Kardinal Koch: „Die Ökumene braucht ein gemeinsames Ziel“
Eine Ökumene ohne
ein klares und gemeinsames Ziel ist zum Scheitern verurteilt. Daran hat Kurienkardinal
Kurt Koch jetzt in Rom erinnert. Das postmoderne Ideal des Pluralismus habe auch Spuren
im Ökumenismus hinterlassen, führte der Präsident des päpstlichen Einheitsrates am
Montagabend in einer Grundsatzrede über Bedingungen eines erfolgreichen Ökumenismus
an der päpstlichen Lateranuniversität aus. Das Streben nach Einheit werde in der
postmodernen Logik, in der religiöser Pluralismus und kirchliche Vielfalt zum guten
Ton gehörten, skeptisch beäugt, so Koch. Die Suche nach Einheit sei jedoch für das
Christentum wesentlich - ohne diese Suche würde sich der Glauben selbst verleugnen,
so der Kardinal.
Dies werde deutlich in Jesu Hohepriesterlichen Gebet für
die Einheit der Christenheit, in dem der Gottessohn auch die ökumenische Zukunft der
Kirche mit eingeschlossen habe. Die „volle“ und „sichtbare“ Einheit der Christenheit
müsse so immer Zielpunkt jedes ökumenischen Bemühens sein, unterstrich Koch der sich
mehrfach auf den Papst bezog. Er würdigte Papst Benedikt XVI. als „großen Ökumeniker
unserer Zeit“: Seine Interpretation des Hohepriesterlichen Gebetes Jesu beim Letzten
Abendmahl im zweiten Jesusbuch könne als „Synthese“ des ökumenischen Werkes des Papstes
gelesen werden, so Koch. Der Papst biete darin eine christologische Vision des Ökumenismus
an, die das Potential habe, zu einer größeren Einheit der Christenheit zu führen.
Der Titel der Grundsatzrede von Kardinal Koch lautete „Einheit: Illusion oder Versprechen?
Ökumenische Aspekte im Jahr des Glaubens“.
Ein klares und gemeinsames
Ziel
Wie übersetzt sich die Forderung nach „voller, sichtbarer Einheit“
im ökumenischen Gespräch etwa mit den Protestanten? Das wollte Anne Preckel von Kurt
Koch nach seinem Vortrag wissen. „Das ist heute die große Frage, weil: Das ursprüngliche
der ökumenischen Suche nach der Einheit ist nicht mehr so klar und ist verschiedenartig
geworden. Nicht wenige Kirchen und kirchliche Gemeinschaften, die von der Reformation
her kommen, haben dieses Ziel der sichtbaren Einheit eigentlich aufgegeben und ersetzt
durch das Konzept der gegenseitigen Anerkennung aller Realitäten der Kirche, die wir
haben – als Teile der einen Kirche. Und das ist natürlich eine Vorstellung, die für
uns Katholiken, aber auch für die Orthodoxen eine schwierige Vorstellung ist. Und
deshalb müssen wir, das ist eine große Herausforderung, ein gemeinsames Gespräch haben
über das Ziel der Ökumene, denn wenn wir kein klares Ziel mehr haben, dann könnten
wir in verschiedene Richtungen gehen und am Ende feststellen müssen, dass wir noch
weiter entfernt sind als bisher oder, wie der Wiener Komiker Qualtinger einmal gesagt
hat: ,Ich weiß zwar nicht wohin, aber dafür bin ich umso schneller dort’ – das kann
keine sinnvolle Vorstellung für die Ökumene sein. Deshalb ist es eine große Herausforderung,
im Gespräch vor allem auch mit den Protestanten ein gemeinsames Ziel der ökumenischen
Bemühungen wieder zu finden.“
Viel wird auf evangelischer wie katholischer
Seite bereits über das Reformationsjubiläum 2017 gesprochen. Ihnen wäre es lieber,
wenn man hinsichtlich des Ereignisses von „Reformationsgedenken“ sprechen und ein
beiderseitiges Schuldbekenntnis einplanen würde – was wünschen Sie sich da konkret?
