Nicht bei oberflächlichen Nachrichten stehen bleiben: Die Predigt zum Jahresabschluss
In einer Arbeitsübersetzung dokumentieren wir die Predigt von Papst Benedikt XVI.
bei der Jahresabschlussvesper im Petersdom.
Sehr geehrte Herren Kardinäle, Verehrte
Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, Sehr geehrte Würdenträger, Liebe Schwestern
und Brüder!
Ich bedanke mich bei Ihnen allen für die Teilnahme an dieser Liturgie
der letzten Stunde im Jahr des Herrn 2012. Diese „Stunde“ enthält eine ganz eigene
Intensität und wird gleichsam zu einer Synthese aller Stunden des Jahres, das gerade
vergeht. Ich grüße vor allem die Kardinäle, Bischöfe, die Priester, die Ordensleute
und alle Gläubigen, vor allem diejenigen, die das Bistum Rom vertreten. Ganz besonders
grüße ich die hier anwesenden Würdenträger, beginnend mit dem Bürgermeister der Stadt,
und bedanke mich bei Ihnen, dass Sie diese Momente des Gebetes und des Dankes an Gott
mit uns teilen.
Das „Te Deum“, das wir dem Herrn an diesem Abend zum Ende des
Sonnenjahres singen werden, ist ein Hymnus des Dankes der mit den Worten beginnt:
„Dich, Gott, loben wir, dich, Herr, preisen wir“; und er endet mit einem Bekenntnis
der Hoffnung: „Auf dich, o Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt. In Ewigkeit werde
ich nicht zuschanden.“ Wie auch immer der Gang des Jahres gewesen sein mag, einfach
oder schwierig, dürr oder reich an Frucht: wir danken Gott. Das „Te Deum“ enthält
eine tiefe Weisheit, und zwar die Weisheit, die uns sagen lässt, dass es trotz allem
das Gute in der Welt gibt und dass dieses Gute dazu bestimmt ist, zu siegen dank der
Gnade Gottes, des Gotte Jesu Christi, geboren, gestorben und auferstanden.
Es
ist zugegeben manchmal schwierig, diese tiefe Realität zu begreifen, denn das Schlechte
macht mehr Lärm als das Gute; ein unmenschlicher Mord, die verbreitete Gewalt, die
schweren Ungerechtigkeiten: Das alles sind Nachrichten. Im Gegensatz dazu bleiben
die Gesten der Liebe und des Dienstes, die mit Treue und Geduld gelebten Mühen des
Alltags im Schatten, sie kommen nicht vor.
Auch aus diesen Gründen dürfen wir
nicht nur bei den Nachrichten stehen bleiben, wenn wir das Leben und die Welt verstehen
wollen. Wir müssen fähig sein, in der Stille zu verweilen, in der Meditation, in einer
ruhigen und verlängerten Reflexion; wir müssen fähig sein, anzuhalten um zu Denken.
Auf
diese Weise kann unser Geist Heilung finden von den unvermeidbaren Verwundungen des
Alltags, er kann in die Tiefe der Tatsachen, in denen sich unser Leben und die Welt
abspielen, hinabsteigen und sich mit er Weisheit vereinen, die es erlaubt, die Dinge
mit neuen Augen zu sehen.
Vor allem in der Erforschung des Gewissens, in dem
Gott zu uns spricht, lernen wir, die eigenen Handlungen im Licht der Wahrheit zu sehen,
aber auch das Schlechte, das in uns ist. Damit beginnt ein Weg der Bekehrung, der
uns weiser, besser und fähiger macht, Solidarität und Gemeinschaft zu leben und das
Böse mit dem Guten zu besiegen.
Der Christ ist ein Mensch der Hoffnung, auch
und vor allem im Angesicht des Dunkels, das in der Welt ist, das nicht vom Plan Gottes,
sondern von den falschen Entscheidungen des Menschen abhängt, denn der Christ weiß,
dass die Kraft des Glaubens Berge versetzen kann (Mt 17:20): Der Herr kann auch die
tiefste Dunkelheit erhellen.
Das Jahr des Glaubens, das die Kirche gerade feiert,
möchte in den Herzen eines jeden Glaubenden ein größeres Bewusstsein dafür auslösen,
dass die Begegnung mit Christus die Quelle des echten Lebens und eine tragfähige Hoffnung
ist. Der Glaube an Jesus erlaubt eine beständige Erneuerung im Guten und die Möglichkeiten,
aus dem Treibsand der Sünde herauszukommen und neu zu beginnen. Im fleischgewordenen
Wort können wir immer neu das wahre Wesen des Menschen erkennen, das sich als Empfänger
der unendlichen Liebe Gottes zeigt, gerufen zur persönlichen Gemeinschaft mit Ihm.
Diese Wahrheit, die Jesus Christus zu enthüllen gekommen ist, ist die Sicherheit,
die uns dazu drängt, das nun anbrechende neue Jahr mit Zuversicht zu erwarten.
Die
Kirche, die von ihrem Herrn den Auftrag der Verkündigung bekommen hat, weiß sehr wohl,
dass die Frohe Botschaft für alle Menschen bestimmt ist, vor allem für die nachwachsenden
Generationen, um den Durst nach Wahrheit zu löschen, den jeder im Herzen trägt und
der oft genug verdeckt wird durch die vielen Dinge, die das Leben beschäftigen. Dieser
apostolische Dienst ist dann um so wichtiger, wenn der Glaube von kulturellen Kontexten
zugedeckt zu werden droht, die verwehren, dass er im Einzelnen Wurzeln schlägt und
in der Gesellschaft Präsent ist.
