Angesichts der Wirtschafts-
und Finanzkrise in Europa wird nicht nur der Ruf der Kirchen nach Einheit und Solidarität
immer lauter. Im Gespräch mit dem Internetportal „katholisch.de“ rief der EU-Parlamentspräsident
Martin Schulz am Donnerstag Europa zu mehr Zusammenarbeit und Zusammenhalt auf. „Uns
Deutschen und allen Europäern muss klar sein, was es kosten würde, wenn etwa Griechenland
aus dem Euro ausscheiden würde, wenn die Märkte danach Spanien oder gar Italien attackieren
würden, oder wenn gar der Euro oder die EU insgesamt zerbrechen würden. Die politischen
und wirtschaftlichen Folgen wären katastrophal“, so der Sozialdemokrat, der am Montag
zusammen mit anderen EU-Vertretern in Oslo den Friedensnobelpreis für die Europäische
Union entgegennimmt.
Dass Europas Sorgenkind Griechenland jetzt nicht nur
das Sparen, sondern auch ein Wachstumsperspektive für die eigene Wirtschaft braucht,
ist zunehmend auch den Griechen selbst klar. Nikos Voutsinos von der griechischen
Caritas, der sich zurzeit auf einem Armutskongress der EU in Brüssel aufhält, sagte
unserem Korrespondenten vor Ort:
„Meine persönliche Meinung ist, dass das
Rezept der Sparmaßnahmen nicht hilft. Wir haben jetzt fünf Jahre Rezession und wissen
nicht, was kommt, sehen kein Licht am Ende des Tunnels. Es geht etwas besser durch
die Hilfen, ist aber immer noch sehr schwierig. Als Volkswirt glaube ich, dass durch
die Steuern und die ganzen Sparmaßnahmen die Rezession nur schlimmer wird. Wir brauchen
dringend Entwicklung und auch entsprechende Gesetze, die es Investoren ermöglichen,
nach Griechenland zu kommen.“
Der zweite Jahreskongress der Europäischen
Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung, an dem der Grieche teilnimmt, berät
noch bis Freitag über Maßnahmen, die die EU darin unterstützen soll, die Zahl der
von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen bis zum Jahr 2020 um mindestens
20 Millionen zu senken. In Griechenland habe die Caritas aktuell alle Hände voll zu
tun, um die schlimmsten Folgen der Krise abzufedern, so Voutsinos. Millionen Griechen
lebten unterhalb der Armutsgrenze, vielen fehlte es am Lebensnotwendigen.
„Es
ist eine schreckliche Situation, wir haben täglich so viele Fälle von Hilfsbedürftigen,
dass man das nicht einfach in Worte fassen kann. Was soll man tun? Wir versuchen jedenfalls
zu helfen. Was gut ist: die Menschen sind dazu bereit zu helfen, das gibt uns Hoffnung
und Enthusiasmus, es gibt eine große Solidarität. Es ist beeindruckend, dass arme
Menschen anderen armen Menschen helfen.“
Solidarität, die braucht es wohl
angesichts der schockierenden Zahlen, die auf dem Brüsseler Kongress in diesen Tagen
bekannt wurden: über 110 Millionen EU-Bürger sind demnach von Armut bedroht, 42 Millionen
Menschen haben kein Geld, ihre Miete, ihr Essen oder andere grundlegende Dinge zu
bezahlen.