2012-12-08 13:13:37

Adventsbetrachtung von Bischof Gmür: Wir brauchen Zeit für Gott


RealAudioMP3 Der Bischof von Basel, Felix Gmür, hält die Adventsbetrachtung 2012 bei Radio Vatikan. Jeweils in der Samstagabendsendung hören Sie seine zur diesjährigen Vorweihnachtszeit. In seinem zweiten Beitrag betont der Basler Bischof, dass wir uns Zeit für die Besinnung nehmen sollten. Denn der Advent sei nicht nur die Zeit der Innerlichkeit und Umkehr, sondern er sei auch die Zeit der Vorbereitung. (rv)


Lesen und hören Sie hier die gesamte Meditation von Felix Gmür, Bischof von Basel

Liebe Hörerin, lieber Hörer

Der Advent lädt uns zur Besinnung ein. Finde ich in Jesus Christus den Sinn des Lebens? Glaube ich, dass Jesus Christus Gottessohn ist, dass sich in ihm das Antlitz Gottes zeigt, die Güte Gottes sichtbar wird? Und richte ich mein Leben darauf aus? Die Adventszeit führt uns in der Besinnung zu Gott und damit zu uns selbst. Dafür brauchen wir aber Zeit. Die Konzentration auf das eigene Innenleben geht nicht schnell, und schon gar nicht automatisch. Wir haben nur die Zeit, die wir uns nehmen. Die dafür nötigen Zeitfenster müssen wir uns reservieren, sonst wird die Zeit anders ausgefüllt.

Nun merken wir, dass uns die Adventszeit zwar zur Besinnung einlädt, aber dass wir ja auch vielfältig eingespannt sind. Denn der Advent ist nicht nur die Zeit der Innerlichkeit und Umkehr, sondern sie ist auch die Zeit der Vorbereitung. Das Fest von Weihnachten will gut geplant sind. Wir wollen uns zurüsten. Sicher gehört dazu die innere, die geistliche Vorbereitung. Doch auch Aspekte, die uns vielleicht äußerlich scheinen, gehören dazu. Auch wenn wir hoffentlich nicht mit Geschenken übertreiben, das Weihnachtsessen nicht wichtiger nehmen als die Christmette: Ohne Vorbereitungen geht es nicht.

Hier scheint ein Konflikt auf. Besinnung braucht Abstand, Alleinsein, Zeit für sich selbst. Vorbereitung für das gemeinsame Fest spannt uns ein. Wie gehen wir damit um? Auch Jesus kannte diese Art von Konflikt. Der Evangelist Markus schreibt:

„In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand Jesus auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten. Simon und seine Begleiter eilten ihm nach, und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich. Er antwortete: Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen. Und er zog durch ganz Galiläa, predigte in den Synagogen und trieb die Dämonen aus.“ (Mk 1,35-39)

Jesus ist in Kafarnaum sehr eingespannt. In kurzer Zeit und auf engem Raum lehrt er, vollführt einen Exorzismus in der Synagoge, richtet danach die Schwiegermutter Simons im Haus von Simon und Andreas auf, heilt später Kranke an der Tür und bannt schließlich Dämonen. Jesus ist immer unter Leuten und ständig in Gesellschaft. Nun will er einmal zur Ruhe kommen. Er will beten. Das will er in dieser Situation alleine tun. Er zieht sich also zurück. Was in unserer deutschen Bibel harmlos übersetzt wird mit den Worten: „und ging an einen einsamen Ort“, wird im griechischen Originaltext mit zwei Verben unterstrichen und betont: „Er ging hinaus und er ging weg an einen einsamen Ort“. Um zu wahrer Besinnung zu kommen, ist es nötig, sich vom Gewohnten wegzubewegen, vom Alltag Abstand zu nehmen, sich eine Zeit für sich alleine zu nehmen. Das ist ein adventlicher Akt. Alleine zu sein, heißt aber nicht, dass Jesus einsam ist. Im Gegenteil: Er betet. Er stellt sich in die Gegenwart Gottes. In seiner Gegenwart kommt Jesus zur Ruhe. Uns geht es gleich: Nehmen wir uns Zeit, uns ein Stückweit abzusondern vom ruhelosen Gang des Alltags, können wir beten und in dieser Besinnung zur Ruhe kommen in Gottes Gegenwart.

Es ist interessant zu sehen, dass es Jesus ähnlich geht wie uns in der Adventszeit. Er wird schnell vom Alltag eingeholt, so wie wir allzu oft und allzu schnell wieder in den Alltag zurückgeworfen werden. Petrus und seine Begleiter forschen intensiv nach Jesus. Sie laufen ihm eilends nach und behaupten, als sie ihn finden, dass er von allen gesucht würde. Ob man den Jüngern teilweise selbstsüchtige Motive unterstellen muss, ist unerheblich. Tatsache ist, dass Jesus aus seiner Einkehr und seinem Beten herausgerissen wird. Und wie reagiert er? Ärgert er sich? Weist er die Suchenden zurück? Weit gefehlt! Er nimmt die Jünger mit, geht mit ihnen an andere Orte und tut dort das, wozu er gekommen ist: Er verkündet die Frohe Botschaft vom Reich Gottes.

Typisch Jesus! Er geht auf die Jünger ein, nimmt sie an der Hand, zeigt sich verständnisvoll. Dadurch zeigt er uns, dass die Konzentration auf sich selber Grenzen hat. Selbstgenügsamkeit ist keine Eigenschaft des christlichen Glaubens. Vielmehr ist die Unfähigkeit, über sich selbst hinauszublicken, ein Hindernis für den Glauben. Glaube ist doppelte, ja vielfältige Beziehung; er ist das offene Tor auf den Anderen hin. Der andere ist der Nächste: Es ist Gott, dem ich mich im Gebet öffne, es ist der Mensch, der mir begegnet und auf den ich eingehe.

Der Advent öffnet uns Christinnen und Christen jedes Jahr neu die Tür zu Gott. Er öffnet jedes Jahr neu die Tür zu den Menschen. Er ist eine Zeit der Ruhe und Besinnung, die sich nach Innen richtet, und er ist eine Zeit der Begegnung mit dem Nächsten, meinem Mitmenschen, Geschöpf Gottes wie ich, die sich nach außen richtet. Deshalb ist die Adventszeit eine spannende Zeit. Wir leben die Spannung von Innen und Außen, von Ruhe und Hektik, von Dasein und Rückzug. Wir erleben diese Spannung in der Gewissheit, die uns der Glaube schenkt: Gott ist immer da, Jesus Zeit sich mir in allen Situationen. Die Adventszeit ist eine gesegnete Zeit!







All the contents on this site are copyrighted ©.