Auch Rom ist eine Stadt, in der der Glaube
immer neu auf glaubwürdige Weise verkündet werden muss. Auf der einen Seite sind es
die wachsenden Zahlen der Andersgläubigen, die Schwierigkeiten der Pfarreien, junge
Menschen zu erreichen, die Verbreitung eines individualistischen und in ethischen
Fragen relativistischen Lebensstils. Auf der anderen Seite ist da die Suche so vieler
Menschen nach einem Sinn ihrer Existent und nach einer Hoffnung, die nicht trügt.
Das alles kann uns nicht unberührt und unbeteiligt lassen. Wie es der Apostel Paulus
sagt (Rom 1: 14-15), jeder Gläubige der Gemeinde muss sich als Schuldner des Evangeliums
gegenüber den anderen fühlen.
Deswegen betont unser Bistum bereits seit vielen
Jahren die missionarische Dimension der normalen Seelsorge, so dass alle Gläubigen,
erhalten vor allem von der sonntäglichen Eucharistie, Jünger und glaubwürdige Zeugen
Jesu Christi werden können. Vor allem die christlichen Eltern sind zu einem solchen
kohärenten Leben des Glaubens berufen, denn sie sind für ihre Kinder die ersten Lehrer
des Glaubens. Die Komplexität des Lebens in einer großen Stadt wie Rom und in einer
Kultur, die sich oft der Beschäftigung mit Gott indifferent gegenüber zeigt, verpflichtet
alle, diese Eltern nicht bei dieser Aufgabe allein zu lassen, sondern sie ihrem geistlichen
Leben zu unterstützen. Diesbezüglich ermutige ich alle in der Familienpastoral engagierten,
die pastoralen Richtlinien, die aus der vergangenen Diözesanversammlung hervorgegangen
sind und die sich mit der Pastoral der Taufe und nach der Taufe befassen, in die Praxis
umzusetzen.
Wir brauchen einen selbstlosen Einsatz, um die Wege zu geistlicher
Bildung der Eltern nach der Taufe des Kindes zu entwickeln, welche die Flamme des
Glaubens am Leben erhält. Diese Wege sollten konkrete Vorschläge enthalten, so dass
vom zarten Alter an das Evangelium Jesu verkündet werden kann. Das Entstehen von Familiengruppen,
in denen das Wort Gottes gehört und die Erfahrungen des christlichen Lebens ausgetauscht
werden, hilft und bestärkt den Sinn für das Dazugehören zur kirchlichen Gemeinschaft
und auch das Wachsen in der Freundschaft mit dem Herrn. Es ist ebenfalls wichtig,
Beziehungen der herzlichen Freundschaft zu den Gläubigen aufzubauen, die nach der
Taufe ihrer Kinder und überwältigt von den Wichtigkeiten des täglichen Lebens kein
großes Interesse zeigen, diese Leben zu leben: Auf diese Weise können sie die Zuneigung
der Kirche erfahren, die wie eine fürsorgende Mutter sich ihnen an die Seite stellt
und so ein geistliches Leben begünstigt
Um das Evangelium verkünden zu können
und denjenigen, die Jesus noch nicht kennen oder ihn aufgegeben haben, durch das Tor
des Glaubens zu schreiben und in Gemeinschaft mit Gott zu leben, ist es unentbehrlich,
auf vertiefte Weise den Inhalt unseres Glaubensbekenntnisses zu kennen. Die Anstrengungen
zu einer systematischen Ausbildung der pastoralen Mitarbeiter, wie es sie seit einigen
Jahren in einigen Teilen des Bistums Rom gibt, ist ein kostbarer Weg, für den wir
uns auch in Zukunft weiter einsetzen müssen, um Gläubige dazu zu bilden, dass sie
Echo des Evangeliums in jedem Haus und in jeder Umwelt werden, auch über die Begegnungszentren,
die so viel Frucht hervorgebracht haben. In dieser Beziehung sind auch die „Dialoge
in der Kathedrale“, die seit einigen Jahren in der Basilika San Giovanni in Laterano
stattfinden, eine wichtige Erfahrungsmöglichkeit, der Stadt zu begegnen und mit denjenigen,
die Gott und die Wahrheit suchen und die Antworten auf die großen Fragen der menschlichen
Existenz suchen, in Dialog zu treten.
Wie schon in den vergangenen Jahrhunderten
ist auch heute die Kirche Roms dazu berufen, unermüdlich den Reichtum der Frohen Botschaft
Jesu zu verkünden. Und das, während sie Menschen unterstützt, die in Armut und Ausgrenzung
leben, wie auch den Familien in Schwierigkeiten, vor allem wenn sie kranken und körperbehinderten
Menschen helfen. Ich vertraue darauf, dass die verschiedenen Institutionen es nicht
an Einsatz fehlen lassen, so dass alle Menschen das bekommen können, was sie für ein
würdiges Leben brauchen.
Liebe Freunde, am letzten Abend des Jahres und am
Beginn des neuen lasst uns Gott loben! Wir bekennen dem der ist, der war und sein
wird (Apg 1:8) unsere Reue und die Bitte um Vergebung der Nachlässigkeit, wie auch
unseren Dank für die unzähligen Wohltaten, die wir von der göttlichen Güte empfangen
haben. Vor allem danken wir für die Gnade und Wahrheit, die in Jesus Christus gekommen
sind. In ihm ruht die Fülle der gesamten menschlichen Zeit. In ihm liegt die Zukunft
jedes Menschen. In ihm verwirklicht sich die Erfüllung der Hoffnung der Kirche und
der Welt.