Wo finden wir das Fundament des Friedens? Die Papstpredigt zum Hochfest
In einer Arbeitsübersetzung dokumentieren wir die Predigt des Papstes am Hochfest
der Gottesmutter.
Liebe Brüder und Schwestern,
„Gott sei uns gnädig
und segne uns, Er lasse über uns sein Angesicht leuchten“. So haben wir mit den Worten
von Psalm 67 gesungen, nachdem wir in der ersten Lesung den priesterlichen Segen über
das Volk des Bundes gehört haben.
Es ist besonders bedeutsam, dass zu Beginn
eines jeden neuen Jahres Gott über uns, sein Volk, das Leuchten seines heiligen Namens
erscheinen lässt, ein Name, der drei mal in der feierlichen Formel des biblischen
Segens angerufen wird. Und es ist nicht weniger bedeutsam, dass das Wort Gottes, dass
Fleisch angenommen hat und unter uns gewohnt hat, das wahre Licht, das alle Menschen
erleuchtet (Joh 1:9.14) den Namen Jesu erhält - wie im Evangelium von heute - genau
acht Tage nach der Geburt (Lk 2: 21).
In diesem Namen sind wir hier versammelt.
Ich begrüße von Herzen die hier Vesammelten, beginnend mit den beim Heiligen Stuhl
akkreditierten Botschaftern des diplomatischen Corps. Herzlich grüße ich meinen Staatssekretär
Kardinal Bretone und Kardinal Turkson mit allen Mitarbeitern des päpstlichen Rates
für Gerechtigkeit und Frieden; ihnen bin ich besonders dankbar für ihren Einsatz in
der Verbreitung der Botschaft zum Weltfriedenstag, die in diesem Jahr den Titel „Selig
die Frieden schaffen“ trägt.
Auch wenn die Welt leider immer noch gekennzeichnet
ist von „Brandherden der Spannungen und Gegensätze, die von wachsender Ungleichheit
zwischen Arm und Reich, der Herrschaft einer egoistischen und individualistischen
Mentalität verursacht wird und sich unter anderem ausdrückt in einem ungeregelten
Finanzkapitalismus“, neben Formen von Terrorismus und Kriminalität, so bin ich doch
davon überzeugt, dass die vielen Werke des Friedens, derer die Welt so reich ist,
von der eingeborenen Berufung der Menschheit zum Frieden zeugen. In jedem Menschen
lebt das Verlangen nach Frieden als wesentliches Streben und fällt auf seine Weise
zusammen mit dem Verlangen nach einem vollen, glücklichen und gut gelebten Leben.
Der Mensch ist für den Frieden geschaffen, der Geschenk Gottes ist. All das hat mich
dazu bewegt, mich für die Botschaft von den Worten Jesu inspirieren zu lassen „Selig,
die Frieden schaffen, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“ (Mt 5: 9).
Diese
Seligpreisung sagt, dass der Frieden eine messianische Gabe und menschliches Werk
gleichzeitig ist. Es ist das Leben mit Gott, leben nach seinem Willen. Und es ist
Frieden mit sich selbst, es ist äußerer Frieden mit dem Nächsten und mit der ganzen
Schöpfung (Messaggio 2 u. 3). Ja, der Frieden und das Gute ist gleichzeitig als Geschenk
von Gott zu bitten und mit aller Kraft zu erschaffen.
Wir können uns fragen:
Was ist das Fundament, der Ursprung, die Wurzel dieses Friedens? Wie können wir in
uns den Frieden wahrnehmen, trotz der Probleme, des Dunkels, der Ängstlichkeiten?
Die Antwort wird uns von den heutigen Lesungen gegeben.
Die biblischen Texte,
vor allem das Lukasevangelium, schlagen uns vor, den inneren Frieden Marias, der Mutter
Jesu, zu betrachten. Für sie erfüllen sich während der Tage, in denen sie Seinem Sohn
das Leben gab (Lk 2: 7) viele unvorhergesehene Ereignisse: Nicht nur die Geburt des
Sohnes, sondern zuvor auch die mühsame Reise von Nazareth nach Bethlehem, das vergebliche
Suchen nach einer Unterkunft, das Finden einer Notunterkunft für die Nacht, und darauf
der Gesang der Engel und er unerwartete Besuch der Hirten. In all dem regt sich Maria
nicht auf, ist nicht beunruhigt und nicht verwirrt von Ereignissen, die größer sind
als sie; sie betrachtet nur einfach - in Stille - was geschieht und bewahrt alles
in ihrem Gedächtnis und in ihrem Herzen; die reflektiert es mit Ruhe und Seelenfrieden.
Diesen inneren Frieden wollen auch wir in Mitten der vielfach turbulenten und verwirrenden
Ereignisse der Geschichte ebenfalls haben, Ereignisse, deren Sinn wir häufig nicht
verstehen und die uns ratlos lassen.
