Das Christentum im Nahen Osten droht nach den Worten des syrisch-orthodoxen Erzbischofs
Mar Gregorios Yohanna Ibrahim zu verschwinden. „Wir haben das Christentum in Palästina
und dem Irak verloren, in der Türkei und im Libanon“, sagte Ibrahim in der „Frankfurter
Allgemeinen Zeitung“ von diesem Freitag. In nennenswerter Zahl gebe es Christen nur
noch in zwei Ländern, in Syrien und in Ägypten. Die derzeitige Lage in seiner Heimat
Syrien bezeichnete der Erzbischof von Aleppo allerdings als hoffnungslos. „Syrien
ist zu einem Gefängnis geworden.“ Wer könne, habe das Land verlassen. So seien von
den einst 200.000 Christen Aleppos nur noch ein Drittel in der Stadt geblieben.
Die
im Norden Syriens gelegene Metropole galt vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs im März
2011 als christliche Hochburg. Sie war in den zurückliegenden Wochen und Monaten Schauplatz
heftiger Kämpfe. Seit zehn Tagen seien die drei Millionen Einwohner Aleppos praktisch
von der Außenwelt abgeschnitten, hätten weder Strom noch Wasser oder Nahrung, so der
Erzbischof. Die Kirchen versuchten darum, Hunderte Familien mit dem Nötigsten zu versorgen.
„Es wird eine dunkle Weihnacht“, sagte Ibrahim voraus. Scharfe Kritik übte der syrisch-orthodoxe
Erzbischof an der Rolle islamistischer Aktivisten, die in den Reihen der oppositionellen
Gruppen kämpften. „Die Dschihadisten und Salafisten in Syrien sind keine Syrer.“ Inzwischen
seien sie auch für die Opposition selbst zum Problem geworden, da die meisten Entführungen
auf ihr Konto gingen. An die internationale Staatengemeinschaft appellierte Ibrahim,
sich für eine Waffenruhe einzusetzen. Erst dann könne man mit humanitären Hilfslieferungen
beginnen. Ein dauerhafter Frieden in Syrien werde nur unter drei Bedingungen möglich:
„Erstens brauchen wir eine gute Regierung und eine Vertretung aller religiösen und
ethnischen Gruppen. Zweitens brauchen wir freie Wahlen, und drittens eine Verfassung,
die alle Syrer akzeptieren.“