprechende Verhandlungsmacht verfügen.
Und dann ist da noch die Frage der Geschlechterverhältnisse. Ich denke, dass die Männer in zunehmendem Maße aus der Erwerbsarbeit aussteigen und Erziehungsarbeit übernehmen müssen, un damit die Frauen entlasten.“

Das Buch:
Friedhelm Hengsbach: Die Zeit gehört uns. Widerstand gegen das Regime der Beschleunigung. Das Buch ist im Westendverlag erschienen und kostet 19,99 Euro.

(rv 05.01.2013 ord)







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