2012-12-26 11:41:36

Heiliges Land: 60 Jahre Caritas Baby-Hospital in Bethlehem


RealAudioMP3 Seit 1952 stehen die Türen allen Kindern Palästinas offen: Das Caritas Baby-Hospital in Bethlehem und Hebron feiert in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag. Die medizinische Versorgung gerade für Kinder ist unverzichtbar. Zudem ist das Caritas Baby-Hospital das einzige Krankenhaus, das auch Mütter gezielt in die Pflege der Kinder einbezieht. Dass die politisch angespannte Lage sich auch in dieser Einrichtung niederschlägt, erzählt die Chefärztin des Hospitals, Hijam Marzuqa. Nicole Stroth vom Erzbistum Freiburg hat mit ihr gesprochen.

60 Jahre Caritas Baby Hospital – das ist ja ein stolzes Jubiläum. Was, würden Sie sagen, ist der größte Erfolg, der in dieser Zeit erreicht wurde?

„Der größte Erfolg ist, dass wir jetzt wirklich ein anerkanntes Gesundheitszentrum geworden sind auf dem besten Standard, das alle Kinder bestens versorgt. Und dass wir weiter bestehen, dass wir das Vertrauen sowohl der einheimischen Palästinenser haben als auch das unserer Spender in Europa gewonnen haben, damit wir weiter bestehen können und wir uns sogar entwickeln können.“

Was ist dabei Ihr Erfolgsrezept? Was kennzeichnet Ihre Arbeit?

„Unsere Arbeit kennzeichnet, dass wir das Kind holistisch versorgen, also nicht nur medizinisch. Wir haben eine tolle Sozialabteilung, die nach der Familie schaut und nach den Verhältnissen, in denen das Kind lebt – wir begleiten also die Familie auch in psychischer Hinsicht. Ein Kind, das bei uns aufgenommen wird, wird in der Familie aufgenommen und ganz versorgt.“

Wieso ist das Caritas Baby-Hospital in dieser Region rund um Bethlehem – Hebron so eine wichtige Einrichtung?

„Wissen Sie, die Gesundheitsversorgung in Palästina ist nicht so gut. Sie leidet unter den politischen Umständen. Das Kinderkrankenhaus, Caritas Baby-Hospital, ist das einzige spezialisierte Kinderkrankenhaus für Kinder. Wir haben keine anderen Abteilungen, in unserem Krankenhaus finden auch keine Geburten statt. Wir sind ein Kinderkrankenhaus, und alle wissen, dass da die Diagnose richtig gestellt wird, dass da das Kind behandelt wird, dass das Kind versorgt wir. Deswegen ist die Einrichtung so wichtig: in einem Land, in dem die Gesundheitsversorgung nicht gut ist, ein Zentrum zu haben, das das Vertrauen der Eltern gewinnt.“

Sie sind Chefärztin in diesem Hospital. Wie sieht ein typischer Tag bei Ihnen aus? Oder gibt’s den gar nicht?

„Eigentlich ist mein Tag als Kinderärztin nur bei den Kindern. Im Moment habe ich damit zu tun, Sachen zu entwickeln und mich mit Personal zu beschäftigen, Pläne zu machen, Sitzungen. Halt das Übliche, was mit Management zu tun hat. Aber ich bin froh oder sagen wir mal so: Wenn ich mich erholen will, gehe ich zu den Kindern und betreue sie. Das ist meine Entspannung.“

Was sind für Sie die größten Herausforderungen oder auch Schwierigkeiten in der Arbeit?

„Wissen Sie, die Schwierigkeiten sind Personalfragen. Das würde jeder Manager Ihnen sagen – die Schwierigkeiten, das Personal zu motivieren. Eine andere Herausforderung: zu spüren, meine Grenzen zu spüren. Vor allem bei Kindern, die chronisch erkrankt sind, wo man nicht mehr viel machen kann. Da zu spüren, dass man machtlos ist – das sind schwierige Momente für mich.“

Inwiefern spielt denn auch die politische Lage eine Rolle in Ihrer Arbeit? Wie beeinflusst das Ihre Arbeit konkret?

