2012-12-27 12:39:23

Kardinal Sarah: „Keine internationalen Militäraktionen in Syrien!“


RealAudioMP3 Die Gewalt in Syrien weitet sich aus, kirchliche Beobachter berichten über neue Krisenherde und von einer desaströsen Situation der Zivilbevölkerung in weiten Teilen des Landes. Der Vatikan hält derweil entschieden an der Möglichkeit einer politischen Lösung des Konfliktes fest. Papst Benedikt XVI. rief in seiner Weihnachtsbotschaft erneut zum Ende des Blutvergießens und zum Dialog der Konfliktparteien auf. Humanitäre Hilfen erleichtern und keine internationale Militäraktion in Syrien – in diese Richtung denkt auch der Leiter des päpstlichen „Entwicklungshilfeministeriums“ Cor Unum. Kardinal Robert Sarah sagte in einem (schriftlich geführten) Interview mit Radio Vatikan:

„Die Friedensappelle und die Aufrufe zur Versöhnung, die der Papst an die Kriegsparteien richtete und an die Internationale Gemeinschaft, damit sie effizienter tätig wird, sind ausreichend klar gewesen. Der Krieg und die Zerstörung menschlichen Lebens und der Infrastrukturen sind keine Lösung für die sozial-politischen Probleme. Lösungen sind nur durch Dialog und den Willen zum gemeinsamen Aufbau einer Nation in Liebe und Solidarität möglich. Die Kirche hofft, dass sich Militäraktionen wie die im Irak, in Libyen, in Elfenbeinküste nicht wiederholen. ,Nie wieder Krieg‘, rief Paul VI. im Jahr 1965 in New York. Der Ruf Benedikt XVI. ist heute derselbe.“

Kardinal Sarah hat im November Flüchtlingscamps auf der Bekaa-Ebene im Libanon besucht. Offizielle Zahlen sprächen von 500.000 syrischen Flüchtlingen in den anliegenden Ländern. Hinzu kämen zwei Millionen Evakuierte im Land. Bei seinem Besuch in den Flüchtlingslagern sei die Lage der Vertriebenen schon „extrem ernst“ gewesen, so der Kardinal:

„Ihre Lebensbedingungen waren extrem prekär, sie waren ohne Wasser, Elektrizität, Gesundheitsversorgung, die Hygiene-Bedingungen waren desaströs. Nichts desto trotz hat mich die große Würde dieser Frauen und Männer beeindruckt, dieser Flüchtlinge in einem fremden Land, die eine gefährliche Reise von hunderten, teilweise tausend Kilometern hinter sich hatten. Nach meinem Besuch hat sich ihre Lage weiter verschlechtert. Der Winter hat begonnen, mit seinen unvermeidbaren Konsequenzen, und der Konflikt wird immer schärfer, mit seinem ganzen Ausmaß an Gewalt, Leid und Tod.“

Er selbst sei in ständigem Kontakt mit den Kirchen des Nahen Ostens und mit den verschiedenen lokalen katholischen Hilfsorganisationen, die sich um die Flüchtlinge innerhalb und außerhalb des Landes kümmern, so der Kardinal.

„Sie haben uns alarmierende Informationen gegeben über neue Kampffronten und über die materiellen, psychologischen, spirituellen, hygienischen und gesundheitlichen Bedingungen, unter denen inzwischen ein großer Teil der Bevölkerung leben muss. Sie erzählen von Missbräuchen jeder Art, die die Bevölkerung erleiden - die die Menschen doppelt leiden lässt.“

Seit Beginn des Konfliktes in Syrien habe die Kirche humanitäre und spirituelle Hilfe geleistet, berichtet Sarah. Er würdigt den selbstlosen Einsatz der im Land operierender Ortskirchen und Hilfsnetzwerke. Dabei gehe es um „eine Hilfe, die allen offensteht“, unabhängig von strategischen und politischen Entscheidungen. Das sei nicht selbstverständlich, lässt er durchblicken:

„Jeder Krieg unterscheidet sich von anderen und hat seine Geschichte und spezifischen Dynamiken. Auch die lokalen und internationalen Handelnden haben ihre eigenen Interessen… In diesem Sinn ist auch Syrien ein Sonderfall, sehr komplex, dessen Ursachen und Besonderheiten verstanden und analysiert werden müssen. Die Aktionen, die zum Frieden führen sollen, müssen mit der größten Vorsicht und Aufmerksamkeit durchgeführt werden.“

Auch deshalb, weil die Lage im sozial und religiös vielfältigen Syrien durch den Krieg unübersichtlicher wird: Die Linien des Konfliktes sind verwischt, immer wieder geraten auch Christen zwischen die Fronten. Der internationale Sondergesandte Lakhdar Brahimi hat derweil die Einsetzung einer Übergangsregierung in Syrien gefordert. Das Land brauche einen „echten“ Wandel, sagte Brahimi am Donnerstag in der Hauptstadt Damaskus. Er plädierte für eine Übergangsregierung mit umfassenden Machtbefugnissen, die das Land bis zu Neuwahlen führen solle.


Christen geraten zwischen die Fronten
Die Linien im syrischen Bürgerkrieg sind verwischt, immer wieder geraten auch Christen zwischen die Fronten. So kamen erst in diesen Tagen zwei christliche Kleinstädte in der Provinz Hama - Mahrada and Sqailbiyeh - ins Visier der Konfliktparteien. Die „Ansar“-Brigadisten aus Hama unter dem Kommando eines gewissen Rashid Abul Fidaa stellten den Bewohnern ein Ultimatum: Entweder müssten sie selbst dafür sorgen, dass die Regierungssoldaten aus den beiden Kleinstädten „verschwinden“ oder Mahrada und Sqailbiyeh würden von den „Ansaris“ angegriffen. Die internationale „Organisation für Islamische Zusammenarbeit“ (OIC) verurteilte die Drohungen des „Ansar“-Kommandanten gegen die Bewohner jedoch scharf.

Bereits am 13. Dezember hatte die Nachrichtenagentur Fides von einer ähnlichen Entwicklung im Wadi an-Nasara berichtet. In diesem „Tal der Christen“ leben rund 150.000, zumeist griechisch-orthodoxe Christen, in 40 Kleinstädten und Dörfern. In den vergangenen Monaten haben außerdem zehntausende Binnenflüchtlinge aus Homs und anderen Städten dort Zuflucht gesucht. Seit Wochen ist das Tal Zielscheibe islamistischer Milizen, die sich in der Kreuzritterburg „Crac des Chevaliers“ eingenistet haben. Sie schießen von dem Hügel, auf dem sich die Burg befindet, auf die Dörfer im Tal und die Straßensperren der syrischen Armee.

(rv/fides/kap 27.12.2012 pr)








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