Österreich kann sich
im europäischen Vergleich mit einer Sonderstellung schmücken: Seit 100 Jahren gibt
es das Islamgesetz, das Muslimen im Land die gleichen Rechte wie anderen staatlich
anerkannten Religionsgemeinschaften zugesteht. Die Muslime waren schon seit der Okkupation
von Bosnien und Herzegowina in der K.u.K.-Monarchie präsent: Bosniaken dienten in
der Leibgarde des Kaisers, es gab muslimische Militärseelsorger und in Wien planten
Muslime den Bau einer eigenen Moschee - ein Plan, den allerdings der Ausbruch des
Ersten Weltkrieges zunichtemachte. Seit 1912 stehen also die Lehren des Islams, seine
Einrichtungen und Gebräuche unter dem Schutz des Staates. Muslime dürfen Stiftungen
einrichten, sie haben das Recht der Selbstverwaltung und Selbstbestimmung, solange
sie mit dem geltenden Recht nicht in Konflikt geraten. Diese Rechtsstellung des Islams
ist im europäischen Vergleich einzigartig. Stefan Schima lehrt an der Universität
Wien am Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht, sein Forschungsschwerpunkt
liegt auf dem österreichischen und europäischen Recht für Religionsgemeinschaften:
„Österreich
ist ein besonderes Land insofern, als bereits im Jahr 1912 ein eigenes Islamgesetz
erlassen wurde. Die Erlassung dieses Gesetzes war notwendig, weil 4 Jahre zuvor Bosnien-Herzegowina
an das Habsburgerreich gekommen ist. Für Bosnien-Herzegowina galten eigene Regelungen,
das Islamgesetz galt nur für die Österreicher und gilt auch heute noch in Österreich.
Damals hatten nur Anhänger der offiziell anerkannten Religionsgemeinschaften das Recht
der öffentlichen Religionsausübung. Insofern war es sehr wichtig, dass die Anhänger
des Islam auch tatsächlich anerkannt wurden.“
Diese Anerkennung der Anhänger
des Islam galt zunächst nur den etwa 800 Muslimen der hanafitischen Glaubensrichtung,
die sich Anfang des letzten Jahrhunderts in Österreich aufgehalten hatten, obwohl
sie über keine Gemeindestruktur verfügten. Doch mittlerweile sei sie durch eine Entscheidung
des Bundesgerichtshofes auf alle Anhänger des muslimischen Glaubens ausgeweitet. Heute
leben nach Schätzungen des Österreichischen Integrationsfonds wieder rund eine halbe
Million Muslime im Land. Die Besonderheit des österreichischen Gesetzes im Gegensatz
zu den Nachbarn, beispielsweise Deutschland, sei dabei offensichtlich:
„Mit
der Anerkennung ist in Österreich auch das Recht bzw. die Pflicht zur Erteilung von
Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht
verbunden. Dieser automatische Mechanismus ist in deutschen Bundesländern nicht anzutreffen.
Und seit dem Schuljahr 1982/83 gibt es an den österreichischen Schulen den Islamunterricht.“
Übrigens
wurde in Österreich auch die Möglichkeit für muslimische Mädchen geschaffen, am Schwimmunterricht
mit den so genannten Burkinis und ohne männliche Mitschüler teilzunehmen. Diskussion
hatte allerdings eine Studie ausgelöst, die im Jahr 2008 unter Islamlehrern erhoben
worden war. In dieser wurden die Lehrer zu ihrem Demokratieverständnis befragt, aber
auch, ob es nach dem Islam rechtens sei, Konvertiten – auch mit dem Tod - zu bestrafen.
Eine gewisse Anzahl der Lehrer, die den Fragebogen zurück gesandt hatte, hatte die
Fragen in einer Art und Weise beantwortet, die schwerlich mit dem Demokratieverständnis
Österreichs in Einklang stehen.
„Etwa ein Viertel der Lehrer, die den Fragebogen
beantwortet haben, haben ein etwas gespanntes Verhältnis zu Demokratie, aber darüber
hinaus gibt es ja die Mehrheit, also dreiviertel, die offensichtlich keine Probleme
mit demokratischem Grundverständnis haben. Da dürfen wir auf dem praktischen Boden
bleiben, in Österreich sind keine Fälle bekannt, wo es tatsächlich im Sinne eines
vollendeten Mordes Wellen geschlagen hätte. Dass es Versuche von Gesinnungsterror
gegeben hat und Versuche, Druck auf beispielsweise Konvertiten zum Christentum ausgeübt
worden ist, ist in kleineren Milieus geschehen und sollte in dem Sinn keine Sicherheitsprobleme
bereiten.“
Eine Entwicklung hin zum demokratischen Grundverständnis brauche
eben in jeder Kultur ihre Zeit, und Österreich selbst habe dabei keine Ausnahme darstellt.
Die so genannten Ehrenmorde habe es zwar auch hierzulande gegeben, dennoch würden
die gesetzlichen Möglichkeiten zu deren Verhinderung und Verfolgung sowie die Kooperation
mit den schulischen Lehrkräften zur Prävention für ausreichend gehalten:
„In
Österreich wird staatlicherseits die Laizität im Sinne einer Trennung von Staat und
Religionsgemeinschaften weder gepredigt noch praktiziert, sondern es ist mehr so etwas
wie eine neutrale Hereinnahme in dem Sinn, dass niemand ungerechtfertigt bevorzugt
behandelt werden darf. Das ist eben diese religiöse Neutralität, die zwar durchaus
in gewissem Widerspruch zu manchen islamischen Denkstrukturen steht, aber es zeigt
sich ja heute anhand vielfältiger Zusammenarbeit, dass diese Probleme der Ablehnung
in der pluralistischen Gesellschaft tatsächlich offensichtlich Minderheitsprobleme
des Islams sind.“