2012-12-25 08:37:49

Benedikt XVI.: „Wo Gott geleugnet wird, da gibt es keinen Frieden“


RealAudioMP3 „Beten wir in dieser Stunde für die Menschen, die heute (in Bethlehem) leben und leiden. Beten wir darum, dass dort Friede sei. Beten wir darum, dass Israelis und Palästinenser im Frieden des einen Gottes und in Freiheit ihr Leben entfalten können. Beten wir auch für die umliegenden Länder, für den Libanon, für Syrien, den Irak und so fort: dass dort Friede werde.“

Bethlehem war das Zentrum der Christmette, die Papst Benedikt XVI. an diesem Montag im Petersdom feierte, und zwar das biblische wie das reale. Bereits am Nachmittag hatte der Papst sein Friedenslicht am Licht von Bethlehem angezündet, seitdem brennt es im Fenster seines Arbeitszimmers. In seiner Predigt nahm der Papst immer wieder Bezug auf den Ort der Menschwerdung, und das auch metaphorisch: Wir sollten aus einem selbstbezogenen Denken hinaus und hinübergehen nach Bethlehem zum menschgewordenen Gott. Angesichts der überfüllten Herbergen, die Josef und Maria auf ihrem Weg nach Bethlehem nicht aufnehmen konnten, müssten wir uns auch selber fragen, ob wir denn für Gott bereit wären.

Warnung vor einer Welt, die Gott vergessen hat

„Das beginnt damit, dass wir keine Zeit für ihn haben. Je schneller wir uns bewegen können, je zeitsparender unsere Geräte werden, desto weniger Zeit haben wir. Und Gott? Die Frage nach ihm erscheint nie dringend. Unsere Zeit ist schon angefüllt. Aber die Dinge gehen noch tiefer. Hat Gott eigentlich Platz in unserem Denken? Die Methoden unseres Denkens sind so angelegt, dass es ihn eigentlich nicht geben darf. Auch wenn er anzuklopfen scheint an die Tür unseres Denkens, muss er weg-erklärt werden. Das Denken muss, um als ernstlich zu gelten, so angelegt werden, dass die „Hypothese Gott“ überflüssig wird. Es gibt keinen Platz für ihn. Auch in unserem Fühlen und Wollen ist kein Raum für ihn da. Wir wollen uns selbst. Wir wollen das Handgreifliche, das fassbare Glück, den Erfolg unserer eigenen Pläne und Absichten. Wir sind mit uns selbst vollgestellt, so dass kein Raum für Gott bleibt.“

Das habe weitreichende Folgen: Kein Platz für Gott bedeute immer auch kein Platz für die Kinder, die Armen, die Kranken, so der Papst. Paulus spreche deswegen von der „Erneuerung des Denkens“, dem „Aufbrechen unseres Verstandes“. Das bedeute ein wach werden für seine Gegenwart und ein Gott erkennen, in den Leidenden und Verlassenen, den Ausgestoßenen und den Armen. Dieser Gott sei es, der von den Engeln gelobt würde.

Warnung vor dem Missbrauch von Religion

Mit der Herrlichkeit in der Höhe, die die Engel in Bethlehem verkündeten, hänge der Friede auf Erden unter den Menschen zusammen, so der Papst. Wo Gott nicht in Ehren stehe und vergessen oder gar geleugnet werde, da gebe es auch keinen Frieden. Hier erführen das Christentum und alle monotheistischen Religionen Widerstand, sie würden vielfach für Gewalt und Krieg verantwortlich gemacht. Um Frieden zu schaffen – so diese Denkströmungen – müsse die Welt von Religion befreit werden.

„Nun ist wahr, dass in der Geschichte der Monotheismus als Vorwand für Intoleranz und Gewalt gedient hat. Wahr ist, dass Religion erkranken und so sich ihrem tieferen Wesen entgegenstellen kann, wenn der Mensch meint, selbst die Sache Gottes in die Hand nehmen zu müssen und so Gott zu seinem Privateigentum macht. Gegen diese Verzerrungen des Heiligen müssen wir wachsam sein.“

Daraus folge aber nicht, dass ein Nein zu Gott automatisch Frieden bringen würde, so der Papst.

„Wenn das Licht Gottes erlischt, erlischt auch die göttliche Würde des Menschen. Dann ist er nicht mehr Gottes Ebenbild, das wir in jedem, im Schwachen, im Fremden, im Armen in Ehren halten müssen. Dann sind wir nicht mehr alle Brüder und Schwestern, Kinder des einen Vaters, die vom Vater her einander zugehören. Welche Arten von anmaßender Gewalt dann erscheinen, wie dann der Mensch den Menschen missachtet und zertritt, das haben wir in seiner ganzen Grausamkeit im vergangenen Jahrhundert gesehen. Nur wenn das Licht Gottes über den Menschen und in ihm leuchtet, nur wenn jeder einzelne Mensch von Gott gewollt, gekannt und geliebt ist, nur dann ist seine Würde unantastbar, wie armselig seine Situation auch immer sein mag.“

Gebet für den Nahen Osten

So habe es durch die Geschichte hindurch immer wieder sichtbaren Glauben an Gott gegeben, von dem Versöhnung, Güte und Frieden ausgegangen sei. Hier sei die Botschaft des Friedensbringers Christus erfahrbar. Und dieser Friede sei nicht abstrakt, der Wunsch nach Frieden sei sehr konkret, so der Papst:

„Wie sollten wir nicht in dieser Stunde zu ihm beten: Ja, Herr, künde uns auch heute Frieden, den Fernen und den Nahen. Gib, dass auch heute Schwerter in Pflugscharen umgewandelt werden (Jes 2, 4), dass anstelle von Kriegsrüstung Hilfe für die Leidenden trete.“

Für die Verwirklichung all dessen – des Friedens wie auch der Umformung des Denkens – müsse man es den Hirten gleichmachen: Man müsse aufbrechen und hinübergehen nach Bethlehem, zu Christus.

„Eine heilige Neugier trieb sie, dieses Kind in einer Futterkrippe zu sehen, über das doch der Engel gesagt hatte, dass es der Retter, der Gesalbte, der Herr sei.
Lasst uns hinübergehen nach Bethlehem, so sagt die Liturgie der Kirche heute zu uns. Trans-eamus heißt es in der lateinischen Bibel: hinüber-gehen, den Überschritt, das „Trans“ wagen, mit dem wir aus unseren Denk- und Lebensgewohnheiten herausgehen und die bloß materielle Welt überschreiten auf das Eigentliche hin, hinüber zu dem Gott, der seinerseits zu uns herübergekommen ist.“

„Eilbedürftige Wichtigkeiten“

Dazu müssten wir es aber auch den Hirten gleichtun, was die Prioritäten in unserem Handeln betreffe, so der Papst.

„Die Hirten eilten. Heilige Neugier und heilige Freude trieb sie. Bei uns kommt es wohl sehr selten vor, dass wir für die Dinge Gottes eilen. Gott gehört heute nicht zu den eilbedürftigen Wirklichkeiten. Die Dinge Gottes haben Zeit, so denken und sagen wir. Bitten wir ihn, dass die heilige Neugier und die heilige Freude der Hirten in dieser Stunde auch uns anrühren, und gehen wir so freudig hinüber nach Bethlehem – zum Herrn, der auch heute neu zu uns kommt.
Amen.“

(rv 24.12.2012 ord)








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