„Die Bewegungseingrenzung – wir Palästinenser können uns in unserem eigenen Land nicht frei bewegen. Jerusalem ist nur zehn Kilometer von hier entfernt, aber ich kann Jerusalem nicht erreichen ohne Genehmigung, ohne Erlaubnis. Und das gilt auch für meine Patienten. Ich spüre das vor allem, wenn ich ein Kind nach Jerusalem überweise: Das Kind kann nicht einfach nach Jerusalem, ich muss Genehmigungen beantragen, wir müssen Krankenwagen koordinieren. Und ein Krankenwagen, der das Kind vom Krankenhaus abholt, kann nicht durch nach Jerusalem, da muss ein Krankenwagen aus Jerusalem kommen, und das Kind wird umgeladen. Das ist ein Problem. Andere Probleme gibt es, wenn Spannungen da sind. So wie in der letzten Zeit zwischen Gaza und Israel. Da habe ich mir wirklich Sorgen gemacht – wie geht es weiter, wenn die politische Lage so anspannt ist? Können die Kinder überhaupt zu uns kommen? Ich habe Zeiten erlebt in diesen 22 Jahren, in denen ich im Krankenhaus gearbeitet habe, in denen wir unter Ausgangssperren arbeiten mussten und wo die Patienten überhaupt nicht zu uns kamen. Oder wo sie spät zu uns kamen.“

Gibt es da so etwas wie einen „Plan B“? Wenn die Lage sich noch mehr zuspitzt…

„Ja, den gibt es immer. Wir wissen, was wir machen müssen. Wir haben eine schnelle Sitzung gemacht und haben genau geschaut, wo wir die Kinder unterbringen können, was wir machen usw. Also unser Personal schläft im Krankenhaus, wenn es solche Situationen gibt. Oder zumindest teilweise, damit wir immer präsent sein können.“

Jetzt dürfen ja in Ihr Krankenhaus alle Eltern, alle Kinder kommen – ganz gleich, welche Religion sie haben oder welcher Herkunft sie sind. Wie wird das von den Patienten angenommen und im Krankenhaus erlebt?

„Ich merke, dass sie das wertschätzen. Sie haben ein großes Vertrauen. Ich spürte das zum Beispiel, als mir eine Mutter mal sagte: „Ich war bei vielen Institutionen, hier fühle ich mich zu Hause.“ Sie und ihr Kind wurden aufgenommen. Wir sind ein christliches Krankenhaus in einem eigentlich islamischen Land, aber wir werden geschätzt, weil die Menschen auch wissen, dass wir eine gute Behandlungsqualität haben. Sie haben großes Vertrauen in uns.“

Inwiefern können Sie da auch so etwas wie eine Brücke des Friedens sein?

„Wir sind eine Brücke des Friedens. Wir sind ein christliches Krankenhaus, wie ich finde, denn wir arbeiten mit der Nächstenliebe. Die Hälfte unserer Mitarbeiter sind Moslems, die andere Hälfte sind Christen – insofern kann man das als Brücke sehen. Und dann arbeiten wir auch mit den israelischen Krankenhäusern gut zusammen. Ich kann zu jeder Zeit einen Kollegen in Jerusalem, einen israelischen Kollegen in Jerusalem anrufen, und wir beraten uns, wir überweisen ihnen die Kinder. Das ist die zweite Brücke. So ist das Krankenhaus wirklich eine Friedensbrücke.“

Sie machen eine tolle Arbeit, aber ja doch in einem schwierigen Umfeld. Was gibt Ihnen da die Kraft? Was ist Ihr Motor?

„Die Kinder. Also einen besseren Motor gibt es nicht. Ich habe während meines Studiums in Deutschland meine Praktika in diesem Krankenhaus gemacht. Und es hat mich schon damals fasziniert, was für eine tolle Sache die Europäer durch ihre Unterstützung in Palästina machen. Ich wollte da unbedingt hin, das hat mich gefesselt, die Arbeit dort hat mich fasziniert. Man spürt die Erfolge: Ein krankes Kind kommt weinend rein, es ist krank, es atmet nicht gut und dann geht es nach zwei Tagen lächelnd raus. Es ist zufrieden, seine Mutter ist zufrieden. Das motiviert sehr.“

Was wäre jetzt Ihr Wunsch für die Zukunft? Bei so einem Jubiläum schaut man ja nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft. Was würden Sie sich da am meisten wünschen?

„Wissen Sie, ich habe mehrere Wünsche. Als Kinderärztin oder als Chefin des Krankenhauses wünsche ich mir, dass die Kinderhilfe Bethlehem bestehen bleibt. Dass sie stark weiter unterstützt wird, damit wir unsere Aufgaben weiter wahrnehmen können und uns entwickeln können. Als Palästinenserin wünsche ich mir, dass Frieden kommt. Denn wir sind auch ein Volk, das das Recht hat, in Würde zu leben und in Freiheit zu leben. Und als Mutter wünsche ich mir, dass meine Kinder gesund bleiben, dass sie eine Zukunft in Palästina haben können und nicht im Ausland bleiben.“

Hintergrund
In der ambulanten Klinik des Krankenhauses werden pro Jahr rund 30.000 Kinder behandelt. Die 82 Betten auf den Stationen werden jährlich von 4.000 Kindern in Anspruch genommen.


(erzbistum freiburg 26.12.2012 ns)








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