„In
2017 stehen zwei Wirklichkeiten im Mittelpunkt. Auf der einen Seite das Anliegen Martin
Luthers, die Wiederentdeckung der Heiligen Schrift, vor allem auch die Wiederentdeckung
der Rechtfertigungsbotschaft. Das sind großartige Dinge. Auf der anderen Seite können
wir nicht darüber hinwegsehen, dass Martin Luther keine neue Kirche gründen wollte,
er wollte keine Spaltung, sondern er wollte die Erneuerung der Kirche. Das ist damals
nicht gelungen, es sind neue Kirchen entstanden, es ist zu einer Kirchenspaltung gekommen,
es ist zu grausamen Konfessionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts, vor allem des
30-jährigen Krieges gekommen, die dann auch Konsequenzen gehabt haben für die Säkularisierung,
die teilweise vom Christentum selber verschuldet ist. Und nun diese beiden Seiten
unter das Dach des Feierns und des Jubiläums zu setzen, ist einfach sehr schwierig,
wenn man die ganze Geschichte betrachtet. Und deshalb, denke ich, werden wir die Einladung
annehmen, dieses Reformationsgedenken ökumenisch zu begehen, aber es kann für uns
nicht eine Jubiläumsfeier sein, sondern es kann nur ein Gedenken sein, bei dem auch
ein gewisser Bußakt, ein Schuldbekenntnis auf beiden Seiten – dass es nicht zu einer
Kirchenerneuerung, sondern zu einer Kirchenspaltung mit diesen furchtbaren Konsequenzen
gekommen ist – das sollte meines Erachtens Platz haben.“
Gibt es denn dafür
schon konkrete Pläne und Gespräche darüber?
„Ich bringe diesen Vorschlag
immer wieder ein, ich habe ja auch teilgenommen an der Synode der Vereinigten Evangelischen
Kirche im Norden Deutschlands, dort haben wir einen ganzen Tag über dieses Thema gesprochen,
und ich habe den Eindruck, dass viele nachdenklich geworden sind und diese Situation
sehen. Andere möchten einfach feiern, aber ich glaube, wenn sie uns dabeihaben wollen,
dürfen sie erwarten, dass wir auch unsere Vorstellungen einbringen.“
Sie
haben in Ihrem Vortrag als eine Dimension des Ökumenismus die Märtyrer angesprochen.
Inwiefern können die Märtyrer uns auf den Grund des gemeinsamen Glaubens hinweisen?
„Das
ist eine Vorstellung und eine Perspektive, die vor allem Papst Johannes Paul II. sehr
am Herzen lag, weil er gesagt hat: Alle christlichen Kirchen und alle christlichen
Gemeinschaften haben heute ihre Märtyrer. Und alle Märtyrer haben ja Zeugnis abgelegt
für den gemeinsamen Glauben an Christus. Und deshalb sind die Märtyrer in ihrem gemeinsamen
Zeugnis, in ihrer gemeinsamen Hingabe des Lebens der Einheit viel näher gekommen als
wir das sind. Sie können, wenn wir uns in das Zeugnis ihres Lebens vertiefen, eine
große Hilfe sein, die Einheit im Glauben wiederzufinden, das heißt, den Ökumenismus
spirituell-theologisch zu vertiefen.“
Gehen wir von der Mitte zum rechten
Rand der Kirche. Auch wenn Sie selbst nicht direkt in die Gespräche mit der Piusbruderschaft
involviert sind – wie würden Sie die Beziehungen zwischen Vatikan und Piusbruderschaft
aktuell beschreiben?
„Bei der Piusbruderschaft hoffe ich immer noch, dass
sie zur Kirche gehört und zur Kirche zurückkommen. Ich hoffe, dass es zu dieser Einheit
kommt, aber es kann nicht eine Einheit um jeden Preis sein. Es ist nicht denkbar,
dass man ein Konzil ablehnt, denn wer das Zweite Vatikanische Konzil ablehnt, wenigstens
in großen Teilen, der lehnt ja auch das Lehramt des heutigen Papstes Benedikt XVI.,
der ganz auf dem Boden des Fundamentes des Zweiten vatikanischen Konzils steht. Von
diesem Punkt kann man nicht abgehen!“