Die Lesung des Evangeliums endet mit einer
Andeutung der Beschneidung Jesu. Nach dem Gesetz des Mose muss jedes Kind acht Tage
nach der Geburt beschnitten werden und dabei wird ihm sein Name gegeben. Gott selbst
hat durch seinen Boten Maria - und auch Josef - gesagt, dass der Name „Jesus“ sein
soll, und so geschah es (Mt 1: 21, Lk 1: 31). Diesen Namen hatte Gott bereits vor
der Empfängnis des Kindes festgelegt, heute wird er offiziell bei der Beschneidung
gegeben. Und das bezeichnet auch ein für allemal die Identität Marias: Sie ist „Mutter
Jesu“, das heißt die Mutter der Erlösers, des Gesalbten, des Herrn. Jesus ist kein
Name wie all die anderen, er ist Wort Gottes, einer der göttlichen Personen, Gottes
Sohn: Deswegen hat die Kirche Maria den Titel ,Theotokos‘, Gottesgebärerin, gegeben.
Die
erste Lesung erinnert uns daran, dass der Frieden eine Gabe Gottes ist und verbunden
mit dem Antlitz Gottes, wie es das Buch Numeri sagt, das den Segen der Priester des
Volkes Gottes zu liturgischen Versammlungen überliefert. Ein Segen, der drei mal den
heiligen Namen Gottes wieder holt, den unaussprechlichen Namen, und der jedes mal
diesen Namen mit zwei Worten verbindet, die für eine für den Menschen positiven Handlung
stehen: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich
leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir
Heil“ (Num 6: 24-26). Der Frieden ist so der Höhepunkt dieser sechs Handlungen Gottes
zu unseren Gunsten, in denen er uns das Leuchten seines Angesichtes zeigt.
Für
die Heilige Schrift ist die das Betrachten des Angesichtes Gottes höchstes Glück:
„du erfreust ihn mit Freude vor deinem Antlitz“ sagt der Psalmist (Ps 21: 7). Von
der Betrachtung des Antlitzes Gottes aus wächst Freude, Sicherheit und Frieden.
Aber
was heißt es konkret, das Angesicht des Herrn zu betrachten, wie es vom Neuen Testament
gemeint sein mag? Es heißt, Ihn direkt zu kennen, so wie es in diesem Leben möglich
ist, durch Jesus Christus, in dem er sich geoffenbart hat.
Sich in der Herrlichkeit
des Angesichts Gottes freuen heißt, das Geheimnis seines Namens, der in Jesus in die
Welt kam, zu durchdringen und etwas zu verstehen von Seinem inneren Leben und Seinem
Willen, so dass wir nach seiner liebenden Vorsehung für die Menschheit leben können.
So
sag es der Apostel Paulus im Brief an die Galater (4: 4-7) über den Heiligen Geist,
der im inneren unserer Herzen ruft „Abba! Vater!“ Dieser Ruf sprudelt aus der Betrachtung
des wahren Angesichtes Gottes hervor, der Offenbarung des Geheimnisses seines Namens.
Jesus
bestätigt: „Du hast deinen Namen den Menschen bekannt gemacht“ (Joh 17: 6). Der Mensch
gewordene Sohn Gottes hat uns den Vater bekannt gemacht, er hat uns in seinem menschlichen
Angesicht das unsichtbare Angesicht des Vaters sichtbar gemacht; durch das Geschenk
des Heiligen Geistes, der in unsere Herzen eingegossen ist, hat uns der Vater erkennen
lassen, dass wir in Ihm auch Kinder Gottes sind, wie der heilige Paulus in dem Text,
den wir gehört haben, sagt: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines
Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba! Vater!“ (Gal 4: 6).
Liebe
Brüder und Schwestern, das ist das Fundament unseres Friedens: Die Sicherheit, dass
wir in Jesus Christus die Herrlichkeit des Angesichtes Gottes erblicken, dass wir
im Sohn ebenfalls Söhne sind, und so auf dem Weg des Lebens dieselbe Sicherheit haben,
die ein Kind in den Armen eines großen und allmächtigen Gottes erfährt.
Die
Herrlichkeit des Angesichtes des Herrn, die über uns kommt und uns seinen Frieden
schenkt, ist die Offenbarung seiner Vaterschaft; Der Herr zeigt uns sein Angesicht,
der Vater zeigt sich und gibt und Frieden. Hier liegt der Beginn des tiefen Friedens
- „Frieden mit Gott“ - der untrennbar mit dem Glauben und der Gnade verbunden ist,
wie der heilige Paulus an die Christen in Rom schreibt (Rom 5: 2). Nichts kann den
Glaubenden diesen Frieden nehmen, auch nicht die Schwierigkeiten und das Leiden des
Lebens. Im Gegenteil verringern das Leiden, die Prüfungen und die Dunkelheiten nicht
unsere Hoffnung, sondern lassen sie wachsen; eine Hoffnung, die nicht zuschanden wird,
„denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der
uns gegeben ist.“ (Röm 5: 5).
Die Jungfrau Maria, die wir heute mit ihrem Titel
Mutter Gottes verehren, helfe uns, das Angesicht Jesu zu verehren, des Fürsten des
Friedens. Sie erhalte und begleite uns in diesem neuen Jahr und erwerbe für uns und
für die ganze Welt die Gnade des Friedens.